Die Deutsche Eishockey-Liga kommt noch in diesem Jahr zurück. Nach zwei verschobenen Start-Terminen soll es Mitte Dezember funktionieren. Doch die Probleme sind noch nicht vom Tisch.
Eishockey wird in Deutschland weitergehen. Auf diese Botschaft konnten sich 14 Clubs der Deutschen Eishockey-Liga kürzlich einigen, obwohl deren Ansichten und Ziele nur schwer unter einen Hut zu bringen waren. Das Ganze als großen Coup zu vermarkten, wurde genau dadurch verhindert. Bevor DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke mit der großen Info an die Öffentlichkeit gehen konnte, sickerte immer mal wieder scheibchenweise etwas von den unterschiedlichen Standorten durch. So bekamen die Fans stetig neue Meldungen vor die Nase gesetzt und konnten durchgängig erahnen, dass der zuvor zweimal abgesagte Saisonstart nun tatsächlich Mitte Dezember mit allen Teams nachgeholt wird. Es schien lange so, als würde die bei Besuchern beliebteste Sportart hinter König Fußball aufgrund der Corona-Pandemie still und heimlich von der größeren Bühne verschwinden, konnten es die Verantwortlichen der Vereine kaum noch abwarten und entdeckten in der Öffentlichkeit ein bisher unentdecktes Mitteilungsbedürfnis, wodurch die Chance verpasst wurde, mit einem gemeinsamen Statement den Re-Start anzukündigen. Anders als die Handball- und die Basketball-Bundesliga hatte sich die DEL lange nicht in der Lage gesehen zu starten – und den erhofften Auftakt schon zweimal verschoben. Immerhin scheint ein drohendes Fiasko von eineinhalb Jahren ohne DEL-Spiele abgewendet – nachdem immer mehr Wackelkandidaten bekannt gegeben hatten, dass sie dabei seien.
Hinter allen Beteiligten und auch den Fans warten nach den Monaten der Ungewissheit nun Wochen, in denen „viele Unabwägbarkeiten" auf sie zukommen werden, sagte Tripcke. Der Modus, in dem gespielt wird, ist gewöhnungsbedürftig, viele Alternativen gibt es aber nicht. „Gespielt in wird in zwei Gruppen, Nord und Süd, mit jeweils 28 Regionalspieltagen sowie 14 Spielen gegen die sieben Mannschaften der anderen Gruppe", teilte die DEL mit. Hauptgrund dafür sind die kürzeren Reisen, die Kosten erheblich senken. Die Hauptrunde reduziert sich damit von 56 Spielen auf 38. Anschließend spielen die acht besten Teams in einer Art Play-offs den Deutschen Meister aus. „Das war ein hartes Stück Arbeit für alle Beteiligten und wahres Teamwork", sagte Tripcke: „Noch vor wenigen Wochen sah es nicht danach aus, dass es alle Clubs schaffen. Unser Ziel war immer, dass wir möglichst mit 14 Clubs starten wollen. Das ist uns gelungen."
Bis dahin war es ein weiter Weg. Um dem eingeschlafenen Eishockeysport wieder neues Leben einzuhauchen, veranstaltete der Deutsche Eishockey-Bund den traditionsreichen Deutschland-Cup – und ließ ihn nicht wie eigentlich geplant der Corona-Pandemie zum Opfer fallen. Sportlich hatte das Turnier keinen Wert, vielmehr ging es darum, eine Perspektive für das Eishockey zu bieten. „Der größte Erfolg, den wir uns selbst setzen konnten, ist, allen in der Sportart das Signal zu geben, auch der Liga, dass es geht. Es funktioniert", sagte DEB-Präsident Franz Reindl erleichtert am Rande des Deutschland-Cups. Neben den großen Anstrengungen, die ein Turnier immer mit sich bringt, war es vor allem ein finanzieller Tanz auf der Rasierklinge: „Natürlich machen wir Minus, aber wir schaffen das. Wir müssen als Spitzenverband doch vorangehen", sagte Reindl.
