Die geplanten Ansiedlungen der SVolt-Batteriefabriken in Überherrn und Heusweiler-Eiweiler zählen zu den größten Industrieinvestitionen im Saarland in den vergangenen Jahren. Für Manager Maxim Hantsch-Kramskoj sind die Bedingungen im Saarland ideal – trotz Protesten von Bürgern.
Herr Hantsch-Kramskoj, wie läuft eine Standortsuche eines Großunternehmens in der Praxis eigentlich ab?
Vollkommen unspektakulär. Sie packen den Koffer, reisen, schauen sich die potenziellen Standorte an und sprechen mit den verantwortlichen Personen vor Ort. Als die Entscheidung bei SVolt gefallen ist, in Europa zu investieren, kamen im ersten Schritt gut 30 Standorte infrage. Sie fragen Daten ab, wie Standort- und Personalkosten, Infrastruktur, Nähe zu potenziellen Kunden, Zahlen zu benötigten Flächen et cetera, analysieren und bewerten diese. Fünf Standorte kamen in die engere Wahl, unter ihnen Nordeuropa, Osteuropa und Deutschland. Natürlich holen Sie sich auch Hilfe von einem Consulting-Unternehmen, um die Zahlen zu verifizieren. Schließlich geht es um eine Milliardeninvestition und als Unternehmen wie SVolt aus dem Asien-Pazifik-Raum betreten Sie in Europa auch unbekanntes Terrain.
Im Prinzip war die Standortfrage doch bereits für Nordeuropa entschieden. Dann die Kehrtwende und die Entscheidung pro Saarland. Was war ausschlaggebend dafür?
Der Industriestandort Saarland bietet von vorneherein einige Vorteile. Aus der Brille eines Unternehmens aus dem Asien-Pazifik-Raum liegt das Saarland im Zentrum des europäischen Wirtschaftsraums, sprich in der Nähe interessanter Märkte, und an der Schnittstelle der beiden Automobilherstellerländer Deutschland und Frankreich. Das wiederum bedeutet einen hohen Grad an interkultureller Kompetenz in dieser Region. Entscheidend war für SVolt aber ein anderer Faktor, denn einen Standort entwickeln kann man im Prinzip fast überall. Die Frage ist, nur wie. Das Saarland verfügt mit dem Wirtschaftsministerium und der SHS Strukturholding Saar über die richtigen Instrumente, das entsprechende Know-how und den Support, um uns bei der Ansiedlung zu unterstützen. Uns wurde geholfen, die richtigen Antworten zu finden. SVolt steht vor der Herausforderung, im Saarland eine Organisationsstruktur und Unternehmenskultur im Kontext der lokalen Gegebenheiten aufzubauen und das möglichst schnell. Unser Fokus liegt auf den Produkten und den Kunden. Als junges Unternehmen haben wir gar nicht die Erfahrung im Aufbau von neuen Standorten in Europa. Dazu braucht es gute Partner und da hat das Saarland überzeugt. Vertrauen und Flexibilität spielen dabei eine sehr große Rolle. Die finanziellen Risiken sind gar nicht so entscheidend, wie vielfach angenommen. Ursprünglich hatten wir sogar nur einen Standort im Saarland geplant. Da wir möglichst schnell produzieren wollen, kam uns das Angebot mit dem bereits bestehenden Gelände in Heusweiler sehr entgegen.
Aber wie sicher ist die Ansiedlungsentscheidung? Schließlich gab es bereits vollmundig verkündete große chinesische Ansiedlungserfolge wie bei Thionville, nahe der deutsch-luxemburgischen Grenze, die kläglich gescheitert sind...
SVolt hat die Grundsatzentscheidung getroffen, im Saarland zu investieren. Das übliche Prozedere mit Genehmigungsverfahren, Baulandverfahren, Gutachtenerstellung hat Fahrt aufgenommen. Viele Dinge laufen zeitgleich und die Terminplanung ist sehr ambitioniert. Die Zellfabrik in Überherrn soll 2023 und die Modul- und Hochvoltspeicherfabrik in Heusweiler-Eiweiler bereits 2022 starten. Trotzdem liegen wir gut im Zeitplan, wir investieren, wir stellen Personal ein, wir haben erste Kunden. Grundsätzlich gilt aber: Solange keine Betriebsgenehmigung vorliegt, ist nichts in trockenen Tüchern. Aber das ist ganz normales unternehmerisches Risiko und gilt für alle ansiedlungswilligen Unternehmen.
Inwiefern bereiten Ihnen die Bürgerinitiativen vor Ort Sorgen? Schließlich gibt es Irritationen beim Energie- und Wasserverbrauch ...
