Am 13. Mai 1971 feierte die Schnellrate-Show „Dalli Dalli" ihre Premiere und entwickelte sich unter ihrem Erfinder Hans Rosenthal in gut 15 Jahren zu einem Klassiker der TV-Familienabend-Unterhaltung. Mehrmals wurde versucht, die Kult-Runde wieder zu beleben – auch aktuell wieder.
Als der gebürtige Berliner Hans Rosenthal am 13. Mai 1971 im ZDF seinen prominenten Rate-Kandidaten mit der Aufforderung „Dalli Dalli" den Startschuss zum Schnelldenken und zur Lösung von unterhaltsamen Geschicklichkeitsaufgaben unter Zeitdruck gegeben hatte, hatten sich rund 20 Millionen erwartungsvolle Zuschauer vor den heimischen Bildschirmen versammelt. Die Programm-Alternativen waren an diesem Abend in der goldenen Ära der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten natürlich überschaubar, schließlich gab es noch keine Konkurrenz der Privatsender. Der Sendetermin für das anfangs 75-minütige Spektakel, das ab Oktober 1973 angesichts der begeisterten Publikumsresonanz auf 90 Minuten verlängert wurde, war auf 19.30 Uhr festgesetzt worden. Dadurch sollten Jung und Alt gemeinsam vor der Glotze Platz nehmen können, frühe Abendunterhaltung sollte damals möglichst Familienfernsehen sein.
ARD und ZDF möchten dies zum Teil an Samstagabenden mit generationsübergreifenden Show-Angeboten bis heute realisieren. Allerdings war der 13. Mai 1971 ein Donnerstag, ein Wochentag, der sich in den 1970er-Jahren als der zweitbeliebteste Sendeplatz für große Unterhaltungs-Events neben dem klassischen Samstag etabliert hatte. Nicht nur „Dalli Dalli" lief bei den Mainzern am Donnerstagabend, sondern zwischen 1974 und 1992 auch die von Wim Thoelke moderierte Quizsendung „Der große Preis". Etwa zeitgleich zu Thoelkes Show hatte die ARD „Am laufenden Band" mit Rudi Carrell erstausgestrahlt. Obwohl Rosenthals „Dalli Dalli" stets zwischen zehn und 15 Millionen Zuschauer anlocken konnte, war gegen Carrells Samstagabend-Show in den 70ern kein Kraut gewachsen.
Es gab Sieger, aber nie echte Verlierer
Der am 2. April 1925 in Berlin geborene Hans Rosenthal, der die Judenverfolgung der Nazis in einem Versteck in einer Kleingartenanlage im Bezirk Lichtenberg überlebt hatte, hatte seine berufliche Karriere nach dem Krieg beim Berliner Rundfunk gestartet. 1948 war er zum Rias gewechselt, wo er 1962 zum Unterhaltungschef aufgestiegen war. Neben dem Konzipieren von Quizsendungen für den Rundfunk, hatte er schon Mitte der 1950er-Jahre das Medium Fernsehen für sich entdeckt. Den direkten Vorläufer zu „Dalli Dalli" hatte Rosenthal, der wohl auch wegen seiner überschaubaren Größe von gerade mal 1,70 Metern bald den liebevollen Kosenamen „Hänschen" erhielt, für das WDR-Hörfunkprogramm mit dem Titel „Die dreifache Chance" entworfen. Das Konzept der Sendung, bei dem Kandidaten innerhalb von jeweils 15 Sekunden zu einem bestimmten Thema möglichst viele Begriffe nennen sollten, hatte das Interesse des ZDF geweckt, das gerade nach Auslaufen von Vico Torrianis „Der Goldene Schuss" im Juli 1970 auf der Suche nach einer neuen Idee für eine Abendshow war.
Rosenthal konnte die ZDF-Verantwortlichen mit dem von ihm vorgeschlagenen Mix aus Unterhaltung und spielerischer Wissensvermittlung überzeugen, wobei er zusätzlich großen Wert auf die Einbeziehung des Studio-Publikums und der Zusammenstellung eines möglichst prominent besetzten Rateteams legte. Da Rosenthal 1958 einen von Pannen jeglicher Art geprägten TV-Reinfall erlebt hatte, hatte er es sich zu seiner Maxime gemacht, jeden Fernsehauftritt minutiös bis ins kleinste Detail zu planen. Obwohl die Premiere tagelang zuvor geprobt wurde, hatte Rosenthal darauf bestanden, die erste Sendung nur als Aufzeichnung zu produzieren, während alle weiteren der insgesamt 153 bis zum 11. September 1986 ausgestrahlten Folgen live über den Äther gingen.
Das eigentlich Geniale an Rosenthals „Dalli Dalli"-Konzept war, dass es bei der Show, deren Studio-Kulisse über die Jahre von einer legendären Wabengitterwand geprägt war, zwar Sieger gab, aber eigentlich keine echten Verlierer. Der gemeinsam von den Kandidaten erspielte Gewinn wurde einem guten Zweck zugeführt, nämlich jeweils als Unterstützung einer ohne eigenes Verschulden in finanzielle Nöte geratenen Familie. Kein Teilnehmer wurde von Rosenthal, seiner Assistentin Monika Sundermann und seiner dreiköpfigen Jury, die den Promis außer Begriffsdoppelungen quasi alles durchgehen ließ, jemals in die Enge trieben. Alles, was in Deutschland und Österreich Rang und Namen hatte – der ORF war Mitproduzent der Sendung – gab sich bei „Dalli Dalli" die Klinke in die Hand. In gut 15 Jahren kamen so mehr als 1.200 bekannte Persönlichkeiten zusammen, die für Notleidende insgesamt umgerechnet rund 1,4 Millionen Euro erspielten.
