Puremetics entwickelt vegane Naturkosmetik-Produkte, die frei von bedenklichen Inhaltsstoffen sind. Chris Cosma, COO und Mitgründer der Puremetics GmbH, informiert im Interview rund um Naturkosmetik, Zero Waste und Nachhaltigkeit.
Herr Cosma, wie entstand die Idee, eine eigene Naturkosmetik-Marke umzusetzen?
Irgendwann wollte ich aus der Drogerie eigentlich gar nichts mehr kaufen, da ich verstanden habe, was in diesen Artikeln enthalten ist. Ich bin auch schon seit meiner Jugend vegan und habe mich früh für den Umweltschutz interessiert. Vor einigen Jahren wurde mir dann auch bewusst, welche Probleme Plastikverpackungen mit sich bringen und ich habe gemerkt, dass es hier kaum Alternativen gibt, die alles verbinden, was mir persönlich wichtig ist.
Im PR-Studium habe ich damals gelernt, wie man Kommunikationskonzepte entwickelt. Ich habe also dasselbe für die Idee von Puremetics unternommen und meinem damaligen Chef vorgestellt. Er war begeistert und hat mir Zeit sowie finanzielle Ressourcen bereitgestellt. Heute sind wir Geschäftspartner.
Sind natürliche Inhaltsstoffe tatsächlich immer die bessere Wahl?
Ich würde nicht kategorisch behaupten, dass Naturkosmetik immer die bessere Wahl ist. Natürlich denken das viele, was sicherlich auch an den Marketing-Abteilungen der großen Hersteller liegt. Man muss einfach das große Ganze betrachten.
Prinzipiell kann man sagen, dass es in der kosmetischen Industrialisierung damals zu einer Überflut an bedenklichen chemischen Inhaltsstoffen gekommen ist, die nachweislich für Mensch und Umwelt schädlich sind. Hierbei ging es höchstwahrscheinlich um Effizienz und Margen, sodass alle negativen Aspekte systematisch verdrängt wurden oder aber auch einfach noch nicht bekannt waren. Heute wissen wir aufgrund wissenschaftlicher Arbeiten natürlich viel mehr. Ein synthetisch hergestellter Inhaltsstoff kann auch unbedenklich sein, während manche natürlichen Inhaltsstoffe das nicht sind.
Was ich auch immer gern betrachte, sind die Ökobilanzen. Palmöl ist ein natürlicher Inhaltsstoff und hat gute pflegende Eigenschaften. Allerdings wird das mit der Rodung von Wäldern auf dem Rücken der Umwelt und Tierwelt ausgetragen, weshalb ich Palmöl aus Überzeugung nicht nutzen würde.
Ich würde mich als Konsument also nicht auf das Siegel „Naturkosmetik" verlassen, sondern mich genau mit den Marken und Produkten auseinandersetzen, die ich kaufen oder denen ich mein Vertrauen schenken möchte. Daher setzen wir bei uns vor allem auf viel Aufklärungsarbeit und präsentieren Daten und Fakten rund um das Thema Beauty recht neutral und nicht reißerisch. Auf diesem Weg kann sich jeder sein eigenes Bild machen und sicherstellen, dass die Marke oder das Produkt den eigenen Bedürfnissen und Werten entspricht.
Wie viel Natur steckt wirklich in Ihren Artikeln? Produkte mit 100 Prozent natürlichen Inhaltsstoffen sind ja eher selten …
Aus diesem Grund führen wir auch ein Teilsortiment. Circa 50 Prozent unseres aktuellen Sortiments bestehen aus rein natürlichen Inhaltstoffen. Alle unsere Produkte sind aber in jedem Fall vegan, ohne Tierversuche, plastikfrei und enthalten keine bedenklichen Inhaltsstoffe – weder für Mensch noch für Umwelt.
Ich versuche auch immer rein natürliche Alternativen bei Produktfamilien anzubieten, welche sonst nicht rein natürlich wären. Etwa bei unseren Trockenshampoos: Hier ist der einzige synthetische Inhaltsstoff das Parfüm. Wir alle wissen, wenn der Ansatz so fettig ist, dass wir ein Trockenshampoo benötigen, dann riechen die Haare auch nicht sonderlich elegant. Parfümöle bieten hier ganz einfach aufregendere und vielfältigere olfaktorische Erlebnisse. Ich kann diese Artikel jedoch auch mit ätherischen Ölen beduften und das machen wir auch. Wir kennzeichnen das auf jedem Artikel vorn an der Etikette und so kann jeder selbst entscheiden, ob er gern 100 Prozent Natur möchte und lieber nach Orange duftet oder ob 98 Prozent Natur auch reichen und er dafür eine aufregendere Duftkomposition erhält.
Bei anderen Produkten, wie unseren Gesichtsmasken, verzichte ich komplett auf Duftstoffe, da sie für mich hier ganz einfach unnötig sind. Wir haben immer ein besonderes Augenmerk darauf, unsere Rezepturen so „pure" wie möglich zu halten und auf Firlefanz zu verzichten. Daher kommt auch der Name „puremetics".
