Ob Grafiken, alte Theaterprogramme oder Tonaufnahmen – dank Schenkungen von Privatleuten oder Firmen können Museen unterschiedlichste Themen für die Besucher umfassend aufbereiten.
Die Braut von Messina" ist ein weniger bekanntes Stück von Friedrich Schiller, das mit Star-Schauspielerin Irene Triesch 1927 im heute fast vergessenen Rose-Theater in Berlin zur Aufführung kam. „Ich habe angefangen, mir prominente Gäste zu holen", so erzählte Theaterchef Paul Rose in einem historischen Interview-Mitschnitt. Zu weiteren bekannten Künstlern, die mit dem Theater eng verbunden waren, zählten Heinrich Zille, Gerhart Hauptmann und Brigitte Mira. Zille entwarf Plakate und Bühnenbilder für die Inszenierungen, Gerhart Hauptmann galt als Hausautor und Brigitte Mira begann als junges Schauspieltalent auf den Brettern des Rose-Theaters. Mit seinem Standort in Berlin-Friedrichshain, in der Großen Frankfurter Straße (heute Karl-Marx-Allee), gehörte es von 1906 bis 1944 zu einem wichtigen Berliner Schauspiel- und Operettentheater. Im Krieg zerstört, geriet das Familientheater danach fast in Vergessenheit. 2019 aber erhielt das Stadtmuseum Berlin eine umfangreiche Schenkung des Nachlasses durch die Erben der Familie Rose. Im Bestand des Museums gab es da bereits einige mit dem Theater verbundene Exponate, aber die 75 Alben mit Fotografien, Briefwechseln und Kassenbüchern sorgten für eine gewichtige Ergänzung.
Bärbel Reißmann, Sammlungsleiterin Theater im Stadtmuseum Berlin, hört man die Begeisterung über den Glücksfall einer derartig umfangreichen Schenkung an. „Vor dem Krieg war es fast selbstverständlich, dass ganz unterschiedliche Menschen oder auch Firmen besondere Gegenstände ins Museum gaben. Heute freut sich jedes Haus, wenn es überhaupt historisches oder zeitgenössisches Material angeboten bekommt."
Seit 1987 betreut Bärbel Reißmann die Theatersammlung im Stadtmuseum Berlin – rund 300.000 Objekte, Kostüme und Masken, Bühnenbildmodelle, Plakate und Theaterzettel sowie mehr als zwei Millionen Negative. Durch ihre Arbeit weiß Reißmann, dass Schenkungen und Nachlässe nicht nur die Sammlungsstücke beinhalten. Erst die Geschichten dazu erwecken sie zum Leben, stellen sie in den gesellschaftlichen und zeitlichen Kontext.
„Unsere Zuschauer warteten auf uns"
„Hier können Familien Kaffee kochen", warb Bernhard Rose mit dem Ausflugslokal in den Anfangsjahren für sein Theater. Einer seiner drei Söhne, Hans Rose, schwärmte in den 20er Jahren von dem dazugehörigen Kellerrestaurant: „Unsere Zuschauer warteten abends auf uns". Zum 90-jährigen Jubiläum der Theatergründung gab es 1977 Ausstellungen und eine Matinee im deutschen Theater. Erinnerung an das Familien- und Volkstheater mit klassischem Schauspiel, Volksstücken und Operetten sowie Märcheninszenierungen für Kinder lebten wieder auf. Zeitzeugen erinnerten sich an besondere Aufführungen wie die Revue „Es gibt nur ein Berlin" und die moderaten Eintrittspreise. Legendär der Rose-Garten zwischen den Mietshäusern: „Ein Rosenmeer. Es duftet, das kann man sich gar nicht vorstellen", schwärmte ein Zeitzeuge. Das Haus hatte sein Stammpublikum, das kam besonders gern, wenn Franz Lehár und Walter Kollo auf dem Programm standen.
