Für ordentlich Furore soll das Debüt sorgen. Die Musikwelt aufmischen möchte die Band Gramophoniacs mit „Underground Swingtapes". Herrlich verrucht klingender Swing ist darauf zu hören, der Bilder im Kopf erzeugt.
Im Takt nickende Köpfe unter breitkrempigen Fedoras oder dunklen Schiebermützen sieht man da. Überfüllte Salons mit tanzenden Frauen, die über ihre 20 Zentimeter langen Zigarettenspitzen Rauch inhalieren. Kurz: Die Goldenen Zwanziger sind wieder da. So liest es sich auch in der Pressemitteilung des jungen Quintetts, das je nach Konzertgröße auch bis hin zur großen Galabesetzung umformiert werden kann. Doch wer sind die Gramophoniacs eigentlich? Der ganz harte Kern besteht aus Gitarrist und Sänger Paul Baureis, Bassist und Sänger Joshua Fuchs und Trombonist Jonas Jung, die auch beim FORUM-Gespräch anwesend sind. Hinzu kommen Saxofonist Leo Baureis und Schlagzeuger Micha Jesske.
Die Aufnahme erfolgte zu Hause
Die adrett gekleideten jungen Herren kennen sich teils schon viele Jahre, wie im Fall von Joshua und Paul etwa durch das gemeinsame Musizieren in der Landesschüler-Big-Band des Saarlandes. Die Veröffentlichung einer CD stand auch bereits länger im Raum, doch Anfang des Jahres hatte man Glück im Unglück: Corona kam. „Da haben wir den Moment abgepasst", erklärt Paul Baureis. „Es war schon lange ein Herzenswunsch", pflichtet Joshua Fuchs bei. Und Jonas Jung erklärt: „Wir wollten dem allen nicht so hilflos gegenüberstehen." Und so entschloss man sich dazu, gemeinsam durch die Krise zu tanzen. Nachdem klar war, dass die Tanzsäle bis auf Weiteres geschlossen bleiben, beschlossen die Musiker ganz einfach, zu Hause aufzunehmen. Dazu legte man dem zuständigen Gesundheitsamt ein Hygienekonzept vor, das angenommen wurde und legte im Homerecording im Arbeitszimmer von Joshua Fuchs los. Dabei war der Band wichtig, im Wesentlichen so aufzuzeichnen wie eben vor rund 100 Jahren. Sie platzierten ein Mikrofon in der Mitte des Raumes. Um dieses stellten sich die Musiker im Kreis auf, je nach Klangwunsch oder abgestimmt auf die Power des Instruments, das Schlagzeug also etwas weiter hinten.
Bei regulären Einspielungen werden die Instrumente und der Gesang nacheinander aufgenommen und am Ende gemeinsam abgemischt. Die Finesse des Quasi-Livespiels hört man „Underground Swingtapes" an. Mal klingen die Aufnahmen glamourös, mal nach staubiger Straße – aber immer organisch und vor allem lebendig. Dabei ging man nicht über ein großes Mischpult, sondern spielte quasi direkt in den Rechner ein. Ein Tontechniker begleitete die Sessions dabei vom ersten Ton bis zur letztlichen Mischung.
Hier machte es sich auch bezahlt, dass die Profimusiker ein eingespieltes Team sind. Denn die 20 Stücke, die eine Gesamtlaufzeit von rund 73 Minuten ergeben, wurden in nur etwa 14 Stunden aufgenommen. „Wir hatten ja coronabedingt alle Zeit", sagt Jonas Jung doppeldeutig. Mit „Underground Swingtapes" erhält man nicht nur eine kurzweilige Sammlung von Klassikern und nicht ganz so bekannten Stücken, sondern auch einen guten Überblick über das Live-Schaffen der Gramophoniacs.
Das reicht vom Opener „Everybody Wants to Be a Cat" aus Disneys „Aristocats" über den jüdischen Klassiker „Bei Mir Bist Du Scheen" bis hin zum durch Bing Crosby bekannten „The Headless Horseman". Etwas abseits bekannter Pfade wandeln sie mit „Blow Big Jay", „Five Spot After Dark" oder auch „Whoa Babe". Auch Unerwartetes wie „Cantina Band" ist zu finden. Das Stück dürfte jedem geläufig sein, der schon mal „Krieg der Sterne" oder auch Episode IV der „Star Wars"-Saga geschaut und die Helden bei ihrer Ankunft auf Mos Eisley begleitet hat.
