Abwechslungsreiche Natur, historische Städte und Heilbäder, die längst im 21. Jahrhundert angekommen sind – das ist der Teutoburger Wald, eine Urlaubsregion, die sich über Teile Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens erstreckt.
Eine schmale Straße führt zu einem Parkplatz am Waldrand – der Ausgangspunkt für eine Wanderung zu den Emsquellen nicht weit von Paderborn. Doch da es gerade angefangen hat zu regnen, geht es erst einmal in das kleine „Hofcafé". Inhaber Alfred Maciejewski hat nicht nur Kaffee und Kuchen sondern auch Anekdoten und viel Geschichtliches rund um die Emsquellen im Angebot. Die Quellen entspringen nämlich in einem idyllischen Tal, das wiederum in eine Sandlandschaft eingebettet ist – die Senne. Ein wichtiges Naturschutzgebiet in der Region mit Eisvögeln, Schwarzspechten und Zauneidechsen – und zudem ein ganz besonderer Kulturraum mit dem sogar eine spezielle Pferderasse eng verbunden ist, das sogenannte Senner Pferd, erklärt Alfred Maciejewski: „Das ist die älteste Pferderasse Deutschlands, sie wurde schon im Mittelalter urkundlich erwähnt. Damals hat der Bischof von Paderborn einer Abtei einen Teil der hier lebenden Herde zur Bewirtschaftung der Anlage geschenkt. Und heute leben die Warmblutpferde auf einer großen Weide nicht weit von den Quellen entfernt."
Aber heute, bei dem regnerischen Wetter, lassen sich die Tiere nicht blicken. Also laufen wir einen schmalen Pfad durch dichten Wald Richtung Emsquellen, die wir nach knapp einem Kilometer erreichen. Hier ist es still, nur das Plätschern des Wassers und zwitschernde Vögel sind zu hören – und das Tropfen des Regens. Ein verwunschen wirkender Ort, der auch für ungeübte Wanderer problemlos zu erreichen ist. Er bietet einen kleinen Geschmack davon, was der Teutoburger Wald an abwechslungsreichen Naturräumen zu bieten hat, auch abseits der bekannten Routen rund um die Hermannshöhen oder die Externsteine.
Früher Osning genannt, setzte sich der Name Teutoburger Wald erst im 17. und 18. Jahrhundert für den Höhenzug zwischen westfälischer Bucht und Wesertal durch. Heute bildet er zusammen mit dem Wiehengebirge im Norden und dem Eggegebirge im Süden eine Region, die nicht nur Wanderer und Mountainbiker ins Schwärmen bringt, sondern die auch mit historischen Städten, traditionsreichen Kurorten und Heilbädern, Klöstern und Museen punkten kann.
Von den Emsquellen im lauschigen Tal also zu dem imposanten Dom von Paderborn, wo auch, gleich werden wir es hören, das Wasser nicht weit entfernt ist. Aber erst einmal erzählt Stadtführer Heiko Appelbaum von der Baugeschichte, die eigentlich bis ins Jahr 776 zurückgeht. Da nämlich war Karl der Große aus dem Westen über den Hellweg, die damalige Handelsverbindung, in die Gegend gekommen, in der es damals nur eine kleine Siedlung gab. Die hatte jedoch eine Besonderheit aufzuweisen: die nahe gelegenen Paderquellen. Karl der Große hielt daher den Ort für eine Stadtgründung geeignet, ließ eine kleine Kirche errichten, die bescheidenen Anfänge der heutigen 150.000-Einwohner-Stadt. Der Dom mit seinem berühmten „3-Hasen-Fenster" gehört zu den Hauptsehenswürdigkeiten. Eine raffinierte Steinmetzarbeit zeigt drei springende Hasen. Durch eine optische Täuschung wirkt es, als hätte jedes der Tiere zwei Ohren – tatsächlich sind es aber insgesamt nur drei. Heiko Appelbaum muss schmunzeln, wenn er die etwas verwirrten Gesichter seiner Zuhörer bemerkt, und lotst seine Gruppe wieder hinaus aus dem Dom und um das mächtige Bauwerk herum. Hier gibt es die Reste der karolingischen Pfalz – 1.300 Jahre alt – und die Bartholomäuskapelle zu entdecken. Schlicht kommt diese daher, aber auch sie birgt eine Besonderheit – es gibt hier eine acht Sekunden lange Nachhallzeit, was besonders für Sänger und Chöre reizvoll ist.
Ein Fluss gespeist von 200 Quellen
Dahinter führen ein paar Stufen hinunter, ein Plätschern ist zu hören. Unweit des Doms liegen die Quellbecken zweier Arme der Pader, die mit vier Kilometern Deutschlands kürzester Fluss ist. Denn bereits im Paderborner Ortsteil Schloss Neuhaus mündet sie in die Lippe. Gespeist wird die Pader von insgesamt rund 200 Karstquellen, die sich über das Stadtgebiet verteilen, die sich zu Bächen vereinen, in kleine Teiche oder Seen münden. Anfang des 15. Jahrhunderts gab es in Paderborn rund 20 Wassermühlen, von denen die meisten Roggen- und Weizenmehl produzierten, das weit über die Grenzen des Paderborner Landes verkauft wurde. Eine der Mühlen, früher in bischöflichem, heute in Familienbesitz, ist sogar noch in Betrieb. Das hier vermahlene Getreide wird deutschlandweit verkauft.
