Warum Sonderrechte in einzelnen Fällen gerechtfertigt sind
Mit Political Correctness ist es ähnlich wie mit der gendergerechten Sprache. Man kann sich schnell in die Nesseln setzen, ohne Böses zu beabsichtigen. Aber widersprechende Meinungen über heikle, insbesondere ethisch intendierte Themen bedeuten nicht zwangsläufig Grenzüberschreitungen und müssen ausgehalten werden. Der Sport steckt mittendrin in dieser Falle.
Kürzlich stellte der frühere Nationalspieler Philipp Lahm sein Buch „Das Spiel" vor. Er schrieb unter anderem, sich als schwul zu outen, würde er keinem aktiven Spieler raten. Die dazu veröffentlichten Kommentare waren – vorsichtig ausgedrückt – überwiegend negativ und zeigten wenig Verständnis für diese Aussage des Kapitäns des Fußball-Weltmeisters 2014.
Liegt Lahm tatsächlich so falsch? Zweifellos ist unsere Gesellschaft inzwischen so vielfältig und bunt, dass eine solche Aussage irritierend wirkt. Auch im Profifußball wird Homosexualität akzeptiert. Dennoch hat Lahm Recht. Man stelle sich vor, ein sich als schwul geouteter Fußballer verursacht einen spielentscheidenden Fehler. Spießrutenlaufen und einiges mehr wären vorprogrammiert. Lahms Rat hat nichts mit Homophobie zu tun, sondern zeugt von Verantwortung.
Wer Impfprivilegien für Sportler, insbesondere Olympiateilnehmer, in Zeiten ungenügend vorhandener Impfstoffe fordert, schwimmt gegen den Mainstream. Sportverbände und Olympiakandidaten üben sich in Demut, allerdings nicht länderübergreifend. Während sich in Deutschland die Athleten nicht vordrängeln, werden in anderen Ländern wie Serbien, Ungarn und Israel Sportler bereits geimpft. Großbritannien und Dänemark wollen folgen.
Für Athleten, insbesondere aus Randsportarten, sind Olympische Spiele ein Schaufenster, um im vierjährigen Rhythmus auf sich und ihre Sportart aufmerksam zu machen. Schützen, Ringer, moderne Fünfkämpfer und viele andere bereiten sich unter professionellen Bedingungen jahrelang auf diesen Höhepunkt vor. Gehälter wie in den klassischen Profisportarten sind die Ausnahme. Eine Corona-Infektion vor oder während der Olympischen Spiele wäre für diese Athleten und deren Sportarten ein Desaster.
Nicht zu vergessen, der gern und inflationär gebrauchte Satz „Gesundheit steht über allem" sollte auch für Athleten gelten, deren Immunsystem vor allem nach intensiven und langen Belastungen vorübergehend geschwächt ist. Bei verbesserter Impfstoffsituation bis zum Sommer sollte es ethisch vertretbar sein, etwa 400 deutsche Olympiateilnehmer in den Wochen vor den Sommerspielen zu impfen.
Zurück zum Profifußball. Vieles ist in den vergangenen Jahren kritisiert worden, das meiste ist nachvollziehbar. Es beginnt beim Sündenfall WM in Katar und endet vorläufig mit der Sonderbehandlung während der Pandemie. Während den Profiligen Sonderrechte eingeräumt werden, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten, liegt der Amateurfußball brach. Die Extrawurst für den Profifußball wird allseits beklagt.
Systemrelevant, ein gern benutztes Plakativ in diesen Zeiten, ist der Fußball sicherlich nicht. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, spricht von einer sportlichen Systemrelevanz. Aber fernab jeglicher Semantik bleibt das Folgende festzuhalten: Die Bundesligaclubs sind Wirtschaftsunternehmen mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen. Das trifft auch auf andere Wirtschaftszweige zu, die unter dem Lockdown leiden. Aber viele sehen Fußball als willkommene Abwechslung in der tristen Pandemiezeit. Die samstägige „Sportschau", seit Jahrzehnten eine Kultsendung für die Übertragung der Bundesligaspiele, hat Marktanteile bis knapp 20 Prozent. Ich möchte nicht vom Opium für das Volk sprechen, das wäre respektlos. Aber eine Pandemiezeit ohne Fußball ist kaum vorstellbar.
Dennoch, bei aller sportlichen Relevanz, nichts rechtfertigt die teilweise exorbitanten Gehälter. Post Corona besteht dringender Handlungsbedarf. Auch die absurden Flugreisen in teilweise Hochrisikoländer zu Europacup-Spielen bestätigen Vorurteile. Diesbezüglich wäre der Europäische Fußballverband Uefa am Zug. Die Fußball-Europameisterschaft im Juni dieses Jahres, vorgesehen in zwölf Ländern, lässt bereits jetzt grüßen.