„SWing steht für Leichtigkeit"
Die Mitglieder der Gramophoniacs sind Profimusiker, leben also von den Einkünften, die sie unter anderem durch ihre Konzerte einnehmen. Im Regelfall sind sie sehr gut ausgebucht, spielen auf Festivals oder Hochzeiten oder geben Einzelkonzerte, die sie bis nach Regensburg oder Nürnberg bringen. Dass sie wegen Corona und den damit einhergehenden Verboten von großen Veranstaltungen und Zusammenkünften nun voraussichtlich rund ein Jahr lang kein Einkommen dadurch erzielen werden, lässt sie jedoch nicht den Kopf in den Sand stecken. „Wir müssen ja in der Zwangspause nicht nichts machen", erklärt Paul Baureis. Vielmehr versuchen sie auch hier kreativ zu werden und bieten auf ihrer Homepage auch Merchandise-Artikel an. So kann man ein Shirt mit Bandlogo oder auch das schicke Artwork erstehen – neben der CD natürlich. Sogar einen Gramophoniacs-Zeppelin kann man herunterladen – der ist allerdings kostenlos und zum Ausdruck gedacht. Das ist alles selbst gestaltet, zum größten Teil von Paul Baureis, dessen Kater Miles als Vorbild für das pfeiferauchende Band-Maskottchen diente. Das Tier erlebte den CD-Release aber leider nicht mehr. Die Gramophoniacs widmeten dem kleinen Kerl kurzerhand den Track „It Could Have Been (Very Very Beautiful)". Es ist diese „unfassbare Summe an Feinheiten", wie es Jonas Jung ausdrückt, die sowohl die CD als auch das Gesamtkunstwerk auszeichnet. So wurde die Musik auch mit dem original Instrumentarium aufgezeichnet, was eigentlich ein „Anachronismus" sei, wie Joshua Fuchs sagt. Um das Alte mit dem Neuen zu verbinden, wurde beispielsweise auch eine Gitarre nachgebaut. Da musste man erst mal lernen, mit dem etwas größeren Instrument zurechtzukommen. Die Mischung kommt aber an. „Wir sind eine junge Band, die auch jüngeres Publikum anzieht", so Joshua Fuchs. Wegen seiner sich bereits früh abzeichnenden musikalischen Fähigkeiten, die er unter anderem an Klarinette, Trompete, Akkordeon, Hammondorgel und eben am Bass unter Beweis stellte, wurde er auch schon mal „Mozart" genannt. Paul Baureis stammt aus St. Wendel, hat Jura studiert und ist „für die wasserdichtesten Musikerverträge" zuständig, wie Jonas Jung mit einem Augenzwinkern erklärt. Letzterer war lange Zeit Wahl-Saarländer, als es ihn wegen seines Studiums nach Saarbrücken zog. Heute lebt er in Mannheim. Der Mann aus der Pfalz hat sich sogar ein Gramophoniacs-Tattoo stechen lassen. Ihr Swing wäre gerade derzeit zur rechten Zeit am rechten Platz, da der Musikstil auch in den 20er- bis hin zu den 40er-Jahren durch düstere Zeiten geholfen habe. „Swing steht immer auch für Leichtigkeit, Lebensfreude und vor allem dafür, sich nicht entmutigen zu lassen. Deshalb war er in Zeiten der Wirtschaftskrise das Mittel der Wahl um dem tristen Alltag zu entfliehen, und genau deshalb passt er auch so wahnsinnig gut ins Heute", sagen sie selbst. Mit „Underground Swingtapes" kann die Tanzparty mit Lindy-Hop und Charleston nun ganz einfach ins heimische Wohnzimmer verlagert werden. So lasse sich die Krise wunderbar für ein paar Stunden vergessen. Denn die Live-Programme fehlen deutlich. Es mag sich seltsam anhören, doch das mache sich beispielsweise an die für Swing typischen Zwischenrufe bemerkbar. „Das fanden wir als Schüler einfach geil", sagt Joshua Fuchs. Doch mittlerweile, fügt Paul Baureis hinzu, „puscht es die Solisten weiter und ist einfach cool fürs Publikum". Dank der vielen gekonnten Auftritte sei man mittlerweile bekannt bis nach Mexiko. „Das ist schon bizarr", kommentiert Jonas Jung.