Ein kleines Unternehmen im lothringischen Sarralbe, nahe Saargemünd, hat sich auf die Produktion von veganem Käse spezialisiert. „Petit Veganne" trifft den Nerv der Zeit.
Veganer Käse? Was bitte schön soll denn das sein? Dies fragt sich so mancher Käsefreund, der sich kaum vorstellen kann, dass Käse aus einem anderen Grundstoff als aus der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen stammt. Noch vor einem Jahrzehnt rümpften gerade die Käse-Enthusiasten gewaltig die Nase, wenn sie mit den Begriffen Analogkäse respektive Käse-Imitat oder Kunstkäse konfrontiert wurden. In den Kühlregalen von Supermärkten und Discountern fanden sich immer häufiger Kunststofftüten mit täuschend echt aussehendem Inhalt, der an geriebenen Käse erinnerte. „Pizza-Mix" oder „Gratin-Mix" nannten die Produzenten das Plagiat, das den Verbraucher einmal mehr über den Tisch zog. Dieses Kunstprodukt – billig und ohne großen Wareneinsatz herzustellen –
bestand meist aus einfachem gehärtetem Pflanzenfett, ersatzweise Rindertalg. Hinzu kamen Geschmacksverstärker, Aroma- und Farbstoffe, ebenso Emulgatoren und Wasser. Etwas Hitze, und fertig war der Kunstkäse. Nur Milch, der Grundstoff für alle echten Käse, war auf keinen Fall zu finden.
Heute sind die Fake-Käse aus den Regalen verschwunden, denn eine neue Generation von ernährungsbewussten Menschen sucht andere Wege der Ernährungs- und Lebensweisen. Aus dem Vegetarismus ist der Veganismus, eine Ernährungsweise mit Verzicht auf tierische Produkte, hervorgegangen. Die Argumente des Veganismus beinhalten zuallererst die Grundsätze zur Tierethik, zum Umweltschutz, zur Welternährung, Gesundheit und in vielen Kulturen auch Aspekte zur Religion.
Aber auch gerade diese sich dem Veganismus zugewandten Menschen wollen auf kulinarische Finessen nicht verzichten. Käse, wenn auch ohne tierischen Grundstoff, liegt längst im Trend und findet auch unter sogenannten Normalos immer mehr Freunde. Das Grundprodukt für veganen Käse stammt meist aus Cashew-Kernen, den Samen des Cashew-Baumes, ursprünglich in Brasilien beheimatet, der vorwiegend im tropischen Klima Afrikas und in asiatischen Ländern wie Indonesien und vor allen in Vietnam zu finden ist. Fast drei Millionen Tonnen Cashews des „Nierenbaums", so genannt wegen der Form seiner Kerne, produziert und exportiert Vietnam und ist damit weltgrößter Lieferant des ölhaltigen Kernes.
Cashewkern-Püree mit Bakterien und Ferment angereichert
Im April 2017 gründeten die beiden Enthusiasten Anne Guth und Yannick Fosse das Kleinunternehmen „Petit Veganne" mit dem Anliegen, die vegane Variante eines Käses als Alternative zum Käse aus Milch herzustellen. In einer etwa 40 Quadratmeter großen Garage experimentierten die beiden etwa ein Jahr lang bis zur Produktreife. „Unsere Käse sind ein idealer Begleiter für Menschen mit veganer Lebensweise", sagt Yannick Fosse. „Auch jene mit Laktose-Intoleranz oder Konsumenten, die sich glutenfrei ernähren möchten, freunden sich mit unserer Alternative an."
Irgendwann wurde die Enge der Garage zum Produktionshindernis. Damals produzierte ein kleines Team gerade mal etwa 1.500 Käse á 200 Gramm im Monat. Es fanden sich Abnehmer in der Gastronomie und in Bio-Läden in ganz Frankreich, in Deutschland, Luxemburg, Belgien und Dänemark.
„So langsam stellte sich der Erfolg ein", sagt Fosse, „wir zogen an einen besseren Ort mit mehr Platz, stellten Mitarbeiterinnen ein und sind ein tolles Team von 15 Leuten geworden. Ende 2021 wird der Bau einer neuen Produktionsstätte im nahen Woustviller fertig sein." Fast eine Tonne Bio-Cashew aus Vietnam verarbeitet das bio-zertifizierte Unternehmen „Petit Veganne" pro Monat, Tendenz steigend. Daraus reifen dann sechs Käsevarianten, je drei Frischkäse und Weißschimmelkäse mit und ohne Kräuter.