Heute beeindrucken in der Theatersammlung des Stadtmuseums unter anderem Originalmitschnitte von Traute Rose, der Frau von Theaterchef Paul Rose. „2019 überließ uns die Enkelin von Paul Rose den Schatz aus ihrem Keller mit weiteren Alben", berichtet Sammlungsleiterin Bärbel Reißmann. „Jetzt haben wir ein abgerundetes Bild von dem historischen Theater. Aufbereitet sind ausgewählte Stücke auch in unserer Sammlung online einsehbar."
Bis solche Schenkungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, hat das Team des Stadtmuseums einiges zu tun. Denn Ziel ist es, ganz unterschiedliche Kulturgüter zu bewahren und zu pflegen, sie wissenschaftlich aufzubereiten, zu restaurieren und zu digitalisieren. Das alles erzeugt auch bei Nachlässen und Schenkungen laufende Kosten.
Bevor ein Museumsvertrag mit Schenkenden geschlossen wird, der die rechtmäßige Übertragung der Gegenstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes regelt, werden alle Kosten kalkuliert und als Drittmittel akquiriert. „Wir verfügen über keinen Ankaufsetat. Deshalb versuchen wir, mit Drittmitteln auch Lücken in den Sammlungen zu schließen", sagt Dr. Martina Weinland, die Beauftragte für kulturelles Erbe am Stadtmuseum Berlin. „Mit Exponaten aus dem Mittelalter sind wir gut aufgestellt. Aber beim Zeitraum vom Mauerbau bis zum Mauerfall bemerkten wir 2008 bei der Vorbereitung der Ausstellung „1968" gravierende Lücken in den Sammlungen."
Im Mittelpunkt steht daher immer die Frage, was für die Sammlung wichtig ist und was dem Sammlungskonzept entspricht. Finanzierungen werden über Stiftungen wie die Kulturstiftung oder die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung eingeworben. „Aber auch die Fördervereine unterstützen uns finanziell. Für die Bildende Kunst, den Bereich Fotografie und Grafik kann das Museum einmal jährlich etwa 80.000 Euro bei der Förderkommission Bildende Kunst beantragen. Für andere Abteilungen, wie die Modesammlung, existieren keine öffentlichen Fonds", so die Beauftragte für kulturelles Erbe am Stadtmuseum Berlin. Die akquirierten Gelder entscheiden über mögliche Ankäufe.
Schenkungen werden öffentlich gemacht
„Der Großteil der Sammlung des Stadtmuseums besteht aus Schenkungen, etwa 70 Prozent." Die meisten Erwerbungen der Stiftung Stadtmuseum Berlin finanzierte die Förderkommission Bildende Kunst der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Bereits im Vorfeld der Frage, ob ein Künstlernachlass übernommen wird, entscheidet ein Gremium von Mitarbeitenden aus dem Museum und dem Landesarchiv über die ideale Verteilung der Objekte. Wo erreichen die Exponate ihre Interessenten, wo können sie am besten sichtbar gemacht werden? Denn eine Verpflichtung im Museumsvertrag heißt, übernommene Konvolute der Öffentlichkeit zugängig zu machen.
Die umfangreiche Kunstsammlung mit Grafiken, Gemälden und Skulpturen von Christa und Gerhard Wolf beispielsweise hat die Familie im Sommer 2020 dem Stadtmuseum Berlin zur treuhänderischen Pflege und Erhaltung als unselbständige Stiftung übergeben. Den schriftstellerischen Nachlass des Künstlerehepaares erhielt die Akademie der Künste als Schenkung.
„Es gibt auch Anrufe, die sorgen für großen Wirbel im Haus. So war es, als Ulrich Goetze mich kontaktierte, um im Namen der Familie den Nachlass seiner Mutter dem Museum zu übergeben", so erzählt es Dr. Martina Weiland. „Helga Goetze lebte in den 1970er Jahren als bekannte Frauenaktivistin, Feministin und Künstlerin in Berlin. Das Museum erhielt Unikate von rund 280 Stickbildern und etwa 500 Grafiken. Wir waren als Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins begeistert, und für die Familiengeschichte gab es auch noch ein glückliches Happyend. Mit der Übergabe des Nachlasses an ein Museum schlossen die Kinder von Helga Goetze auch ihren Frieden mit ihrer Mutter, zu der sie lange den Kontakt abgebrochen hatten".