Gerade in Zeiten von Corona kann Sex ohne Berührung schon rein gesundheitlich gar nicht verkehrt sein. Dabei spielt die VR-Brille eine Hauptrolle. Der Akt war schon immer auch Kino im Kopf – und das geht jetzt in 3D-8K-Qualität.
Eine Grundvoraussetzung muss man beim Sex mit der VR-Brille mitbringen: Mann, Frau oder auch Divers müssen über eine gesunde Sehkraft, mit oder ohne Sehhilfe, verfügen. Sonst macht die dreidimensionale, hochauflösende VR-Darstellung keinen Sinn. Dazu sollte man sich schon ein bisschen mit Computern auskennen und über eine gewisse Grunderfahrung beim Umgang mit Virtual-Reality-Programmen verfügen. Ist beides gewährleistet, nur noch den Rechner anschalten und innerhalb von Minuten ist man mittendrin in der virtuellen Sexwelt 2020.
Dabei muss man sich alles für das anstehende Sexabenteuer erstmal selbst zusammenbauen. Das fängt an mit dem Ambiente. Villa mit Sonnenuntergang, am Strand, oder doch in der Sauna. Auf dem Bett, dem Sofa, im Pool – oder doch auf dem Küchentisch? All das kann man auswählen. Auch die Models, männlich wie weiblich, kann man sich aussuchen. Diese muss man sich allerdings nicht selbst zusammenbauen, denn beinahe jeder bekannte Sex-Star aus der Video- oder Streaming-Welt ist mittlerweile virtuell verfügbar und steht zu Diensten. Den Rest muss sich der User oder die Userin dann je nach Vorliebe per Joystick, im wahrsten Sinne des Wortes, „selber besorgen", so Tobias Platte, Geschäftsführer von „vrXcity". Das Start-up aus Berlin ist das erste Unternehmen in der Sex-Branche, das das älteste Gewerbe der Welt vollständig auf virtuelle Beine gestellt hat. Der Aufwand dazu war gigantisch, erzählt Platte im Interview. „Wir haben für unseren Virtual-Reality-Auftritt tatsächlich mehr als 700 Erotikstars als 3D-Avatare eingescannt."
Avatare sind die 3D-animierten Models auf dem Display in der VR-Brille. Damit sich diese tatsächlich so bewegen, wie im richtigen Leben, müssen alle Bewegungen eingescannt werden, so Tobias Platte. Zum Beispiel wurde der deutsche Erotik-Superstar Micaela Schäfer mit einem 3D-Scanner komplett abgetastet. „Natürlich mussten wir Michaelas ganzen Körper, von Kopf bis Fuß und dazwischen, also jede Körperspalte, digital komplett erfassen, sonst funktioniert sie als Avatar nicht. Denn jede kleinste Bewegung muss ja dann auf dem Bildschirm dargestellt werden, und der Rechner kann diese Bewegungen nur darstellen, wenn er jeden kleinsten Muskel auch kennt, sonst kommt es zu Unschärfen. Das Scannen von Micaela Schäfer hat übrigens eine Kollegin gemacht, Frauen wissen doch eher, worauf es bei einem Frauenkörper ankommt."
Die Idee zum Sex mit VR-Brille und Avataren ist Platte aber nicht über Nacht gekommen, sondern war ein Prozess. „Wir haben ein Start-up hier in Berlin gegründet und hatten die Idee, Menschen zu scannen und dann als 3D-Plastik auszudrucken. Das lief ganz gut und war ein nettes Gimmick zum Beispiel für Bands im Bereich des Merchandising." Aber auch Brautpaare gehörten zu den ersten Kunden, die sich abscannen ließen, um dann als Plastikpuppen auf der Hochzeitstorte obendrauf zu stehen, angezogen natürlich. Bei einem solchem Screening-Termin war auch mal ein Erotikstar dabei. „Die Dame ließ sich von uns tatsächlich nackt abbilden und da sind wir dann nach und nach auf die Idee gekommen, dass dies ein neuer Markt für uns sein könnte. Also eben nicht nur als kleine Plastikpuppe, sondern als Bewegtbild auf dem Monitor." Nach und nach habe man sich in diesem Bereich, „vorgetastet, denn vor fünf Jahren steckte Virtual Reality noch mitten in der 4K-Entwicklung. Man konnte zwar schon technische Abläufe hervorragend darstellen, doch der Mensch bewegt sich nun mal sehr viel geschmeidiger, vor allem beim Sexspiel", lacht Unternehmer Tobias Platte.
FORUM macht den Praxistest mit Model Tayler Pix. „Allein schon das Abscannen meines ganzen Körpers war für mich eine hocherotische Angelegenheit, vor allem, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass meine Bewegungen tatsächlich authentisch in 3D dargestellt werden können", so die 21-Jährige. Als sie das Ergebnis selbst ausprobiert, ist sie erstaunt. „Die virtuelle Tayler Pix ist ja beinahe schöner, als die echte", lacht sie.
„Macht auf Dauer keinen Spaß"
Auf die Nachfrage, ob beim reinen Cyber-Sex nicht doch die Berührung etwas fehle, erntet der Reporter nur einen mitleidigen Blick. Der 30 Jahre Ältere kommt halt noch aus der analogen Welt, mit berühren und schmusen. Gerade jetzt in den Zeiten von Corona werden sich auch die Sex-Gewohnheiten massiv ändern, klärt Tayler Pix auf. „Sehen Sie, was in den letzten sechs Monaten in den Bordellen oder Saunaclubs los war: nichts. Und das wird auch in den nächsten Monaten so bleiben", so die 21-Jährige.
Doch ist komplett berührungsloser Sex tatsächlich die Zukunft? Silvana Del Rosso glaubt das eher nicht. Sie kommt aus der Bewegung „Liebe Tanzen", und da geht es vor allem um Berührung und das Miteinander. „Sex ohne Berührung ist kein Sex, sondern nur schlichte Selbstbefriedigung, und das kann auf Dauer keinen Spaß machen", ist sich die 38-jährige Berlinerin mit italienischen Wurzeln sicher. Auch sie leidet als Organisatorin von „Liebe Tanzen" immer noch unter den Corona-Auflagen. „Denn was unsere Veranstaltung auszeichnet, ist die Begegnung, da geht es auch um erotische und sexuelle Erfahrung, vor allem aber um Begegnung, sich kennenlernen und neue Grenzen austesten. Das geht aber nur Miteinander." Del Rossos Zweifel werden durch Cybersex-Aspirant Marcel noch unterstrichen. Der 28-Jährige kommt aus dem Gamer-Bereich, ist also begeisterter Computerspieler und kennt die Finessen der 3D-Aplikationen per VR-Brille bestens. Doch Cybersex mit VR-Brille „kann ja nur eine schöne Animation sein, also so eine Art Warm-up, um dann die Fantasien mit seiner Freundin im Praktischen und mit Berührung umzusetzen."
Dabei bringt Marcel es auf einen einleuchtenden Punkt. „Cybersex ist, als spielst du gegen dich selber Schach, das macht auch nur bedingt Spaß. Denn ich kenne meine Züge schon im Vorfeld, und dann sind im weiteren Verlauf für mich wenig Überraschungen zu erwarten."