Ganz anders als Paderborn mit seinen Weserrenaissance-Bauten in der Altstadt und dem Dom mutet das nicht weit von der Porta Westfalica gelegene Bad Oeynhausen an. Strahlend weiße Badehäuser, Theater, Pavillons liegen verstreut in aufwendig gestalteten Parkanlagen. Dass man sich hier fast an einen Schlosspark erinnert fühlt, sei kein Zufall, sagt Christian Barnbeck, der sich mit der Geschichte des Staatsbads ausführlich beschäftigt hat. Ursprünglich sei es um den Abbau von Salz gegangen, 1745 waren in der Nähe des heutigen Orts kalte Salzquellen entdeckt worden. Friedrich der Große – die Region gehörte damals zu Preußen – reagierte prompt und ließ eine Saline gründen. Aber erst 100 Jahre später beauftragte Friedrich III. den Oberbergrat Carl von Oeynhausen damit, Steinsalzbohrungen vorzunehmen. Denn das war leichter abzubauen als Sole zu gradieren. Steinsalz fand man zwar in der vermuteten Tiefe nicht, die Arbeiter stießen aber auf eine kohlensäurehaltige Thermalsolequelle. Von Oeynhausen konnte den König davon überzeugen, dass die Quelle sich für Heilzwecke nutzen ließ und sich die Gründung eines Kurorts rentieren würde. Preußische Architekten entwarfen Pläne für prunkvoll ausgestattete Badehäuser, die später als Prototypen für andere Heilbäder gelten sollten. Im Krieg verletzte Militärs machten zunächst die „Hauptkundschaft" in Bad Oeynhausen aus, dazu kamen Politiker, Künstler, Prominente – vom Sultan von Sansibar über Hildegard Knef bis Johannes Rau.
Mindestens genauso stolz wie auf die mondäne Bädervergangenheit ist man in Bad Oeynhausen auf die umgebenden Landschaftsparks. Nur wenige Minuten läuft man vom Stadtzentrum in den Sielpark mit dem historischen Bülowbrunnen und der Pumpanlage, die seit 1806 Sole aus 79 Metern Tiefe nach oben befördert. In unmittelbarer Nähe steht eines der Gradierwerke, die so typisch für viele Orte im Teutoburger Wald sind. Schaut man bei einem Holzgerüst, an dem Sole gleichmäßig herabtropft, näher hin, sieht man, dass die Außenseite des Konstrukts aus unzähligen Schwarzdornzweigen besteht. Diese Technik zur Salzgewinnung wurde im 18. Jahrhundert eingeführt. Nicht nur in Bad Oeynhausen, sondern auch im benachbarten Bad Salzuflen.
Entspannung im Erlebnisgradierwerk
Hier, in der im 11. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnten Stadt, sollen Ziegen die eigentlichen Entdecker der salzhaltigen Quellen gewesen sein. So will es die Legende. Die Tiere hätten das Gras abgeleckt, bevor sie es fraßen. Die Hirten wunderten sich, untersuchten den Boden – und stießen auf die Quellen.
Heute werden in den Souvenirlädchen Plüschziegen verkauft – als Kuscheltiere oder Schlüsselanhänger. Eine Reminiszenz an den Beginn einer Erfolgsgeschichte kam Bad Salzuflen doch zunächst als Salzsiederstadt zu Wohlstand und wurde später zum renommierten Staatsbad. Es wirkt wie eine kleine Doppelstadt. Einerseits die aufwendig restaurierte autofreie Altstadt, in der man an Fachwerk vorbei über Kopfsteinpflaster schlendert. Daneben der Kurbereich mit dem Park, der ursprünglich nach dem Vorbild eines englischen Landschaftsgartens gestaltet wurde und gerade ein „Update" bekommen hat. Mit einem Strand und Strandkörben, in denen sich hervorragend entspannen lässt, mit sogenannten Baumelbänken, auf denen sich Erwachsene wie Kinder wohlfühlen können. Und mit der neu gestalteten Wandelhalle, in der sieben Pavillons in bester Infotainment-Manier Wissenswertes und Kurioses über Salz und Sole und die Bäderkultur bieten. Von den Decken der Pavillons baumeln Kopfhörer, am besten für einen Moment die Augen schließen und sich von einem fiktiven Salzsieder in seinen Arbeitstag „entführen" lassen. Andere Stationen zeigen Filme, oder man vertieft sich an einem Touchscreen in historische Fotos, blättert quasi durch ein Album. Passend dazu kann man ein Gläschen Sole kosten – allerdings sollte dazu ausreichend „normales Wasser" getrunken werden.
Zum Abschluss geht es ins sogenannte Erlebnis-Gradierwerk, 2007 wurde es eröffnet. Der Besucher kommt in ein langgezogenes Holzgebäude, mehrere Meter hoch, es ist schummrig und feucht. Rund 600.000 Liter Sole rieseln innen wie außen an den Schwarzdornzweigen herab, werden dann unten über Wannen aufgenommen, wieder dem Pumpwerk zugeführt und immer wieder über die Gradierwerke gepumpt, um so den Sole-, den Salzgehalt anzureichern.
Vielleicht ist es das spärliche Licht, vielleicht das monotone Tropfgeräusch, die Atmosphäre im Gradierwerk ist geradezu hypnotisch. Auch wenn die Solenebelkammer an der Kopfseite des Gebäudes zur Zeit wegen Corona geschlossen bleiben muss. Man kann in einer der Sitznischen Platz nehmen, die Augen schließen und tief einatmen, um dann festzustellen, dass sich nach kurzer Zeit nicht nur die Atemwege freier anfühlen, sondern sich wohlige Entspannung einstellt.