Stiefel an, Mütze auf und dann hinaus in die winterliche Natur. Brandenburg bietet viele Möglichkeiten zum Wandern, zum Beispiel um einen der mehr als 2.800 Seen wie den Lehnitzsee bei Oranienburg.
Der rund 81 Hektar große Lehnitzsee ist ein schmaler Toteissee, entstanden beim Rückzug eines Gletschers vor 12.000 Jahren, und liegt im Naturpark Barnim. Seit mehr als 150 Jahren ist er ein beliebtes Ausflugsziel. In Biergärten und an Badestränden erholten sich auch viele Berliner, für die mit dem Bau der Bahnhöfe Oranienburg und Lehnitz 1877 und 1878 die Anreise bequemer wurde. Daran hat sich nichts geändert, mit der S1 dauert es vom S-Bahnhof Friedrichstraße 45 Minuten bis Oranienburg. Zwei Minuten schneller geht es mit dem RB 12 ab S-Bahnhof Ostkreuz, in 19 Minuten schafft es der RE 5 ab S-Bahnhof Gesundbrunnen. Mit dem Auto braucht man auf der L211 und der A111 genauso lange, auf der B2 und der A10 kann es da schon mal eine Stunde werden. Wer lieber auf zwei Rädern unterwegs ist, kann die erste Etappe des Radweges Berlin-Kopenhagen nutzen. Beim Start am Brandenburger Tor sind es knapp 50 Kilometer in gut drei Stunden bis Oranienburg.
Dort angekommen kann das Auto auf einem kostenlosen P+R-Parkplatz an der Stralsunder Straße abgestellt werden. Auch die S-Bahn-Fahrer laufen diese Straße entlang bis zur Unterführung, dann links abbiegen in die Dr.-Heinrich-Byk-Straße und weiter zur Heidelberger Straße. Dort befindet sich die „TurmErlebnisCity" mit großem Bad und Wellnesskomplex. Derzeit geschlossen, aber schon mal vormerken für die Zeit nach dem Lockdown. Der Weg führt zum nagelneuen Fahrgastanleger. Verschiedene Reedereien bieten Schiffstouren zum Lehnitzsee an, für Wasserwanderer gibt es 16 Anlegeplätze. Direkt am See geht es nicht weiter, sondern über die Heidelberger Straße am historischen Wasserturm vorbei bis zum Ende der Wörthstraße. Ab da folgt der Wanderweg dem Seeufer.
Ein Naturlehrpfad mit Infos zu Flora und Fauna
Start ist der Yachthafen mit dem Hafenrestaurant „Lu Bea". Im Sommer lässt sich dort gemütlich speisen und den Skippern zusehen oder an der benachbarten Badestelle ins kühle Nass springen. Sitzen geht zurzeit nicht, aber man kann sich mit Kaffee und Bratwurst für den zweistündigen Spaziergang stärken und an der Feuerschale aufwärmen.
Der Spazierweg ist gut ausgebaut, bietet Platz für Hunde und Kinderwagen. Die Natur entlang des Sees wird sich größtenteils selbst überlassen und zaubert malerische Stillleben hervor. Alle paar Meter ändert sich der Ausblick auf den See – mal offen nur von Schilf umrahmt, mal geheimnisvoll hindurch zwischen efeubewachsenen oder schneegepuderten Bäumen.
Es lohnt sich, auch mal den Blick nach links zu wenden. Eine Bürgerini-tiative hatte die Idee zum Naturlehrpfad Lehnitzsee, der mit insgesamt 56 Schautafeln über Flora und Fauna des Sees informiert und dem drei Kilometer langen Wanderweg folgt. Nach gut 20 Minuten gelangt man zum Biergarten am Lehnitzsee. Ein Ausflugslokal gab es an dieser Stelle schon seit 1870. Nach einer wechselvollen Geschichte wurde dort seit 2003 wieder Kaffee und Kuchen serviert. Im Mai vergangenen Jahres öffnete es neu als Biergarten. Weiter am Seeufer entlang sieht man jetzt in der Ferne schon die Lehnitzschleuse am 1914 eingeweihten Oder-Havel-Kanal.
Die Schleusenbrücke verbindet die beiden Kanalufer und führt die Wanderer auf die andere Seite des Lehnitzsees. Sie ist auch Ausgangspunkt für weitere Besichtigungstouren. Bis zur Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen sind es zwei Kilometer, hinter der Schleuse befindet der Gedenkort KZ-Außenlager Klinkerwerke. Oranienburg war ein wichtiger Standort für die Rüstungsindustrie, in der auch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge schufteten. Ein Schild weist in Richtung Schmachtenhagen zum beliebten Oberhavel Bauernmarkt. Den gibt es allerdings seit dem vergangenen Jahr nicht mehr.