Uns ist es enorm wichtig, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort miteinzubeziehen mit transparenten Informationen zum Verfahrensstand. Wir wollen so früh, so offen und so tiefgreifend informieren, wie es geht. Die Zahlen über Wasser- und Energieverbrauch stammen aus der Projektplanung und entsprechen den Verbräuchen aus unserer Fabrik in China. In der technischen Detailplanung sehen wir nun, dass wir in unseren Fabriken im Saarland deutlich weniger Wasser für den Produktionsprozess von Batteriezellen und zur Kühlung benötigen. Das hat nichts mit falscher Kommunikation zu tun. Wir müssen zu Beginn Annahmen treffen, um überhaupt eine Basis zu haben, über die wir reden können. Im Übrigen berücksichtigen wir sehr gerne konstruktive Vorschläge in unserer Planung. Schließlich wollen wir die Menschen vor Ort mitnehmen und mit ihnen gemeinsam etwas Zukunftsweisendes aus dem Saarland heraus aufbauen.
Woher bekommt SVolt die benötigte Energie?
Die Produktionsstandorte mit 100 Prozent grünem Strom zu betreiben, ist wesentlicher Bestandteil unserer Europastrategie. Wir könnten die komplette grüne Energie am Markt mit Zertifikat einkaufen, aber wir denken weiter und wollen so viel Strom wie möglich selbst aus regenerativen Energien erzeugen, beispielsweise mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Auch die Nachnutzung der gebrauchten Hochvoltspeicher ist für die Speicherung von grün erzeugtem Strom für uns hochinteressant.
Wir leben in einer globalisierten und arbeitsteiligen Wirtschaft. Wie wollen Sie das Fachpersonal finden?
Wir sind mittendrin in dem Prozess, eine Organisation unter den lokalen Bedingungen aufzubauen, das heißt die Kernkompetenz aus Asien mit Ressourcen aus Deutschland zu verbinden. Für diesen Kompetenz-Transfer sind Fachexperten notwendig und für den Aufbau der Teams vor Ort ist Unterstützung aus Asien erfolgsrelevant. Die erste Ebene im Management, im Vertrieb und Marketing ist eingestellt, in rund sechs Monaten gilt das auch für die zweite Ebene. Wir bekommen in der Außenwirkung richtig „drive", und die Menschen werden sehen, dass wir lukrative, gut bezahlte und vor allem zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.
Wir gehen zudem davon aus, dass ein Projekt unserer Größenordnung ein gewisses Signal auf dem Markt setzt. Es werden Innovationscluster im Saarland entstehen, zum Beispiel in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Software, Zellchemie oder in der Maschinen- und Anlagentechnik. Diese Schlüsselkompetenzen wollen wir hier im Saarland entwickeln, sonst machen es andere.
Sie sind sehr optimistisch im Hinblick auf die Entwicklung der E-Mobilität in Europa. Jetzt steigen Autohersteller verstärkt in die eigene Produktion von Batterien ein. Was bedeutet das für SVolt?
Es ist extrem wichtig, dass die Automobilindustrie die Bedeutung der E-Mobilität erkennt und die Schlüsselkompetenz für Hochvoltspeicher im eigenen Haus haben will. Das beschleunigt die technologische Transformation. Der Energiebedarf wird bis 2030 weltweit auf über 2.800 Gigawattstunden steigen, davon entfallen allein rund 33 Prozent auf Europa. Das ist ein gigantisches Wachstum – um das Sechsfache im Vergleich zu heute. Die Nachfrage nach leistungsfähigen Batterien steigt also enorm. Das ist ein riesiger Zukunftsmarkt, der sich gerade entwickelt und an dem wir teilhaben wollen, schließlich ist der Bau von Batterien sehr komplex und erfordert viel Know-how. Wir reden über eine junge Technologie, die noch am Anfang steht, sich aber fortwährend entwickelt. In den nächsten drei bis vier Jahren werden wir immer höhere Wirkungsgrade der Zellen erreichen, einhergehend mit Entwicklungen der systematischen Komplexität, wie zum Beispiel der Leichtbauweise von Fahrzeugen.
Welche Rolle spielt die Tatsache, dass SVolt ein chinesisches Unternehmen ist?
Wenn Sie eine mögliche staatliche Einflussnahme meinen, kann ich versichern, dass das bei SVolt nicht der Fall ist. 2022 ist der Börsengang geplant, denn Investitionssummen in Höhe von rund acht Milliarden Euro können Sie gar nicht anders aufbringen. Staatliche Eingriffe sind mit dem Börsenrecht nicht vereinbar. Wo wir notiert werden, ob nur in Shanghai, ist noch nicht entschieden. Da wir von einem großen Wachstum in den nächsten Jahren ausgehen, liegt der Aufbau weiterer Standorte weltweit im Bereich des Möglichen, vielleicht auch in den USA. Im Übrigen macht das Saarland mit chinesischen Unternehmen wie bei ehemals Saargummi doch auch positive Erfahrungen.