Wohin mit den gut erhaltenen Sachen, die einem zu klein geworden sind oder die einfach Fehlkäufe waren? Gerade in Corona-Zeiten kann es lohnen, sich ein Profil auf Mode-Verkaufsplattformen zuzulegen.
Wenn sich der Kleiderschrank nur mit Mühe schließen lässt – dann ist das der perfekte Moment zum Sichten all dessen, was da dicht an dicht hängt oder sich übereinanderstapelt. Meist wird schnell klar, dass es einiges gibt, was mal als vermeintliches Schnäppchen oder Reisemitbringsel erstanden wurde und nun sein Dasein in einer der hinteren Schrankecken fristet. Was also wäre besser als diesen verkannten „Schätzchen" ein neues Zuhause zu verschaffen? Leichter gesagt als getan.
Denn für den Kleidercontainer sind der etwas eng gewordene Blazer und die High-Heels-Stiefeletten zu schade. Zudem haben viele Hilfsorganisationen ihre Sammelcontainer abgebaut, hatten sie doch gerade im Lockdown mit einer wahren Flut an teilweise wirklich nicht mehr brauchbaren Alttextilien zu kämpfen. Und müssen jetzt – auch weil wegen Corona viele Ehrenamtliche aus der Risikogruppe nur bedingt eingesetzt werden können – ihre Lagerbestände erst einmal abbauen. Der Secondhand-Designerladen gleich um die Ecke kommt ein wenig „snobby" daher – verschreckt mit Öffnungszeiten, die für Berufstätige nicht kompatibel sind. Außerdem wird zuallererst ein Termin zur Sichtung der Kleidung angeboten – Mitte Dezember. Schade, so kommen wir nicht ins Geschäft.
Meine Erfahrungen mit Flohmärkten sind nicht die allerbesten. Also versuche ich mein Glück bei den Online-Verkaufsplattformen – lege zunächst ein Profil bei „Mädchenflohmarkt" an. Der preist sich selbst als „Marktplatz für hochwertige Secondhand-Designermode" an – seit 2012 tummeln sich hier nach Unternehmensangaben etwa eine halbe Million kauf- und verkaufswillige Fashionistas. Das Prozedere für den Verkauf ist übersichtlich: erst mal ein Profil anlegen, dann kann man beginnen, „Produkte einzustellen".
Jetzt wird es aufregend – Fotos der zum Verkauf angebotenen Artikel sollen hochgeladen werden. Wie also den Blazer, die Booties ins rechte Licht rücken? Mit wenigen Handgriffen wandelt sich das Wohnzimmer in ein improvisiertes Fotostudio – mit unterschiedlichen Lichtquellen und Hintergründen. Es dauert nicht lange, da umfasst mein „virtueller Kleiderschrank" zehn Positionen – allesamt Artikel, die man jetzt in der kühlen Jahreszeit gut gebrauchen kann: vom Daunenparka bis zum Wollrock.
Online-Verkauf ist nicht immer einfach
Ich will es wissen – und schaue gleich mal bei der Konkurrenz vorbei – beim „Kleiderkreisel", der seit wenigen Wochen „Vinted" heißt, dessen Idee auf einen Umzug im Jahr 2008 zurückgeht. Die Litauerin Milda Mitkuté wollte umziehen, ein Freund half ihr mit einer Webseite, überflüssige Kleidung zu verkaufen. Heute umfasst das Team rund 500 Mitarbeiter, die von drei Büros aus zwölf Märkte bearbeiten. Und es auch als ihr Ziel ansehen, Menschen in verschiedenen Ländern miteinander zu vernetzen und die Textilflut insgesamt etwas dadurch zu reduzieren, dass Kleidung länger getragen und nicht einfach entsorgt wird. Auch bei „Vinted" gilt es zunächst, ein Profil anzulegen, bevor man mit dem Verkauf starten kann. Schnell sind Fotos hochgeladen, Beschreibungen der Artikel eingestellt – los geht’s !