Gleich hinter der Brücke biegt der Wanderweg scharf rechts ab, weiter entlang am Ufer. Und wieder bieten sich idyllische Blicke auf den See. Bänke laden zum Verweilen und Innehalten ein. Nach ungefähr 550 Metern hinter der Brücke fließt der Stintgraben in den See. Die zunehmende Regenknappheit hat ihn zum Bächlein gemacht, zeitweise ist er ganz trocken. Einen Kilometer weiter taucht aus dem Wald der weiße Strand am Lehnitzsee auf. Es ist eine öffentliche Badestelle, allerdings ohne Aufsicht, aber mit Parkmöglichkeiten. Das Baden ist von Mitte Mai bis Mitte September möglich.
Bedeutender Barockbau mit Kunstwerken
Jetzt im Winter ist es ein beliebter Rodelplatz nicht nur für Kinder. Etwas weiter mündet der Wanderweg in die Seepromenade von Lehnitz. Rechts der See, links schmucke Häuschen und Gärten. Am Seeufer tauchen nun auch öfters Anlegeplätze für kleine und größere Boote auf. Eines fällt besonders auf. Das lange weiße Schiff sieht aus wie ein ehemaliger Lastkahn, und das war die zum Wohnschiff umgebaute „Einheit" auch. Die Finowmasskähne schipperten Ziegel aus Zehdenick nach Berlin, die 1907 erbaute „Einheit" ist der letzte erhaltene Kahn. Vielleicht hat er sogar mal am „Bolli" gestoppt, dem einstigen Anleger für Lastkähne. Das letzte Schiff steuerte den Platz 1944 an. Heute ist es eine beliebte Badestelle, ebenso wie der weiße Strand öffentlich, aber ohne Bademeister.
Parallel zur Promenade, die inzwischen zum Badeweg geworden ist, verläuft die Friedrich-Wolf-Straße. In der abzweigenden Straße am Alten Kiefernweg 5 befindet sich die Friedrich-Wolf-Gedenkstätte. Sie ist Teil eines Bauensembles von 20 Häusern, die von 1938 bis 1943 für Testpiloten der Heinkel-Flugzeugwerke AG errichtet wurden. Der Arzt und Schriftsteller wohnte dort ab 1948 mit seiner Frau. Nachdem der Gedenkstätte, die seinen Nachlass pflegt, die Schließung drohte, finanziert die Stadt Oranienburg jetzt eine halbe Personalstelle. Der Badeweg folgt inwischen kurz der Florastraße, zum See geht es dann rechts auf dem Wasserweg, der am Ufer entlang zur Neptunstraße wird. Sie führt geradewegs zur S- und Fernbahn-Trasse. Damit ist der Rundgang beendet. Wer zurück zum Parkplatz in Oranienburg möchte, muss einen Umweg von 20 Minuten in Kauf nehmen: nach links über die Florastraße in die Lehnitzstraße, diese entlang über die Brücke bis zur Dr. Heinrich-Byk-Straße und weiter auf der Stralsunder Straße zum Parkplatz. Alle anderen können ganz entspannt fünf Minuten von der Florastraße über den Mühlenbecker Weg zum S-Bahnhof Lehnitz laufen. Für den kleinen Hunger kann man zwischen verschiedenen Lokalitäten wählen: griechische, italienische oder amerikanische Küche. Letztere wird übringens im Schweizer Haus serviert. Ein Tipp für die Zeit nach dem Lockdown.
Wer an den Spaziergang noch eine Stadtbesichtigung anschließen möchte, sollte unbedingt das Schlossmuseum Oranienburg und den angrenzenden Schlosspark besuchen, vom S-Bahnhof Oranienburg nur gut zwölf Minuten entfernt. Gleich gegenüber befindet sich auch das Tourismusbüro der Stadt. Leider ist derzeit bis auf den Park alles geschlossen, kann aber für den Sommer schon mal vorgemerkt werden. Das Schloss ist einer der bedeutendsten Barockbauten der Mark Brandenburg und wird gerne als das schönste preußische Schloss um 1700 bezeichnet. Es beherbergt eine Sammlung meisterhafter Kunstwerke, Sitzmöbel, Tapisserien, Skulpturen sowie plastische Bildwerke. Zur außerordentlichen Sammlung an Gemälden gehören auch Meisterwerke des großen Flamen Anthonis van Dyck.