In dem packenden Biopic „The United States vs. Billie Holiday" verkörpert die amerikanische Soul-Sängerin Andra Day die Jazzlegende mit aufwühlender Intensität. Eine Must-see-Performance, die mit einem Golden Globe geehrt wurde.
Die Bäume im Süden tragen seltsame Früchte. Blut auf den Blättern und Blut an den Wurzeln. In südlicher Brise baumeln schwarze Körper. An Pappeln hängen seltsame Früchte." So lauten die ersten Zeilen von „Strange Fruit". Der Song, der wie kein anderer die Lynch-Morde in den US-Südstaaten anprangert, der ein Schlag ins Gesicht weißer Rassisten ist. Und den Billie Holiday – trotz Aufführungsverbot – immer und immer wieder gesungen hat. Obwohl sie dafür auf offener Bühne verhaftet wurde. Obwohl sie nach einem Schauprozess hinter Gitter musste. Und obwohl die FBI-Schergen von J. Edgar Hoover ihr das Leben zur Hölle machten. Bis zu ihrem frühen Tod 1959 mit nur 44 Jahren.
Eine unbändige Lust am Leben
Lady Day, wie ihre Fans sie liebevoll nannten, wurde Ende der 30er-Jahre zu einer der bedeutendsten und erfolgreichsten amerikanischen Jazz-Sängerinnen. Die Traumata ihrer Kindheit – Missbrauch, Vergewaltigung, Prostitution – hatte sie da längst hinter sich gelassen. Sie sang sich den Blues mit ihrer bittersüßen – von vielen Zigaretten und unzähligen Gläsern Bourbon imprägnierten Stimme – von der Seele. Sie sang auch von ihrer unbändigen Lust am Leben. Billie Holiday war leidenschaftlich, radikal, authentisch. Und sie hatte einen ausgeprägten Hang zur Selbstzerstörung. Die vielen Sexaffären, meist mit Männern, die sie schamlos ausnutzten, und ihre Heroinsucht machten sie anfällig im Kampf gegen die Willkür der US-Behörden. Und genau das ist das Thema von Lee Daniels Film „The United States vs. Billie Holiday".
Im Zentrum dieses elektrisierenden Kaleidoskops aus glamourösen Nachtclubauftritten, traurigen Rückblenden, Backstage-Intrigen, heißen Sexeskapaden, Heroinspritzen in durchlöcherten Venen in Großaufnahme, Lynchopfern und brennenden Kreuzen steht natürlich Billie Holiday (Andra Day). Und wie Andra Day (siehe auch Interview Seite 90) sich diese Jazz-legende und Ikone der Bürgerrechtsbewegung zu eigen macht, mit welcher Wucht, welchem Sexappeal und Charisma sie Lady Day auf der Leinwand zum Leben erweckt – das ist schlicht einzigartig.
Eine gefährliche Lebensweise
Die explosiven Jazz-Rhythmen und provokanten Songtexte von Billie Holiday, ihr offen ausgelebter promiskuitiver Lebensstil und die kaum verschleierte Drogensucht korrumpieren auf gefährliche Art und Weise die Lebensweise der meist braven, weißen US-Amerikaner. Zumindest ist das die bigotte Überzeugung von Harry Anslinger, dem Chef des „Büros für Betäubungsmittel", den Garrett Hedlung („On the Road") mit kalter, sadistischer Präzision darstellt. Da er aber nicht wirklich etwas Inkriminierendes gegen sie in der Hand hat, schleust Anslinger den afroamerikanischen FBI-Agenten Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) in Billie Holidays Umfeld ein. Er soll Beweise finden, die die Sängerin endlich ans Messer liefern. Es dauert nicht lange, bis sich Billie Holiday in den attraktiven Fletcher verliebt und ihn, ohne Verdacht zu schöpfen, an ihrem wilden Leben teilhaben lässt. Alles scheint nach Plan zu laufen. Doch Fletcher verliebt sich auch – in die Frau mit der unverwechselbaren Stimme …
Geschickt verwebt Regisseur Lee Daniels, der sich vor allem als Produzent von Filmen wie „Monster’s Ball" und „Precious" einen Namen machte, nach einem Drehbuch der Pulitzer-Preisträgerin Suzan Lori-Parks hier Fiktion und Fakten zu einem melodramatischen Sittentableau jener Zeit. Vor allem Billie Holidays emotionale Zerrissenheit, ihre Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung sind mitreißend inszeniert – und wie Andra Day auch diese stillen Momente nachfühlbar macht, ist großes Kino.