Am Wochenende startet der 1. FC Saarbrücken mit einem Auswärtsspiel beim TSV Havelse in die neue Drittliga-Saison. Vor dem Saisonstart sprach FORUM mit dem neuen Trainer Uwe Koschinat über Personal, Ziele und Perspektiven des Vereins.
Uwe Koschinat, Sie sind seit einigen Jahren im Geschäft. Aber eine solch kurze Vorbereitungszeit wie in diesem Jahr haben Sie sicher auch noch nicht erlebt. Welche Probleme resultieren daraus?
Es ist der Gesamtkonstellation der Corona-Pandemie geschuldet. Da darf man kein Drama draus machen. Schauen Sie sich doch mal unseren ersten Gegner, den TSV Havelse, an. Die hatten fast ein Jahr kein Liga-Spiel, haben dann zwei Relegationsspiele Mitte Juni gehabt. Was sollen die sagen? Wir sind in einer Situation wie die anderen Teams. Die Problematik bestand eher darin, dass wir Spieler hatten, die lange gespielt haben. Andere hatten hingegen deutlich mehr Urlaub. Noch einmal andere kamen aus einer Verletzung. Da galt es, individuelle Lösungen zu finden, aber ich glaube, das haben wir gut hinbekommen.
Als Sie im März unterschrieben haben, haben sie von einer Achse um Steven Zellner und Sebastian Jacob sowie jungen Unterschiedsspielern wie Marin Sverko und Nicklas Shipnoski gesprochen. Die beiden Letztgenannten sind weg, Zellner fällt noch lange aus, und auch Jacob hat die Hälfte der Vorbereitung nicht absolvieren können. Wie frustrierend war das?
Überhaupt nicht! Wir wussten sehr früh, wo wir dran waren. Es war klar, dass wir auf Zellners Ausfall reagieren werden. Shipnoski hatte mich schon nach dem Bayern-Spiel im April informiert, dass er wechseln wird. Auch bei Sverko hatte es sich angedeutet. Bei Jacob war es in der Tat so, dass wir unterschiedliche Diagnosen hatten. Aber wir haben ja sehr früh Adriano Grimaldi und dann auch Justin Steinkötter unter Vertrag genommen.
Sie waren in Sachen Kaderplanung sehr früh sehr weit. Natürlich haben Sie nicht alle Spieler bekommen, die sie wollten. Sind Sie unter dem Strich zufrieden mit der Zusammenstellung?
Absolut, ja. Wir haben auch von Spielern, die uns abgesagt haben, eine positive Rückmeldung bekommen, wie sich der Verein präsentiert hat. Das ist auch wichtig. Wir haben gute Qualität hinzubekommen. Natürlich hat man bei vielen Spielern Mitbewerber, die auch Argumente haben. Aber wir müssen uns in der Liga nicht verstecken.
Wenn man sich die Hintermannschaft anschaut, dann könnte man von einer gewissen Überalterung sprechen. Haben Sie keine Angst, dass dies im Saisonverlauf zum Problem werden könnte?
Nein, das sehe ich nicht so. Schauen Sie sich doch mal die Abwehr der Italiener an. Die sind mit vermeintlich alten Spielern Europameister geworden. Aber wir hatten bei der Wahl des Innenverteidigers zwei Optionen. Entweder einen Spieler, der gestanden ist und den deutschen Profifußball kennt, oder einen jungen, der aus dem Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten kommt. Man muss so ehrlich sein und feststellen, dass der Markt an Innenverteidigern sehr umkämpft war. Es waren teilweise sehr langwierige Verhandlungen, weil die Spieler ja auch ihren Marktwert testen wollen. Zwischenzeitlich waren wir froh, dass Bruno Soares auf den Markt gekommen ist. Dies hat aufgrund der fehlenden Papiere nicht geklappt. Wir sind froh, dass wir die Planstelle mit Dennis Erdmann besetzen konnten. Er ist ein erfahrener Mann, der uns weiterhilft.
Die Innenverteidigung wird durch den Ausfall von Zellner als Baustelle gesehen. Für viele überraschend, haben Sie darauf gedrängt, den Vertrag mit Boné Uaferro zu verlängern, der keine wirklich gute Runde gespielt hat.
Ich habe vier Jahre mit Boné gearbeitet, ich habe die Entwicklung des Spielers von einem Talent zu einem Mann begleitet. Bei ihm war es sicherlich so, dass er in der vergangenen Saison nach seiner Verletzung ins kalte Wasser geworfen wurde. Er ist dann seiner Fitness hinterhergelaufen. Aber er muss für sein Spiel bei einhundert Prozent sein. Er hat eine gute Vorbereitung gespielt. Wir müssen daran arbeiten, dass er über die Dauer eines gesamten Spiels konzentriert bleibt. Gelingt ihm das, zähle ich ihn zu den vier, fünf besten Verteidigern dieser Liga. Er hat eine unglaubliche Eleganz und starke technische Fähigkeiten. Dazu ist er noch ein Führungsspieler.
Stichwort Führungsspieler: Die Mannschaft gilt im Allgemeinen als leise. Wie haben Sie die Struktur innerhalb des Teams bislang wahrgenommen?
