In den 90er-Jahren landete Jasmin Wagner als Blümchen einen Hit nach dem anderen. Nach vielen Jahren als Moderatorin und Schauspielerin meldet sie sich jetzt mit dem Album „Von Herzen" zurück. Im Interview spricht die 41-Jährige über Veränderungen, ihre musikalische Identität und ihr großes Hobby, das Kuchenbacken.
Jasmin, Du sagst heute über Dich, dass Du glücklich bist. Was bedeutet Glück für Dich?
Glücklich zu sein heißt für mich, selbstbestimmt und frei zu leben, meinen Leidenschaften nachgehen zu können und umgeben zu sein von Leuten, die ich liebe und die mich lieben. Ich habe in den letzten vier Jahrzehnten gemerkt, dass sich die Bedürfnisse ändern. Das, was einen vor fünf Jahren glücklich gemacht hat, ist eventuell nicht mehr das, was einen heute glücklich macht.
Inwiefern war das bei Dir der Fall?
2020 hat mein Leben komplett umgebaut und verändert. Ich war zehn Jahre am Theater, zehn Jahre verheiratet und alles war so geordnet und hat sich angefühlt, als könnte das der Rest meines Lebens sein. Und plötzlich hat sich nach einem großen Sturm alles umgebaut: Ich habe eine Scheidung hinter mir, bin zurück zur Musik gekommen und in meine Heimatstadt Hamburg zurückgezogen. Alles fühlt sich neu und selbstbestimmt an – jetzt ist nur noch wichtig, wie ich die Dinge sehe und wie ich die Dinge brauche.
In den 90er-Jahren warst Du Blümchen – dann gab es eine lange Pause. Wie bist Du nach all der Zeit zurück zur Musik gekommen?
Zunächst einmal wollte ich weg vom Theater. Mein letzter Regisseur hat die Probezeit mit Leidenszeit verwechselt und ich habe gemerkt, dass mir dafür die Lebenszeit einfach zu kurz ist. Es war mal wieder Zeit für einen Wechsel, wie schon öfter in meinem Leben. Zur selben Augenblick hat ein Veranstalter, der die größte 90er-Jahre-Revival-Party der Welt organisieren wollte, sich sehr darum bemüht, mich als Blümchen dafür zu gewinnen. Das hatte ich bisher immer abgelehnt, sodass ich schon gewohnt war, „Nein" zu sagen. Aber in dem Fall habe ich einfach mal „Ja" gesagt, weil ich nun mal ein Kind der 90er bin. Ich war Headliner auf dem Festival, und es war einfach grandios. Niemand hätte gemerkt, wenn ich nicht gesungen hätte, weil die Leute jede einzelne Zeile so laut mitgegrölt haben. Und dann kam eines zum anderen: Ich habe David Hasselhoff kennengelernt, der meinte, er würde gern ein Lied mit mir machen. Daraus kamen dann viele Angebote, und ich hatte einfach Lust drauf.
Gerade ist Dein neues Solo-Album „Von Herzen" erschienen. Wie viel Jasmin Wagner steckt im neuen Album?
Superviel! Das ganze Album wurde von mir mitkonzipiert, -gestaltet, -getextet und auch -komponiert. Vieles am Songwriting ist natürlich Teamarbeit, aber einer muss die künstlerische Vision generieren, und die kam von mir. Ich wusste relativ schnell, dass ich es „Von Herzen" nennen würde, weil ich in meiner Theaterarbeit mal ein Goethe-Stück gespielt habe und mir dabei ein Zitat hängen blieb: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll". Das wurde zum Leitmotiv für das Album. Das Herz ist ein Kraftzentrum, unser Motor. Ohne das Herz funktioniert nichts.
Welche Bedeutung hat das Album für Dich persönlich?
Es ist ein kleines Wunder, denn ich hätte nie gedacht, dass ich noch mal an meine musikalische Karriere anknüpfe. Als ich damals die Musikbranche verlassen habe (das Ende von Blümchen war 2001, Anm. d. Red.), war ich nicht in der Lage, ein ganzes Album selbst zu schreiben. Ich wusste selbst nicht, wie gut ich es hinkriegen würde, aber wenn ich das Album jetzt immer mal wieder mit Abstand höre, dann kann ich es nicht anders sagen, als dass es schöner geworden ist, als ich jemals gedacht hätte.
Hast Du ein Lieblingslied auf dem Album?
