Langsam wird klar, dass die Digitalisierung nicht wenig Energie kostet. So viel Strom wie Berlin in einem Jahr verbrauchen in Deutschland allein die Rechenzentren.
Datenmüll – Umweltaktivisten haben einen neuen Klimafeind entdeckt. Weil Rechenzentren mit immer mehr Daten zugemüllt werden, verbrauchen sie zu viel Strom, sind also für immer mehr CO2-Emissionen verantwortlich. So ganz stimmt das nicht. Zwar kostet der Datenmüll viel Speicher und bindet Kapazitäten, aber noch entscheidender ist die eigentliche Leistung der Rechenzentren (RZ): 24 Stunden an sieben Tagen permanent zur Verfügung zu stehen, um Daten zu transportieren, abzurufen, zwischenzuspeichern und überhaupt für alles da zu sein, was Millionen Menschen an ihren Rechnern vom Internet verlangen. Das kostet nicht wenig Strom. Doch ohne geht es nicht. Roman Bansen vom Bundesverband Informationswirtschaft, Bitkom, sagt: „Die Nutzung von Internetdiensten mit Smartphone, Tablet oder PC im Sinne von „always online" gehört zum beruflichen und privaten Alltag. Ohne die von Menschen und Maschinen erzeugten Daten und deren Verarbeitung und Speicherung in Rechenzentren ist heute weder die industrielle Produktion noch der Bereich Forschung und Entwicklung denkbar."
Müll in den Tiefen der Festplatte
Doch was ist eigentlich Datenmüll? Jeder kennt das von seinem eigenen Computer: In den Tiefen der Festplatte lagern Texte, Konzepte, Rechnungen, Fotos oder heruntergeladene Dokumente, die mitunter Jahre alt sind und die keiner mehr braucht. Behörden und Unternehmen geht das in großem Maßstab ähnlich: Tausende von Adressen, millionenfache Kopien von irgendwann einmal wichtigen Dokumenten, abgelegte E-Mails schlummern in Speichern vor sich hin, die von Rechenzentren verwaltet werden. Je mehr über das Internet abgewickelt wird, wie gerade jetzt, wenn alle Leute online bestellen, desto mehr Daten fallen an. Jeder Vorgang wird dokumentiert, jede Adresse erfasst, jede Mail gespeichert – und alles landet in den Speichermedien der Rechenzentren.
Sie sind das Rückgrat der Digitalisierung. Einfach gesagt ist ein Rechenzentrum ein physischer Standort – in der Regel ein eigenständiges Gebäude –, in dem kritische Daten und Anwendungen im großen Stil gespeichert werden. Es besteht aus einem Netzwerk von Rechen- und Speicherressourcen wie Routern und Servern, die rund um die Uhr die Bereitstellung dieser Daten und Anwendungen ermöglichen. Die meisten Rechenzentren sind in privater Hand und bieten ihre Dienste auf dem Markt an. So können Unternehmen beziehungsweise Internetdienstanbieter die gesamte IT-Infrastruktur und Datenverarbeitung effizient und sicher betreiben. Hierzulande gibt es etwa 50.000 Rechenzentren, davon rund 90 richtig große, wie das fünftgrößte Rechenzentrum der Welt mit 65.000 Quadratmetern in Frankfurt am Main, dem digitalen Drehkreuz Deutschlands. Alle deutschen RZ zusammen beschäftigen rund 130.000 Angestellte, noch einmal 85.000 Arbeitsplätze hängen von ihnen ab.
Deutschlands Rechenzentren haben im Jahr 2018 nach Bitkom-Angaben 14 Milliarden Kilowattstunden Strom verbraucht. Das entspricht 2,7 Prozent des Stromverbrauchs von Deutschland oder einem Jahresverbrauch von Berlin. Das waren 40 Prozent mehr als 2010. Der Verbrauch nimmt nach Prognosen der Branche zu und könnte sich bis 2030 verdoppeln. Denn weil immer größere Datenmengen übertragen werden, müssen die Rechenzentren auch immer mehr an Kapazität vorhalten. Hochauflösende Videos, Push-Dienste, Video-Telefonie, Nutzung der sozialen Netzwerke, virtuelle Video-Konferenzen – alles das nimmt zu und braucht mehr Platz.
Heizen mit dem Rechenzentrum
Aber nicht die Daten, die passiv herumliegen – der sogenannte Datenmüll –, fressen die meiste Energie. Es sind die Datenflüsse, auf die die Rechenzentren eingestellt sein müssen. „Man merkt es an der Rechenleistung", sagt Roman Bansen, Referent für IT-Infrastrukturen bei Bitkom, „wenn ein neues Computerspiel auf den Markt kommt und alle es gleichzeitig herunterladen." Deswegen warnt auch zum Beispiel das Online-Magazin „Telepolis": „Bitte denken Sie an die Umwelt, bevor Sie eine E-Mail verschicken." Obwohl eine E-Mail erst dann wirklich Strom verbraucht, wenn sie große Anhänge transportieren muss.
Roman Bansen zufolge ist es also nicht mal so sehr der digitale Müll, der die Kapazitäten bindet, sondern die Online-Aktivitäten, die den Rechenzentren abverlangt werden. Rund die Hälfte des Stromverbrauchs geht auf das Konto der Datenverarbeitung, die andere Hälfte allerdings verbraucht die Anlage selbst, also für Kühlung, Alarmanlagen, Sicherheitstechnik, Notfallaggregate, Brandschutz. Jedes dieser Zentren ist streng gesichert durch hohe Zäune, Stacheldraht, Überwachungskameras, Zufahrtsperren für Fahrzeuge, eigenes Wachpersonal und Personenkontrolle beim Einlass. Es muss gewährleistet sein, dass ein RZ nicht gehackt werden kann.
Mittlerweile hat sich die Infrastruktur von Rechenzentren deutlich weiterentwickelt. Die Rechenleistung der traditionellen physischen Server vor Ort wurden mit den flexiblen Möglichkeiten virtueller Netzwerke verknüpft: Viele Daten sind mittlerweile über mehrere Rechenzentren sowie öffentliche und private Clouds verbunden.
Die Zukunft sind „grüne Rechenzentren", davon ist Bansen überzeugt. Sein Verband arbeitet an Modellen zur Nutzung der Abwärme, die bei dem hohen Stromverbrauch entsteht. Rechenzentren besitzen aufgrund ihres großen Energiebedarfs, der mit einem erheblichen Kühlbedarf für das Abwärmemanagement einhergeht, ein großes Potenzial für die Wärmeauskopplung. Zur Steigerung der Energieeffizienz kann die im Betrieb entstehende Abwärme mit Großwärmepumpen genutzt und die gewonnene Wärmeenergie anschließend in Nah- und Fernwärmenetze eingespeist werden. Außerdem denken die Ingenieure über neue Kühlsysteme nach, bei denen das Wasser durch die Luft abgekühlt zirkulieren kann.
Schaden kann es am Ende aber nicht, den Datenmüll in regelmäßigen Abständen immer mal wieder loszuwerden. Kein Mensch muss die Urlaubsfotos von 2011 auf dem Rechner aufbewahren, die längst auf einem USB-Stick gespeichert sind. Immerhin warnen die meisten Computer ihre Nutzer, wenn die Festplatte vollzulaufen droht – und lassen sich beim Starten endlos Zeit.