Die Hosen haben sich stets als politische Band verstanden. Von daher ist es kaum verwunderlich, dass ihr Frontmann einer jener Stars der hiesigen Musik-Szene ist, der immer wieder deutlich Stellung zu Themen wie Fremdenhass, Antisemitismus oder der Klimaproblematik bezogen hat.
Als die 1982 gegründete und der linksalternativen Szene entsprungene Band Die Toten Hosen ihre ersten Schritte auf der Bühne im Vorprogramm der kölschen Kultband BAP absolviert hatte, waren mit Campino und Wolfgang Niedecken zwei der exponiertesten politischen Sprachrohre der hiesigen Musik-Szene erstmals aufeinander getroffen. Dabei ist den beiden gemein, dass sie sich nicht darauf beschränken, mit den Texten ihrer Songs gelegentlich klar Stellung zu gesellschaftlichen Reizthemen wie Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit, Homophobie oder Antisemitismus zu beziehen, sondern auch abseits des eigentlichen Business klare Kante gegen alles zu zeigen, was von der rechten Ecke an Unerquicklichem lanciert wird. Sich in Interviews, bei Unterstützungsaktionen oder auch bei Hilfs- beziehungsweise Solidaritäts-Konzerten öffentlich so deutlich wie Campino zu positionieren, ist in der hiesigen Musiklandschaft nicht selbstverständlich. Die meisten Stars, vor allem die Jüngeren, werden allein schon vom Druck ihres Managements davon abgehalten, sich politisch zu äußern, weil dadurch ein Teil der eigenen Klientel vor den Kopf gestoßen werden könnte. Dabei gab es früher mal hierzulande mit Hannes Wader, Rio Reiser oder Konstantin Wecker echte politische Songschreiber, von Wolf Biermann gar nicht zu reden, aber sie wurden allesamt unter dem Etikett „Liedermacher" regelrecht ausgegrenzt. Selbst Campino erwähnt sie nicht als etwaige Vorbilder, sondern führt in diesem Zusammenhang stattdessen The Clash wegen deren Anti-Rassismus-Engagement und Bob Geldorf, den Hauptiniator des Projekts „Band Aid" zugunsten der hungernden Bevölkerung Afrikas, an.
Berüchtigte Brandrede beim Echo 2018
Campino ist in der Bundesrepublik inzwischen zu einer solch herausragenden politischen Instanz geworden, dass ihn selbst die „FAZ" anlässlich seiner Brandrede gegen umstrittene Rapper und deren, so Campino wörtlich, „frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme, antisemtische Beleidigungen" bei der Echo-Verleihung 2018 ausdrücklich gelobt hatte. Und er und seine Punkrocker-Band wurden in den vergangenen Jahren mit Auszeichnungen für ihr politisches Engagement, das sich beispielsweise in der Teilnahme der Hosen beim Musikfestival für Demokratie und Toleranz im westmecklenburgischen Jermal 2015 oder beim Chemnitzer Open-Air-Konzert gegen Rechtsradikalismus und Fremdenhass 2018 gezeigt hatte, regelrecht überschüttet: 2014 Joseph-Neuberger-Medaille von der jüdischen Gemeinde Düsseldorf für den Hosen-Einsatz gegen Ausgrenzung und Rassismus, 2019 Julius-Hirsch-Ehrenpreis des DFB für das Hosen-Lebensengagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung oder 2020 Lupo-Leo Award für Campino als „Persönlichkeit des Jahres" in Anerkennung seines 40-jährigen Eintretens gegen Fremdenfeindlichkeit, rechte Gewalt und Armut. Die Campino häufig unterstellte und allein aus seinem Lob für die Flüchtlingsbehandlung im Jahr 2015 abgeleitete Bewunderung für Angela Merkel hat der Musiker selbst als Mär zurückgewiesen und sich in einem Interview mit der „Rheinischen Post" als treuer Wähler der Grünen geoutet. Was auch erklären mag, dass er sich jüngst begeistert zu Greta Thunberg und der „Friday for Future"-Bewegung geäußert hat. Den TV-Satiriker Jan Böhmermann hat er zu seinem persönlichen Intimfeind auserkoren, seit dieser sich Ende 2014 mit seinem, so Campino, „zynischen Pipihumor", über das Hosen-Engagement zugunsten des „Band-Aid"-Projekts öffentlich lustig gemacht hatte.