Bald trudeln auf „Mädchenflohmarkt" die ersten „Likes" ein – beziehungsweise „Augen", daran kann man erkennen, wie viele Nutzerinnen der Plattform sich den jeweiligen Artikel angesehen haben. Ein „Herz" für „gemerkt" ist da schon deutlich die „höhere Weihe" und wird – so die Erfahrung – schon zögerlicher vergeben. Ähnlich läuft’s bei „Vinted" – auf beiden Plattformen erhält man normalerweise eine Benachrichtigung, wenn sich jemand einen Artikel „gemerkt" hat. Dann kann man zu der entsprechenden Person Kontakt aufnehmen, ein „Verkaufsgespräch" starten. Was nicht immer ganz leicht ist, manche Kontaktaufnahme (auch im „echten Leben" bietet eine Verkäuferin den Kunden ja ihre Hilfe an) wird schlichtweg ignoriert. Mitunter gibt es auch kuriose Anfragen. Preisvorschläge, die man eigentlich nicht ernst nehmen kann. Oder seltsame Tauschangebote. Sorry, aber die ursprünglich recht teuren Lederstiefel möchte ich nicht gegen Stilettos unklarer Herkunft tauschen. Zumal das irgendwie nach halbprofessionellem Weiterverkauf schmeckt.
Doch in der Mehrheit ist der Umgang freundlich und unkompliziert – es dauert nicht lange, da finden eine Bluse und ein Paar Stiefeletten neue Besitzerinnen – die Abwicklung läuft problemlos. Päckchen verschicken, den Sendungsverlauf verfolgen, nach Empfang hat die Käuferin drei Tage Zeit, mögliche Probleme zu melden, danach wird das Geld auf das Konto der Verkäuferin überwiesen. Bei „Mädchenflohmarkt" abzüglich zehn Prozent Provision. Wer sich angesichts der ersten Verkäufe im Aufwärtstrend sieht, investiert vielleicht bei „Vinted" in einen sogenannten Push für 1,15 Euro. Damit wird der Artikel wieder ganz „oben" in der jeweiligen Kategorie platziert. Mal schauen, was das bringt. Drei Tage später ist der betreffende Artikel allerdings trotz Hunderter „Sichtungen" immer noch nicht verkauft – vielleicht ist es da wirklich sinnvoller, in aussagekräftige Fotos des Artikels zu investieren.
Plattform mit Rundum-Service
Aber es gibt ja noch weitere Möglichkeiten – „Mädchenflohmarkt" bietet beispielsweise auch einen „Concierge Service", der denkbar einfach funktioniert. Man muss lediglich einen kostenlosen Versandschein anfordern, das Paket packen und losschicken, den Rest erledigt das Team in Stuttgart. Von der Sichtung über die professionelle Fotografie bis hin zur Festlegung des Verkaufspreises. Ein Rundum-Service, der seinen Preis hat – satte 40 Prozent des Erlöses gehen an „Mädchenflohmarkt". Aber gut, testen kann man das Ganze ja mal – am besten mit einer edlen Wolljacke und einem Paar Stiefel. Leider gibt es momentan offenbar einen ordentlichen Warenrückstau – sage und schreibe drei Wochen dauert es, bis die eingeschickten Artikel vom Concierge Service in Stuttgart bearbeitet werden. Und als so professionell empfinde ich die dann letztlich angefertigten Fotos und die Produktbeschreibung doch nicht – es fehlt letztlich der „persönliche Touch", der möglicherweise auch zu einer Kaufentscheidung führen kann. Egal, ich werde mich überraschen lassen, ob sich das Ganze gelohnt hat. In der Zwischenzeit übe ich mich in Geduld, denn schnell ist klar geworden: Tummelt man sich auf besagten Flohmarkt-Plattformen zum Verkaufen, dann braucht man einen langen Atem und viel Humor. Mitunter könne ein Artikel bis zu einem Jahr unverkauft im Netz stehen, erzählt eine Kollegin. Und empfiehlt für solche Fälle „Momox". Den größten Re-Commerce-Anbieter Deutschlands, der Bücher, Games, Filme, DVDs und Kleidung sofort zum Festpreis ankauft. Nicht Verkauftes recycelt oder – dann gegen Gebühr – zurückschickt. Die von einem Algorithmus erstellten Ankaufspreise sind allerdings ernüchternd –für Jeans einer mittelteuren Marke gibt’s noch etwa fünf Euro, für ein Paar Lederstiefel wären es neun.
Und dann wäre da noch Ebay – etwas zögerlich habe ich auch hier einige der Artikel eingestellt, die ich auch auf den anderen Plattformen anbiete. Und während dort immer mal wieder etwas gekauft oder zumindest angefragt wird, laufen hier lediglich Angebote im Postfach auf, die ich besser ignoriere. Fazit nach sechs Wochen Onlineverkauf: Für knapp ein Dutzend Kleidungsstücke habe ich eine neue Heimat in Kleiderschränken zwischen Freiburg und Schleswig gefunden, ein bisschen Geld eingenommen – und dabei – meistens – viel Spaß gehabt.