Zwei Menüs, fünf Tage in der Woche, feines Essen auf Porzellan: Stephan Garkisch und Alexander Mackat planten ihren Gourmet-Lieferdienst „Sublim" deutlich vor Corona. Das Mehrwegkonzept aus der Fine-Dining-Liga startete im Januar und überzeugte viele Berliner sofort.
Alles Mehrweg! Nur das Fünf-Gänge-Menü von „Sublim" ist zum Einmalverzehr bestimmt. Streng genommen sind noch die Pappdeckelchen, die die Gerichte in Porzellanschüsseln vor dem Eintrocknen schützen, Einweg. Das war’s dann aber auch. Als ob sie es geahnt hätten, planten Alexander Mackat und Stephan Garkisch ihren Gourmet-Lieferservice bereits seit Oktober 2019. Mitte Januar 2021 ging er mit für den Transport geeigneten Fine-Dining-Menüs auf Porzellan an den Start. „Erst mal im kleinen Kreis, um zu schauen, ob es gut ankommt", sagt Alexander Mackat. Rasch sprach sich das selbst für Berlin einzigartige Konzept herum. Die Kunden honorierten Wohlgeschmack und Nachhaltigkeit sofort durch zahlreiche Bestellungen. Geliefert wird dienstags bis samstags in der westlichen Mitte der Stadt.
Die Zeit für ein anspruchsvolles Mehrweg-Konzept war nach beinah einem Jahr unter Corona-Bedingungen und mit vollen Mülleimern von Take-away- und Liefer-Essen wohl mehr als reif. Die Gründer und Betreiber von „Sublim" kennen die Branche: Alexander Mackat aus dem Marketing für Food-Brands; Stephan Garkisch ist Küchenchef und Betreiber des Restaurants „Bieberbau". Das „feine Essen aus dem Restaurant für Zuhause", so die „Sublim"-Selbstdefinition, erreicht mich nach telefonischer Ankündigung pünktlich um 17 Uhr. Die Box ist mit einer Styropor-Schablone und schwarzem Papier ausgekleidet. Die vorbereiteten Schüsseln, die kleinen Kasserollen mit den Hauptgängen sowie die Teller stehen ruckelfrei darin.
Während wir auspacken, heize ich den Backofen zum Aufwärmen der Hauptgänge vor. Sie werden 25 Minuten lang erhitzt. Die mit grünen Ziffern für das vegane und mit roten für das „Mit Kalb"-Menü nummerierten Schüsseln sagen dem Fotografen, der kulinarischen Freundin und mir, was zu tun ist: Herausnehmen, die Klebeenden der Pappdeckel ablösen, fotogen lupfen und genießen. Das lässt sich fummelfrei erledigen. Solche Details verlangten neben der Entwicklung der transportgeeigneten Menüs den Gründern und Betreibern viel Aufmerksamkeit ab: „Es gibt bei den Klebern verschiedene Haftstufen. Mit der jetzigen Version sind wir sehr zufrieden", sagt Alexander Mackat. Ein Geprokel wie am Marmeladenglas ließe sich auch schlecht mit dem erhebenden Fine-Dining-Gefühl vereinen.
Die ersten Schälchen geben ihren Inhalt frei: mit Ras-el-Hanout und Pimenton de la Vera gewürzte Cashewnüsse und Mandeln, einmal von Anis-Grissini, einmal von einem Lauch-Cannelé getoppt. Selbst ein gerechtes Drittel vom kleinen Cannelé überzeugt. „Können wir davon noch mehr bekommen? Fünf oder sechs?", fragt der Fotograf. „Ich nehme die auch gern in Groß", meint die Freundin. Doch es warten noch vier weitere Gänge auf uns. Die „Schrot- und Korn"-Brotscheiben vorab laufen extra. Sie haben wir mit Butter und Jaipur-Curry bereits verspeist. Gleich nach den Nüssen geht es im veganen Menü mit einem Beelitzer Spargelsalat mit Fenchel, Brokkoli, Aprikosencreme, Kürbiskernen, karamellisierten Walnüssen und Estragon weiter. Hallo Frühling! Schön erfrischend nach diesem gefühlt ewigen Winter. Der Abzweig „mit" führt zu einer Mascarpone-Creme mit Roter Bete in einem Salat aus zweierlei Wildreis. Er wird mit Gelber Bete, Lauch und Anchoïade veredelt. Gerösteter Mohn mit seiner unverwechselbaren Note zieht sich durch ihn hindurch. Cremigkeit, Aromaspitzen, die sehr dezente Erdigkeit der Beten und das Umami der Anchoïade aus zerstoßenen Sardellen und Knoblauch machen ihn vielschichtig.
Die Gerichte von Stephan Garkisch zeichnen sich durch feine Harmonie aus. Häufig stecken gar nicht mal so wenige Komponenten in ihnen. Doch immer bleibt jede Zutat einzeln schmeckbar; alles ergänzt einander. Obwohl vier von fünf Gängen kalt verzehrt werden, „hat man nicht das Gefühl, an Salat zu knabbern. Das sind vollgültige Menüs", fasst es die Freundin zusammen.