300.000 Euro gingen dem keineswegs reichen Verband durch fehlende Zuschauereinnahmen durch die Lappen. Doch auch die Kosten für eine „pandemiekonforme" Betreuung der Teams, die in einer Blase gehalten wurden, und die 500 Corona-Tests, setzten dem Verband zu. Laut DEB waren alle negativ, und nur daran wollte Reindl den Erfolg des Turniers messen: „Ein erfolgreiches Turnier, wenn wir keinen Corona-Fall haben. Das wäre der größte Erfolg für alle." So kam es auch. Die Mission war für den 65-Jährigen nach der Finalniederlage der Deutschen gegen die Letten erfüllt. Der Ex-Nationalspieler hatte sich in den Kopf gesetzt, der gesamten Sportart, die während der Pandemie vor allem durch Vertreter der DEL durch Klagen und Jammern aufgefallen war, wieder eine Bühne, Hoffnung und eine Perspektive zu geben. „Ich muss ganz ehrlich sagen: Geld spielt jetzt keine Rolle. Jetzt geht es ums Überleben. Wir müssen uns präsentieren. Das haben wir jetzt gemacht." Der sportliche Ausgang des Turniers war nicht von großer Bedeutung, das zeigt auch, dass Toni Söderholm als Bundestrainer der Deutschen nicht teilnehmen konnte und es dem Ganzen keinen großen Abbruch tat – er hatte sich im Vorfeld mit dem Coronavirus infiziert. Den Spielern war das Format egal. „Das kann man nicht hoch genug einschätzen", sagte der langjährige NHL-Profi Korbinian Holzer. „Das ist ein Riesen-Riesen-Schritt in die richtige Richtung, um auch die DEL in Schwung zu bekommen", meinte Matthias Plachta.
„Im Fußball geht es auch"
Mit dieser gewonnenen Hoffnung begann dann auch die DEL ihr eigenes Test-Turnier im November. Bis Mitte Dezember finden seit Beginn täglich Eishockey-Partien statt. Da es sich dabei nicht um ein geschlossenes Turnier handelt, sind die Vorschriften strenger und schwieriger einzuhalten. „Für die DEL wird es natürlich noch mal schwieriger", räumte Reindl in weiser Voraussicht ein. Mannschaften für ein paar Tage in einer Blase zu belassen, ist etwas anderes, als eine gesamte Saison durchzuführen. „Aber das kann man auch in den Griff bekommen. Im Fußball geht es auch", sagte Optimist Reindl. Und es funktioniert bisher.
Der Testlauf läuft bisher erfolgreich und ohne große Nebengeräusche. Auch deshalb stimmten alle Teams für einen Start der Saison am 18. Dezember. Ein noch größerer Baustein ist aber, dass die beantragten finanziellen Hilfen aus dem 200-Millionen-Euro-Programm des Bundes für notleidende Sportarten bei den Clubs eintrudeln. Und trotz der Zusage aller Clubs stehen noch einige Fragezeichen über der neuen Saison. Die Anstrengungen für einen Liga-Spielbetrieb werden deutlich größer sein, als sie es beim Deutschland-Cup schon waren. Während des Vorbereitungsturniers müssen alle Spieler 36 Stunden vor einer Partie einen Corona-Test absolvieren.
Pro Tag sind bis zu drei Partien geplant, Zuschauer sind bei den Partien nicht vorgesehen. Dass während der Saison mit Zuschauern zu rechnen ist, ist eher unwahrscheinlich. Sämtliche Partien werden hinter einer Bezahlschranke auf einem Online-Kanal der Telekom ausgestrahlt. Orientiert haben sie die Verantwortlichen dabei an der NHL. Pausiert wird absehbar nur an Heiligabend, am ersten Weihnachtstag und Neujahr; von März an soll es in den Play-offs zur Meisterkür kommen – sofern die Corona-Krise keinen Strich durch die Rechnung macht, denn dann droht der abermalige Saisonabbruch. „Einen Plan B gibt es nicht", räumte Tripcke ein.
Bei der ganzen Lobhudelei auf die Verantwortlichen, die dann doch die Kurve bekommen haben und einen Plan ausgearbeitet haben, kommt die wohl wichtigste Partei zu kurz: die Spieler. Denn die haben mit ihrem erneuten Gehaltsverzicht diesen Neustart überhaupt möglich gemacht. „Wir wissen natürlich auch, was die Clubs, die Besitzer, wir Spieler, aber auch die Fans opfern mussten", betont Frank Hördler, Kapitän der Eisbären. Leicht war dieser Prozess keinesfalls. „Die vergangenen Wochen und Monate waren nicht einfach, auch nicht für uns Eisbären. Wir haben alle tief in unsere Taschen gegriffen", berichtet Berlins Geschäftsführer Peter-John Lee.
Als Favorit gilt der EHC Red Bull München. „München hat heuer wieder die beste Mannschaft", sagte Berlins Stürmer Leo Pföderl. „Da müssen wir nicht drüber reden." Doch der sportliche Wert dieser neuen Saison steht sowieso hinten an. Vielmehr geht es darum, dass Eishockey den Boom, den es vor mehr als 1.000 Tagen durch die Silber-Medaille der Deutschen in Pyeongchang erfahren hat, weiter am Leben erhält. Während König Fußball sowieso, aber auch Basketball und Handball längst wieder den Spielbetrieb aufgenommen haben, dauerte es auf dem Eis ein wenig länger. Umso glücklicher sind alle nun mit diesem Ergebnis.