Einen veganen Käse, korrekterweise Spécialités végétales, also eine Pflanzenspezialität, herzustellen, erfordert ein wenig Erfahrung, ist aber dennoch keine Kunst. Grundlage des Produktes ist ein Püree aus Cashewkernen, Wasser und Ferment. Die Kerne werden gewaschen und in Wasser eingeweicht, danach gemahlen. So entsteht ein Cashewkern-Püree, das mit Bakterienkulturen und einem speziellen Ferment angereichert und so lange gerührt wird, bis es sämig ist. Bakterien und Ferment verleihen dem Käse seine endgültige Struktur und seinen nussigen Geschmack. Die fertige Masse wird in Formen gefüllt und leicht angepresst. Die Käseformen werden von Hand gesalzen und mit Kräutern verfeinert. Lediglich die Camembert-Variante wird mit dem Edelschimmel Penicillium camemberti geimpft und vier Wochen lang bis zur Reife in einer Reifekammer gelagert. Der gesamte Herstellungsprozess gleicht dem in einer normalen Käserei mit dem tierischen Grundstoff Milch.
Worin allerdings unterscheidet sich die vegetabile Käsevariante noch vom tierischen Pendant? Die Produktion von Butter und Käse ist vergleichbar schlecht fürs Klima. Beides hat eine schlechte CO2-Bilanz, einen hohen Wasser- und Energieverbrauch. Laut Statistik der Tierrechtsorganisation Peta verbraucht die Herstellung von einem Kilogramm Käse zwölf Liter Milch, mehr als 5.000 Liter Wasser und kommt auf 13,5 Kilogramm CO2-Äquivalent, eine Maßgröße als Beitrag zum Treibhauseffekt. Somit verursacht die weltweite Tierhaltung mehr Treibhausgase als der gesamte weltweite Verkehr. Die gleiche Menge Linsen dagegen 0,9 Kilo CO2.
Der Umgang mit Mutterkühen, deren Kälber schon nach ein bis zwei Tagen von ihnen getrennt werden, um ihre Milch der industriellen Produktion zuzuführen, ist ein weiteres Argument gegen die Massenkuhhaltung. Geht die Milchleistung der 1,2 Millionen deutschen Mutterkühe nach vier Jahren zurück, wartet auf sie der Schlachter, während die natürliche Lebenserwartung bei 30 Jahren liegt.
Auch in Saarbrücken gibt es die Produkte zu kaufen
Die schmackhafte Alternative aus Cashewkernen ist vielseitig und relativ leicht herzustellen. Aus einem Kilogramm Cashew-Kernen können zwei Kilogramm Käse-Alternative hergestellt werden. So ist der rein pflanzliche Käse eine tierfreundliche, umweltschonende und vegane Variante. Cashew-Bäume können zudem sehr nachhaltig angebaut werden. Diese werden in Permakultur in trockenen Gebieten angebaut, brauchen sehr wenig Wasser und sind weitgehend anspruchslos. Selbst der Import aus Ländern wie Vietnam ist vergleichsweise klimafreundlicher als die industrielle Haltung einer Kuh. Doch gibt es Maßnahmen, die bei der Ernte von Cashew im Sinne des Fair-Trade-Gedankens zu berücksichtigen sind, denn die Ernte ist nicht ungefährlich. Botanisch betrachtet gehört die Cashew-Frucht zu den Steinfrüchten. Am unteren Ende des Cashew-Apfels hängt der Kern in einer Schale. Problematisch allerdings: Die Schale ist hochgiftig und kann die Hände der Pflückerinnen stark verätzen. Bio-Produzenten der Cashewkerne lassen diese maschinell ernten, um die Mitarbeiter zu schützen.
Die Kerne sind reich an B-Vitaminen, enthalten Mineralstoffe, etwa 15 Prozent Eiweiß, die Aminosäure Tryptophan und etwa 47 Prozent Fett. Insgesamt verfügt die Frucht über mehr ungesättigte Fettsäuren als Milchprodukte, ist somit günstiger für eine Prävention gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Cashew-Kerne als kleiner Snack bei Heißhunger sind also eine wahre Alternative. Und der cremige Käse schmeckt zudem richtig lecker.
Eine weitere Besonderheit wird in der Produktionsstätte von „Petit Veganne" hergestellt. Für Freunde der Foie gras bietet das kleine Unternehmen eine rein pflanzliche Variante, „La Bonne Foi" ohne Fett und ohne Leber, trotzdem nach traditioneller Art nach einem Originalrezept der Gründerin von L’instant Cru, der französischen Rohkost-Ikone Marie-Sophie L.
Für saarländische Freunde veganer Lebensweise und Ernährung oder auch für solche, die gern Neues ausprobieren möchten, bietet Sven Zimmer in „Tante Emmas Veganeria" in der Saarbrücker Rotenbergstraße 28 (Telefon 0681-93585434) die Produkte von „Petit Veganne" und weitere vegane Feinkost aus ausgesuchten Manufakturbetrieben sowie hausgemachte Kuchen und Kaffeespezialitäten an. Kleine Kostproben sind im tierproduktfreien Tante-Emma-Laden im Nauwieser Viertel immer möglich, und als Lebensmittelhändler hat Sven Zimmer auch in der Pandemie mittwochs bis samstags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.