„Vegan hat größere Anforderungen"
Wir haben die beiden Mai-Menüs erhalten – ein veganes, eines mit tierischen Produkten. Spargel, Rhabarber und Mairübchen setzen Akzente. Kein Produkt schreit „Hier bin ich!", sondern jedes klopft zart beim Frühsommer an. Raps überrascht an der Seite einer geschmorten Kalbsschulter mit Frühwirsing, Artischocken und Polenta. Brokkoliähnlich tarnen sich die grünen, noch geschlossenen Blütenstände und Stängel. „Kurz bevor sie gelb werden, holen wir den Raps selbst vom Feld", sagt Stephan Garkisch. Für „Sublim" bezieht er seine Produkte meist regional, saisonal und auf beste Qualität bedacht. Manches wird künftig aus dem eigenen Garten in Brandenburg kommen. Lamm, Schwein oder Eier stammen von persönlich bekannten Kleinbauern. Bio-Siegel sind nicht zwingend notwendig. „Das wäre für viele Kleinstproduzenten zu teuer. Ich kenne meine Produzenten. So weiß ich, was ich bekomme", sagt Stephan Garkisch. Die Gäste wünschten sich zudem ein veganes anstelle eines „nur" vegetarischen Menüs.
Die Köche zeigen insbesondere bei der Mousse von belgischer Schokolade an Kirschcreme, was sie draufhaben. „Vegane Schokomousse können nicht viele!", ist die Freundin beeindruckt. „Eigentlich ist das Dessert extrem klassisch, aber in seiner Qualität besonders."
Die dunkle Schokolade spielt schwer aber nicht überwältigend mit den präzise erkenn- und schmeckbar eingekochten Kirschen. Veilchenzucker, Blütenpollen und Brösel von Schokobiskuit runden dekorativ ab. Garkisch und sein Patissier tüftelten eine Weile an der veganen Creme. Schließlich überzeugte eine Ganache auf Mandeldrinkbasis plus Pflanzenfett. Sie ersetzte die Sahne und erwies sich als standfest.
„Vegan hat am Anfang größere Anforderungen", sagt Garkisch. „Die Grundcremes etwa müssen erst einmal gelingen." Deshalb sei das Rezeptieren wichtig. „Das habe ich im ‚Bieberbau‘ nie so stark gemacht." Aber das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant an der Durlacher Straße in Wilmersdorf ist eben nicht der „Sublim"-Lieferservice. „Für ‚Sublim‘ haben wir eine eigene Gesellschaft, eigene Räume und eigene Abläufe", ergänzt Alexander Mackat. Die anders konzipierten Menüs, Kisten und Kasten, Rosenthal-Porzellan und -Steinzeug sowie die Anrichte-Linie würden viel zu viel Platz einnehmen. Mit stimmungsvoller Restaurant-Atmosphäre ließe sich das zudem wohl kaum vereinbaren. Eine gewisse Ehrfurcht vor edlem Porzellan lässt jeden vorsichtig werden: „Die Gäste wertschätzen das. Es ist noch nichts kaputtgegangen." Am Tag nach dem Dinner holt der Fahrer die Kiste mit dem gespülten Geschirr wieder ab. Auch bei mir blieb alles unversehrt.
Mackat und Garkisch lernten einander im „Bieberbau" kennen. „Ich war treuer Gast, und so kamen wir ins Gespräch", sagt Mackat. „Wir haben unser Konzept für ‚Sublim‘ ohne Druck entwickelt und können es nun mit Herzblut ausfüllen." Dazu gehören auf die Menüs abgestimmte Weine, die flaschenweise mitbestellt werden können. „Wir arbeiten mit regionalen Weinhändlern zusammen, aktuell mit ‚Ahwas‘." Eine Familiensituation beim häuslichen Fine Dining wurde ebenfalls bedacht: Es gibt aktuell ein Kindermenü mit Frikassee von der Beelitzer Poularde, Schoko-Kirsch-Mousse und Popcorn mit Karamell. Die ausgewachsenen Menüs kosten 59 und 69 Euro, das für den Nachwuchs 38 Euro. Dazu kommt bei Lieferung eine Pauschale von 13,50 Euro. Wer mag, kann die Boxen aber auch in der Produktionsstätte in der Charlottenburger Leibnizstraße 88 selbst abholen.
Die @home-Gäste wissen zu schätzen, dass sie nichts machen müssen, außer Besteck und Gläser einzudecken. Eine Kundin, die das Essen im Abendkleid entgegennahm, habe es treffend zusammengefasst, sagt Mackat: „Ich muss mir nicht extra eine Schürze umbinden." Kleckerfreudig sind die Gerichte auch nicht. Noch nicht einmal die Hauptgerichte wie die Frühwirsing-Roulade mit Champignons, Spargel, Mairübchen und Polenta. Ich mag die vegane Rolle mit ihrem mediterranem Touch sehr. Das Kalb mit seiner klassischen Anordnung von Fleisch plus dahinter eingefädelten Gemüsen schlägt zwar eine ganz andere Richtung ein, überzeugt aber ebenso. Die Kalbsschulter ist ein verfeinerter Sonntagsbraten, der aber nicht die Schwere eines Sonntagsbratens mitbringt.
Leichtigkeit und Aromenfülle in fünf Gängen schätzen inzwischen auch neue Kunden: „Viele Firmen fragen unsere Menüs zu Mittag an", sagt Mackat. „Geschäftsessen auf schönem Geschirr können in vertraulicher Atmosphäre zelebriert werden." Aus dem heimischen wird so ein privates Festmahl; ganz gleich an welchem Ort und zu welcher Uhrzeit.