In der heutigen Zeit ist Religion eher eine persönliche Angelegenheit. Die einen sind religiös, andere nicht: Privatsache, darüber wird nicht öffentlich geredet. Vor Jahrhunderten hätte dies so nicht ausgesehen. Insbesondere im Mittelalter wurden immer wieder Frauen verbrannt, weil sie des Hexentums bezichtigt worden waren. Die Gründe dafür waren nicht selten kurios: Einige Frauen hatten sich mit Pflanzenheilkunde auseinandergesetzt, andere trugen lediglich rote Haare.
In späteren Jahren entwickelte sich Religion zu einem Bildungs- und Zufluchtsort. Mönche, Nonnen und Priester waren gebildete Persönlichkeiten, die ihre Schüler jedoch oftmals mit Härte und Schlägen erzogen, „weil es sich so gehörte“.
Der Roman „Die Farbe des Nordwinds“ von Klara Jahn setzt sich kritisch mit dem Thema Religion auseinander und verlegt das Setting in einen kleinen Ort im Norden, weitab von der Großstadt, in dem alte Muster, die eigentlich längst der Vergangenheit angehören, gelegentlich wieder auftauchen oder ins Bewusstsein dringen sollen: Nach zwanzig Jahren kehrt Ellen zurück auf die Hallig, in die sie sich als Jugendliche verliebt hat. Dort möchte sie als Lehrerin arbeiten. Da sie gerne liest, wird sie dabei nicht nur mit den Problemen ihrer Schüler konfrontiert, sondern auch mit einer überholten Erziehung, die insbesondere durch Strenge und Disziplin geprägt war. Dem Leser eröffnen sich dabei zum Teil Abgründe, die mit dem heutigen christlichen Erziehungsmodell nicht mehr viel gemeinsam haben. Schläge gehören jedoch seit etlichen Jahrzehnten der Vergangenheit an. Stattdessen wird gelegentlich sogar auf flache Hierarchien gesetzt.
„Die Farbe des Nordwinds“ ist ein lesenswertes Buch, das vor einem Abrutschen in alte Erziehungsmuster warnt und stattdessen die Schönheit des Nordens zelebriert. Bei der Autorin handelt es sich um eine Historikerin, die sich gerne „von ihrer Liebe zur Natur und ihrer Faszination für raue Landschaften leiten lässt“, erklärt Jahn in einem Statement.
KULT[UR]
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Buch-Tipp: Religion gegen die Vernunft
Klara Jahn: Die Farbe des Nordwinds. Roman. Heyne. 397 Seiten. ISBN: 978-3-453-27313-9.
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