„Spring in mein Herz" hat mir von Anfang an richtig gut gefallen. Es zeichnet das Bild, wie ich Verlieben beschreibe. Jemand muss sein Herz aufmachen und der andere muss voll Karacho reinspringen. Und auch ich muss, wenn ich mich verliebe, mein Herz aufmachen und den anderen dort willkommen heißen. Es ist ein interessanter Song, weil sich die Melancholie und Düsterheit der verzerrten Basslinien sehr gut mit dem hoffnungsvollen Text verbinden.
Auf dem Album gibt es auch den „Blümchen Song" – wird Blümchen immer ein Teil von Dir sein?
Ich gebe ja aktuell nach wie vor Blümchen-Konzerte. Ich darf also zurzeit zwei Künstlerinnen auf einmal sein. Wir haben ganz viele Konzertverträge aus 2020, die noch ihre Gültigkeit haben und ich habe das Gefühl, ich kann das ganz gut verbinden. Ich finde es schön, Blümchen-Ausflüge zu machen, aber immer Blümchen zu sein fände ich anstrengend. Jasmin Wagner werde ich für den Rest meines Lebens sein, aber Blümchen nur so lange, wie ich finde, dass ich im Lack-Body niedlich aussehe. (lacht)
Wer ist Blümchen heute? Hat sie sich in den letzten 20 Jahren verändert?
Meine Vision für Blümchen reloaded war, dass sie eine Superheldin aus den 90ern ist, und so ist auch mein Auftreten. Ich komme aus den 90ern geflogen und bringe die alten Lieder mit und wir haben alle gemeinsam eine großartige Zeit und erinnern uns an unsere Jugend.
Und Jasmin Wagner?
Jasmin Wagner ist eine Frau von heute, die ihre persönlichen Eindrücke in die Musik miteinfließen lässt. Interessanterweise sieht sie für ihre 41 Jahre noch erstaunlich fit aus, das wundert sie selbst manchmal (schmunzelt), aber die Gefühlswelt ist eine ganz andere als die von Blümchen. „Gold" (die erste Single-Auskopplung aus dem neuen Album, Anm. d. Red.) könnte ich schon auf einem Blümchen-Konzert singen, aber dann würde ich sagen: „Schönen Gruß von meiner Freundin Jasmin Wagner, wir sind täglich in Kontakt." Aber das sind keine Blümchen-Lieder. Wenn man zu einem Blümchen-Konzert geht, will man das hören, was man früher gehört hat. Jasmin Wagner singt über andere Sachen.
Wird Blümchen auch neue Lieder machen?
Blümchen war gerade mit dem Song „Herzalarm" in den Top Ten der deutschen Single-Charts. Das hat uns alle sehr überrascht, weil Techno ja eigentlich nicht so populär ist. Blümchen wird auch in Zukunft immer mal wieder für Überraschungen sorgen. Das macht mir große Freude, dass ich meine Ausflüge als Blümchen so planen kann, wie ich möchte, weil keiner auf irgendetwas wartet. Aber nur unter meinem bürgerlichen Namen kann ich eine neue musikalische Identität schaffen.
Wie sieht diese neue Identität aus?
Sie ist weniger technolastig. Wir haben es Electro-Schlager getauft. Es sind nach wie vor deutsche Texte und deutsche Hymnen, aber in einem anderen Sound-Gewand. Ich habe Songs geschrieben mit Klang- und Wortwelten, die mich persönlich ansprechen. Wenn ich damit Spaß habe, dann kann der Funke auch überspringen.
Wie läuft der Songwriting-Prozess bei Dir ab?
Ich schreibe mir immer mal wieder Worte auf, die ich spannend finde. Zum Beispiel hat letztens eine Freundin gesagt: „Das Leben ist ein Zebra." Das fand ich ganz toll, weil sie damit meinte, dass das Leben Gutes und Schlechtes hat, Schwarz und Weiß. Solche Sachen halte ich dann fest und benutze sie vielleicht irgendwann mal in einem Song. Die Melodien entstehen meistens in meinem Kopf in der Zeit, kurz bevor ich aufstehe oder wenn ich jogge. Ich nehme dann ein paar Puzzleteile mit zur Songwriting-Session, und wenn ich dann einen coolen Beat höre, höre ich automatisch Melodien. Und dann puzzelt man sich das irgendwie zurecht. Songwriting ist also auf eine Art vergleichbar mit einem Puzzle.