Titelmelodie wurde zum Ohrwurm
Bei der Premiere mit acht Prominenten, die in jeweils vier Rateteams aufgeteilt waren, waren unter anderem die Schauspielerin Lieselotte Pulver und der Physiker Heinz Haber beteiligt. Als Gäste hatte Rosenthal unter anderem die Schauspieler Uwe Friedrichsen und Cornelia Froboess begrüßen können. Mit „Dalli Dalli", dem „Quiz für Schnelldenker", schaffte Rosenthal den endgüligen TV-Durchbruch. 1977 wurde er in einer repräsentativen Umfrage zum beliebtesten deutschen Showmaster gewählt. In einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2015, in der Günther Jauch und Thomas Gottschalk die beiden Top-Plätze belegten, reichte es immerhin noch für den achten Rang.
Zu den festen Requisiten von „Dalli Dalli" zählten die von Heinrich Riethmüller komponierte Ohrwurm-Titelmelodie, das vom gleichen Musiker geleitete Studio-Orchester, der Schnell-Zeichner Oskar, der die Promis in Windeseile auf Papier bannte oder aus Preisgelder-Zahlen Spontan-Kreationen entwarf, Rosenthals Standard-Begrüßung „Guten Abend, liebe Dalli-Dalli-Freunde!" oder das jede neue Aufgabenstellung einleitende Startsignal „Dalli Dalli".
Einige Elemente wurden im Laufe der Entwicklung des Formats neu aufgenommen. So Rosenthals legendärer Luftsprung, der ab September 1976 immer dann zu bewundern war, wenn das Saal-Publikum eine Kandidaten-Duo-Leistung für besonders würdig befand. Dafür konnten die Studiozuschauer einen Knopf drücken, der einen Alarmton und Warnleuchten aktivierte, und dem Kandidaten einen Sonderpunkt zukommen lassen. Unmittelbar vor seinem Luftsprung, der auf dem Bildschirm ab der 100. Sendung für einige Sekunden eingefroren wurde, pflegte sich Rosenthal an das Studio-Publikum mit dem unvollendeten Ausspruch zu wenden: „Sie sind der Meinung, das war …" Worauf das Publikum tobend das Wort „Spitze!" ergänzte. Auch die Publikumskandidaten-Beteiligung wandelte sich von der Beantwortung der aus einer Lostrommel gezogenen Fragen hin zu einem Zweierduell unter der „Dalli Dalli-Tonleiter" mit einem Höchstgewinn von 2.500 Mark.
Ab 1976 legendärer Luftsprung fest dabei
Im Promi-Turnier traten in der Vorrunde immer zwei Mannschaften gegeneinander an. Die Kandidaten wurden immer ihrer jeweiligen Berufsgruppe gemäß und Alliterationen folgend zugeordnet. Beispielsweise „Training gegen Theater" oder „Tanzmusik gegen Tonleiter". Die Promis sollten dabei Schnelligkeit, Assoziationsvermögen und Geschicklichkeit unter Beweis stellen. Zunächst mussten sie in 15 Sekunden möglichst viele Begriffe zu einem vorgegebenen Oberwort nennen. Danach folgte ein einminütiges Aktionsspiel, bei dem beispielsweise Würste aus einer Maschine geformt oder Luftballons mit einer Schubkarre transportiert werden sollten. Die beiden Sieger der Vorrunde bestritten das Finale, die beiden Verlierer das Spiel um den dritten Platz. Wobei hier über die Jahre die Aufgaben wechselten, doch manche Spiele wurden zu echten Klassikern. Etwa das Diashow-Spiel „Dalli-Klick". Bei diesem wurden nach und nach Einzelteile eines Bildes aufgedeckt, und die Kandidaten mussten versuchen, so früh wie möglich zu erraten, was auf dem Bild zu sehen ist. Auch das Erkennen von Text- oder Requisiten-Fehlern in verfremdeten Theaterstücken erfreute sich großer Beliebtheit.
Im Herbst 1986 wurde bei Rosenthal eine Magenkrebserkrankung festgestellt, der er am 10. Februar 1987 im Alter von 61 Jahren erlag. „Dalli Dalli" wurde daraufhin vom ZDF eingestellt, denn die Sendung ohne Hans Rosenthal schien nicht denkbar.
Jubiläumssendung – mit Fortsetzung?
Einige Jahre später ließ das ZDF „Dalli Dalli" aber doch wieder auferstehen. Im Rahmen einer 30-minütigen von Andreas Türck moderierten Nachmittagssendung flimmerten zwischen Oktober 1995 und Mai 1997 immerhin fast 300 Sendungen über die Mattscheibe, doch an die Erfolge von einst konnte die Sendung nicht mehr anknüpfen. Zwischen 2011 und 2013 wechselte „Dalli Dalli" zum NDR, wo Kai Pflaume in 28 Folgen immerhin regelmäßig bis zu 1,6 Millionen Zuschauer anlocken konnte. Für die ARD Grund genug, das Format unter dem neuen Titel „Das ist Spitze" mit Kai Pflaume als Moderator ins Programm zu übernehmen und zwischen 2013 und 2015 zehn jeweils 90-minütige Folgen an Donnertagabenden auszustrahlen. Zum 50-jährigen „Dalli Dalli"-Jubiläum schickt das ZDF nun Johannes B. Kerner ins Rennen. Am 15. Mai bittet der Moderator ab 20.15 Uhr zu einer „Dalli Dalli" Sonderausgabe, vorab werden im ZDF-Programm ausgewählte Rosenthal-Klassiker zu sehen sein. Bei ausreichend großem Publikumsinteresse schließt das ZDF eine Neuauflage der „Dalli Dalli"-Show nicht aus.