Sie werben mit Zero-Waste-Packaging. Welche Materialien verwenden Sie zur Verpackung?
Wir nutzen überwiegend Papierverpackungen. Unsere Rezepturen entwickeln wir so, dass diese in einer Verpackung aus Papier bestehen können. Wir haben auch mit Herstellern an Lösungen gearbeitet, die teilweise feucht-fettige Produkte erlauben. Hier wird eine Papiermembran so dicht gewälzt, dass sie quasi fettdicht wird. Aber auch diese Verpackungen haben natürlich ihre Grenzen, ein herkömmliches Shampoo könnte ich in so einem Becher leider nicht anbieten.
Daher haben wir zum Beispiel daran gearbeitet, das Shampoo als Pulver herzustellen, welches man zu Hause selbst mit Wasser anrührt. Das funktioniert wunderbar, ist schön cremig und vier Wochen lang haltbar. An der Art und Weise der Anwendung und Wirkung gibt es also keine Abstriche. Wir können aber eine einfache Tüte aus lebensmittelechtem Kraftpapier hierfür als Verpackung nutzen.
Wie kann man sonst noch Müll im Badezimmer vermeiden? Haben Sie ein paar Tipps für uns?
Vor allem bitte immer mit Freude und Spaß. So eine Umstellung geht nicht von heute auf morgen. Viel wichtiger ist es, langfristig etwas zu ändern anstatt alles umzustellen, um nach vier Wochen doch wieder zu den ollen Plastiksachen zurückzukehren. Und das geht eben nur mit Freude.
Vermeiden kann man vieles ganz einfach schon durch „weglassen". Vielleicht keine besonders verkaufsfördernde Aussage, aber die Wahrheit. Sie werden sich wundern, wie viele Produkte Sie eigentlich gar nicht benötigen. Die Haut ist ein wahres Wunderwerk und kommt in der Regel mit weniger Pflege besser zurecht. Eine milde Gesichtsreinigung und Feuchtigkeitspflege reicht da schon aus.
Kombiprodukte sind auch ein super Weg, um Müll zu vermeiden. Sparsam mit Produkten umzugehen bringt auch enorm viel. Eine Gesichtsmaske muss nicht unbedingt täglich genutzt und auch nicht zwei Zentimeter dick aufgetragen werden. Große Einheiten kaufen macht auf jeden Fall auch Sinn. Statt einer Einmalmaske lieber ein Produkt wählen, dass mehrere Anwendungen bietet. Auf Wiederverwendbarkeit achten! Mittlerweile gibt es viele Alternativen, wie Kosmetikpads aus Baumwolle, die Wegwerfprodukte ersetzen.
Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man Produkte als „Naturkosmetik" bezeichnen kann?
Da sind sich die Länder und die EU auch noch nicht so richtig einig. Daher gibt es keine gesetzliche Definition, was Naturkosmetik eigentlich darstellt. Schade eigentlich. Aus diesem Grund existieren zahlreiche Zertifizierungsinstanzen, die diese Definition selbst vorgenommen haben und unter ihrem Siegel schützen. Welche Kriterien dabei erfüllt werden müssen ist zwischen den Instanzen ganz unterschiedlich, kann aber jederzeit nachgelesen werden.
Diese Siegel sind für die Verbraucher sicherlich ein hilfreiches Mittel in der Orientierung der Kaufentscheidung. Meinem Empfinden nach sind das für Unternehmen sehr kostspielige und aufwendige Prozesse, die immer wiederholt werden müssen. Anhand der Inhaltsstoffe erkennen Kunden aber recht gut, welche Artikel natürlich sind und welche nicht, wenn die Transparenz in der Kommunikation stimmt.
Ist es schwierig, von herkömmlichen Produkten auf Naturkosmetik umzustellen? Wenn ja: Welche Probleme kann es geben?
Auf chemische Kosmetika mit Silikonen, Paraffinen und Parabenen zu verzichten lohnt sich ungemein. Doch die Strapazen, denen der Körper jahrelang ausgesetzt war, sind leider nicht von heute auf morgen repariert. Die Umstellung auf grüne Kosmetik kann zunächst gewöhnungsbedürftig sein und teilweise kann der Körper vorerst etwas verwirrt darauf reagieren.
In konventioneller chemischer Kosmetik sind viele Stoffe enthalten, die einen vermeintlich tollen Soforteffekt hervorrufen, auf lange Sicht aber sehr schlecht für dich und die Umwelt sind. Inhaltsstoffe wie synthetische Silikone und Paraffine aus Erdöl sind für die Industrie sehr billig und können daher mit einer großen Marge verkauft werden. Solche Stoffe tapezieren die Haut und man hat das Gefühl, dass sie geschmeidig und gepflegt ist. In Wirklichkeit kann sich unter dieser Schicht Schweiß stauen, die Hornschicht quillt auf und wird trocken und spröde. Als Konsequenz braucht man mehr dieser Produkte, um diesen negativen Folgen vermeintlich entgegenzuwirken. Man gelangt in eine Teufelsspirale, die nur noch die Symptome behandelt – am Ende sind Haut und Haar aber nie ernsthaft gepflegt worden.
