Reiseveranstalter erleben schon zum zweiten Mal in diesem Jahr, dass ihnen das Coronavirus das Geschäft zerschlägt. Die Urlaubsbranche fragt sich, wie und ob man trotz Pandemie Reisen anbieten kann.
Die Wellnesswoche im brandenburgischen Bad Saarow – abgesagt. Der Winterurlaub mit Skifahren und Rodeln im Allgäu – unsicher. Der Silvesterball – keine Chance. Die Branche leidet, Hotels und Gaststätten trifft es nach einer kleinen Erholungsphase über den Sommer heftig. Das als „Lockdown light" angekündigte Paket ist für die Tourismuswirtschaft alles andere als leicht zu verkraften.
Nach einem leichten Anstieg der Buchungen in den Sommerferien bricht das Urlaubs- und Geschäftsreiseaufkommen wie im Frühjahr dieses Jahres zusammen. Die Verluste häufen sich von Monat zu Monat, klagt der Deutsche Reiseverband (DRV). „Damit stehen Hunderttausende Arbeitsplätze bei den rund 2.300 Reiseveranstaltern und 11.000 Reisebüros in Deutschland auf dem Spiel." Der DRV rechnet für die Zeit von März bis zum Jahresende mit einem Umsatzeinbruch von über 28 Milliarden Euro allein bei Reiseveranstaltern und Reisebüros. Das entspreche einem Umsatzrückgang von rund 80 Prozent.
Alle waren auf die Situation eingestellt
Norbert Kunz, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes hat denn auch die Bundesregierung aufgefordert, mit der Auszahlung der angekündigten, außerordentlichen Wirtschaftshilfen unverzüglich zu beginnen. „Die Betriebe der Tourismusbranche, die von dem beschlossenen Lockdown im November betroffen sind, brauchen die Hilfen nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort." Zugesagt hatte die Bundesregierung nicht rückzahlbare Unterstützungsgelder in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes vom November des vergangenen Jahres. DRV-Präsident Norbert Fiebig plädiert außerdem für einen Unternehmerlohn für soloselbstständige Einzelunternehmer, der nicht von der Grundsicherung abgezogen wird. Und die Deckelung der Überbrückungshilfen auf 50.000 Euro pro Monat sei nicht ausreichend für die größeren der mittelständischen Unternehmen.
Ohnehin machen sich die Verbände Gedanken darüber, wie es nach den vier Wochen „Lockdown light" weitergehen soll. Da ist einmal der Zweifel daran, ob die beschlossenen Beschränkungen und Verbote die erhoffte Wirkung zeigen. Darüber müsse auch im Bundestag gestritten werden, regt Michael Rabe vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft an. „Gleichzeitig fordern wir die verantwortlichen Politiker auf, nun alles zu tun, um einen dritten Lockdown der Tourismuswirtschaft zu vermeiden. Dazu müssen endlich Lösungen erarbeitet werden, wie wir mit und trotz Corona dauerhaft ein Maximum an öffentlichem Leben und Freizeit garantieren können." Tatsächlich haben sich viele Gastronomiebetriebe und Hotels mit ihren Hygienemaßnahmen darauf eingestellt, Ansteckungen vorzubeugen oder ganz zu vermeiden, vom hausinternen Corona-Test bis hin zu klinisch reinen Hotelzimmern. Und es geht noch perfekter: Die FDP hat bereits ein Sofortprogramm zur Förderung der Um- und Aufrüstung von Hotels und Gaststätten mit Luftreinigungstechnik gefordert.
Markus Tressel, für die Grünen im Tourismusausschuss des Bundestags, spricht sich zusätzlich für ein ständiges Expertengremium aus Vertretern von Politik, Wissenschaft und der Branche aus, das die Tourismuswirtschaft durch die Krise begleitet und die Bundesregierung berät. Tourismusexpertise sei mehr denn je notwendig, um nicht überschießende Maßnahmen zu verhängen oder fortzuführen. „Einen Tourismusgipfel, wie ihn die AfD jetzt fordert, haben wir zu Beginn der Corona-Pandemie ebenfalls gefordert. Da hat uns die Realität aber längst überholt. Wir stehen mittlerweile an einem Punkt, an dem ein Gipfel bei der Kanzlerin die schwerwiegenden Probleme nicht mehr lösen kann." Seiner Ansicht nach muss mindestens Europa auch in der Krise „bereisbar" bleiben, das heißt jeder muss wissen, welche Sicherheits- und Quarantäneregeln wo gelten. Das Gleiche gilt für das Reisen in Deutschland, wo endlich einheitliche Regelungen gelten sollten. Und als dritten Punkt betont Tressel, dass es darum geht, die „Strukturen zu sichern". „Es kann nicht sein, dass wir Hotels und Restaurants dauerhaft stilllegen. Damit gefährden wir den gesamten Tourismusstandort Deutschland."
Jeder braucht Erholung
Die Krise wird im kommenden Jahr für die Reisebüros und Reiseveranstalter nicht vorbei sein. Der DRV fordert denn auch, die Überbrückungshilfen länger als bis Mitte 2021 fortzuschreiben. Im Grunde geht es um Lösungen, wie Menschen auch in Zeiten der Corona-Pandemie Urlaub machen und reisen können. Die Devise „Bleibt alle zu Hause" kann es auf Dauer ja nicht sein. Dafür sind Lösungen gefragt, und zwar nicht nur für die Vergnügungsreisenden, sondern vor allem auch für alle, die aus gesundheitlichen Gründen reisen müssen, weil sie eine Kur, Luftveränderung, eine Rehamaßnahme oder schlicht Erholung brauchen.