Du hast inzwischen 25 Jahre Erfahrung in der Musikbranche. Wie hat sich die Industrie verändert?
Im Prinzip muss ich alles neu lernen. Nur ein Beispiel: In den 90ern hätte man auf gar keinen Fall eine Homestory gemacht, das war das kostbarste Gut. Heute sind wir mit unseren Handys andauernd zu Hause und filmen uns selbst. Privatsphäre in dem Sinne ist aufgehoben. Mit meinen Auftritten in den sozialen Medien kann ich zwar einerseits auf meine Musik aufmerksam machen, aber die anderen machen das natürlich genauso. Sich da durchzusetzen ist nicht leicht. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass man Influencern nachsagen könnte, dass sie nichts machen. Im Gegenteil, man muss sehr viel tun, damit es wirklich läuft. Wenn man alle Kanäle bespielen will, geht das allein eigentlich kaum.
Du hast sehr viel ausprobiert, Musik, Theater, Moderation. Was macht Dir am meisten Spaß?
Ich hatte lange Zeit eine große Neugierde in mir, in andere Branchen einzutauchen. Und wenn ich etwas mache, lasse ich mir immer viel Zeit und widme mich einer Sache ganz und gar. Wenn ich moderiert habe, habe ich viele Sendungen moderiert. Und dann war ich zehn Jahre ausschließlich am Theater. Jetzt habe ich die Musik zurück in mein Leben geholt und bin hauptsächlich Songwriterin. Aber letztendlich spielen alle Fähigkeiten zusammen und machen mich zu dem Menschen, der ich bin.
Diese Neugierde begleitet Dich auch privat …
Das stimmt. Ich habe mir als Teil meines persönlichen Glückskonzepts überlegt, dass es ein gutes Jahr war, wenn ich eine neue Fähigkeit gelernt habe und einen neuen Ort gesehen habe. Meistens sind es mehrere Sachen, aber auch wenn es nur eines von beiden wäre, wäre es schon ziemlich cool. Meine neueste Leidenschaft sind Bergtouren. Ich will tagelang draußen in der Natur übernachten, um am Ende auf dem Gipfel zu stehen. Dieses Jahr war ich schon auf dem Teide, dem höchsten Berg Spaniens auf Teneriffa, und plane derzeit eine Mont-Blanc-Expedition.
Wie hast Du die Corona-Zeit erlebt?
Es war für uns alle eine große Prüfung. Ich musste erleben, dass alles, was ich mir vorgenommen hatte, ausfällt. Ich wollte viele Konzerte geben und hatte mich auf meine neue Tournee vorbereitet. Es gab einiges, was in den Startlöchern stand und erst mal pausieren musste. Aber auf der anderen Seite war es auch interessant, dass wir alle irgendwie in der Lage waren, zu adaptieren. Und wenn ich mit Freunden rede, gibt es einige, die sagen, dass es für sie in der Nachbetrachtung kurioserweise auch viel Schönes gab.
Hast Du auch irgendwelche positiven Erfahrungen aus der Corona-Zeit mitgenommen?
Auch ich habe ausgemistet, neu sortiert, bin eine bessere Bäckerin und Köchin geworden. Ich bin tatsächlich häuslicher geworden, weil ich auch keine andere Wahl hatte.
2019 hast Du bei „Das großen Promibacken" mitgemacht. Backst Du schon immer gern?
Tatsächlich ist Backen eine große Leidenschaft, weil ich wahnsinnig gern Desserts und Kuchen esse. Beim großen Promibacken habe ich einen natürlichen Ehrgeiz entwickelt und es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Als mein Beruf dann im letzten Jahr pausieren musste, bin ich andere Wege gegangen und habe unter anderem Backkurse per Zoom aus meiner Küche gegeben.
Du hattest auch mal geplant, das Abitur nachzuholen. Ist das noch aktuell?
Das war immer mein Back-up-Plan, weil ich selbst wahrscheinlich nicht geglaubt habe, dass mich die Musik
so lange beschäftigen würde. Aber mittlerweile kann ich mir Schöneres vorstellen, als noch mal Physik zu lernen. (lacht)
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich will weiter Musik schreiben, Berge besteigen und nicht komplett von der Arbeit bestimmt sein. Ich habe gelernt, dass die Balance im Leben das Gold ist.