Ein Zellerneuerungszyklus der Haut dauert ungefähr sechs Wochen, bei der Kopfhaut sogar länger. Haar ist leider totes Material und erneuert sich nicht mehr selbst. Man kann also grob sagen, dass sich der Körper nach zwei Monaten von den Strapazen erholt, regeneriert hat und die gute neue Pflege aufnehmen kann.
Wie ist die Haltbarkeit von Naturkosmetik, und wie kann man diese Produkte konservieren?
Generell sind trockene Produkte nicht so anfällig für Bakterien, Keime, Pilze und Hefen wie feuchte oder flüssige Produkte. Auch ein Grund, weshalb wir überwiegend Trockenprodukte herstellen. Hier reichen dann ganz geringe Mengen von 0,02 Prozent der Gesamtmenge für die Konservierung. Wir nutzen beispielsweise Natriumsorbat. Es gibt dazu noch unterschiedliche Mittel, die ebenfalls konservierend wirken wie bestimmte ätherische Öle oder Zitronensäure, welche auch den pH-Wert reguliert. Ich versuche in der Regel, auf Konservierung zu verzichten oder sie ganz gering zu halten.
Generell kann man sagen, dass Artikel mit geringerer Haltbarkeit dahingehend besser sind, weil sie weniger oder keine Konservierung enthalten. Ganz vorsichtig wäre ich bei Stoffen wie Phenoxyethanol oder Methylparaben. Diese konservieren super, weshalb sie flächendeckend gern eingesetzt werden. Allerdings sind diese Stoffe nachweislich sehr bedenklich für die Gesundheit und Umwelt.
Welches sind Ihre persönlichen Lieblings-Pflegeprodukte abseits von Ihrer eigenen Marke?
Früher habe ich gern das Kiefernshampoo von Überwood benutzt. Das Verpackungskonzept und die Wirkung haben mich überzeugt. Eigentlich war ich aber in den Duft schwer verliebt, welchen sie mit der Umstellung auf 100 Prozent Naturkosmetik geändert haben.
Ich liebe übrigens den Duft von Sonnencreme und Nivea. Auch wenn ich diese Produkte aufgrund der Inhaltsstoffe nicht nutze, huscht immer ein olfaktorisches Lächeln über mein Gesicht, wenn ich das rieche.
Ich bin ein großer Fan von Smooth-Panda: Sie stellen Haushalts- und Hygienepapier plastikfrei her und nutzen Bambus statt Bäume.
Ohne meinen MAC Mineralize Skinfinish Powder mag ich auch nicht mehr. Es ist das einzige Produkt, dass mich wie eine junge Blüte im Morgentau aussehen lässt, ohne geschminkt zu wirken. Außerdem gefällt mir das Back to MAC-Konzept, sodass die Puderdöschen so wie unsere Lipbalms wiederverwendet werden.
Lebt das Puremetics-Team privat auch nachhaltig?
Ja, absolut. Wir bezeichnen uns selbst gern scherzhaft als „Öko-Latschen". Die Unternehmensphilosophie leben alle auch privat. Oder andersherum: Bei uns bewerben sich überwiegend Menschen mit denselben Werten wie unsere.
Sie haben auf Ihrer Website einen Nachhaltigkeits-Blog zu unterschiedlichen Themen …
Hierbei gehen wir vor allem auf Qualität statt Quantität. Ich schreibe solche Blogs in der Regel nicht selbst, sondern stehe unserem Content-Team inhaltlich zur Seite. Für alle Bereiche, die unsere Expertise übersteigen, führen wir Interviews mit Experten.
Auch wir lernen immer etwas Neues dazu und entdecken diese Themen beim Schreiben. Die meisten Beiträge entstehen tatsächlich aus Fragen, die bei uns aufkommen und die wir selbst nicht beantworten können. Das wird dann sofort notiert und an die Ideen-Wand gehängt. Mittlerweile haben wir ein sehr gutes Netzwerk in allen Bereichen, sodass wir bei Expertise-Fragen nicht lange suchen müssen.
Wir fragen aber auch unsere Community oft nach Ideen, Tipps und Meinungen. Besonders Social Media empfinden wir als Dialog, was klar sein sollte, aber nicht immer selbstverständlich für Unternehmen ist. Hier kommen viele kreative Ideen zusammen, welche wir wiederum einem größerem Publikum präsentieren können.
Es hilft aber natürlich auch ungemein, dass unser Team selbst an all diesen Themen interessiert ist.