Wir haben mit Manuel Zeitz, Sebastian Jacob und Steven Zellner drei Spieler im Mannschaftsrat, die eine sehr hohe Identifikation mit dem Verein haben. Hinzukommen Daniel Batz und Boné. Diese Gruppe ist in sich sehr stimmig, zumal da auch noch Spieler wie Tobias Jänicke oder Mario Müller dazugehören. Ich habe nicht die besten Erfahrungen gemacht, wenn man Neuzugängen gleich zu viel Verantwortung gegeben hat. Dennoch wollten wir Spielertypen, die eine etwas andere Note mitbringen. Mit Adriano Grimaldi und Dominik Ernst ist uns das gelungen.
Der Verein hat fast zehn Jahre darauf gewartet, dass es ein Talent aus den eigenen Reihen in die Erste Mannschaft schafft. Luca Kerber ist regelrecht durchgestartet. Dennoch hat er mit Alexander Groiß und Dave Gnaase starke Konkurrenz. Im Umfeld sagen viele, dass der Junge aus dem eigenen Stall immer spielen muss. Wie stehen Sie dazu?
Es geht um Leistung und um sonst nichts. Ich werde Luca immer fördern, aber dazu gehört auch, dass er sich gegen die größtmögliche Konstellation durchsetzt. Wir sind im zentralen Mittelfeld auch nicht überbesetzt. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, Manuel Zeitz als Innenverteidiger zu platzieren. Im vergangenen Jahr war Fanol Perdedaj hier, den viele Fans sehr verehrt haben. Dennoch hat Luca gespielt.
Eine andere Personalie, die viel diskutiert wird, ist die von Maurice Deville. Er war vor einem Jahr der Königstransfer und wurde nicht wirklich glücklich. Nun haben Sie für seine Position Robin Scheu aus der Zweiten Liga verpflichtet.
Mit Maurice hatte ich gleich zu Beginn ein sehr langes Telefonat. Er ist ein loyaler, fleißiger und sehr professioneller Spieler. In der Vorsaison ist er an Shipnoski nicht vorbeigekommen. Aber das wäre vielen anderen auch passiert. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, für drei Positionen nur zwei Spieler zu holen. Bei Robin haben wir die Hoffnung, dass er den Qualitätsverlust, den wir durch den Wechsel von Shippi haben, auffangen kann. Aber er ist ein anderer Typ und kann bei Bedarf auch Rechtsverteidiger spielen. Ich weiß aus Kölner Zeiten, dass Scheu und Ernst ein extrem starkes Duo sind. Und ich traue Maurice zu, dass er sowohl mit Scheu als auch mit Ernst harmoniert. Er wird seine Einsatzzeiten bekommen, aber ich sehe ihn nicht im Sturmzentrum. Mo ist ein Läufer, einer, der für die Mannschaft arbeitet.
Mit Sebastian Jacob und Adriano Grimaldi verfügt der Kader über eine enorme Qualität im Angriff. Die große Frage ist aber, wie oft beide zusammenspielen können.
Außer Frage steht, dass beide nicht in Saarbrücken wären, wenn ihr Körper in den vergangenen Jahren besser funktioniert hätte. Dennoch gibt es auch Serien, die mal zu Ende gehen. Sebi hat in der vergangenen Saison 30 Spiele gemacht. Wichtig ist, dass beide fit sind und wir sie nicht überfordern. Der Vorteil ist, dass Sebi ganz vorne spielen kann, aber auch zurückgezogen hinter Grimaldi. Mit Julian Günther-Schmidt und Tobias Jänicke haben wir hervorragende Alternativen für die hängende Position. Hinzu kommt Justin Steinkötter, der vorne alle Positionen spielen kann. Da ist mir überhaupt nicht bange.
Rechts haben sie mit Deville und Scheu etablierte Profis. Links mit Minos Gouras und Tim Korzuschek eher Talente. Sehen Sie da ein Ungleichgewicht?
Ich hatte mit Minos ein längeres Gespräch. Ich sehe ihn nicht mehr als Talent, er ist kein U23-Spieler mehr. Er hatte ein gutes halbes Jahr und muss sich jetzt beweisen, wenn er den nächsten Schritt gehen möchte. Sein Anspruch muss es sein, dass er einen ähnlichen Weg geht wie Shipnoski. Bei Tim ist es schade, dass er sich jetzt verletzt hat. Ihn sollte man nicht unterschätzen, er hat sich in der Regionalliga durchgebissen. Aber auch Steinkötter kann diese Position spielen.
Nach dem fünften Platz stellt sich die Frage nach der Zielsetzung zwangsläufig. Welche Ambitionen hat der FCS, und wer sind die Konkurrenten?
Ganz wichtig ist ein guter Start. Wir wollen eine Euphorie entfachen und die Leute mitnehmen. Dann können wir oben mitspielen. Aber das wollen andere Teams auch. Ich glaube, dass Eintracht Braunschweig und der 1. FC Kaiserslautern zu den Favoriten gehören. Auch Osnabrück oder Wiesbaden können sich einreihen. Über allen steht aber ein Team: Das ist 1860 München. Für mich ist das die Ausnahmemannschaft der kommenden Saison.