Die Berliner AfD gilt als Realo-Verband innerhalb der Bundespartei. Ihre Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Kristin Brinker will in spätestens fünf Jahren nicht mehr nur Opposition sein – sondern regierungsfähig.
Der Landesverband der Berliner AfD hat es politisch nicht leicht in der rot-rot-grün regierten Bundeshauptstadt. Mehrfach musste erst der Landes- und dann in der Folge der Wahlparteitag verschoben werden. Man fand keinen Ort für den Parteitag, kein Hotel oder Gastronom wollte die Partei beherbergen. Der Landesparteitag wurde schließlich nach Paaren in die brandenburgische Pampa verlegt. Danach gab es eine neue Landesvorsitzende, und Kristin Brinker schwor direkt nach ihrem überraschenden Sieg: „Unser Wahlparteitag findet in Berlin statt." Erster selbstgestellter Parteiauftrag für die „Macherin", wie sie sich selbst gern bezeichnet. Die Stadträtin für Wirtschaft, Straßen und Grünflächen von Marzahn-Hellersdorf, Nadja Zivkovic, kommt ihr zu Hilfe. Eine Baubrache wird für zwei Wochen im Ortsteil Biesdorf mit zwei großen Festzelten zum AfD-Tagungsort umfunktioniert und durch einen großen Bauzaun mit Stacheldraht geschützt. Die AfD kann in Berlin ihren Wahlparteitag unter Corona-Bedingungen abhalten. Die helfende Stadträtin hat übrigens ein CDU-Parteibuch, berichtet stolz Kristin Brinker im FORUM-Interview und deutet schon politisch in die Zukunft ihrer Berliner AfD: „Opposition ist Mist".
Auf dem Landesparteitag gegen von Storch durchgesetzt
Damit unterscheidet sich Brinker grundlegend von einem Großteil ihrer Parteikollegen in den anderen Ländern, gerade im Osten. Diese fühlen sich in ihrer Rolle als opponierende Protestpartei pudelwohl und denken nicht im Entferntesten an Regierungsverantwortung. Doch Brinker geriert sich da lieber mit einer Zukunftsoption. „Wenn wir etwas für die Menschen gerade hier in Berlin erreichen wollen, können wir das doch nur, wenn wir politisch mitbestimmen, anstelle immer nur im Abgeordnetenhaus dagegen zu stimmen". Dabei lässt Brinker zunächst offen, ob es denn gleich eine Regierungsbeteiligung sein soll, oder aber, ob ihr nach der wahrscheinlichen nächsten Abgeordnetenhauswahl 2026 eine Tolerierung einer CDU/FDP-Minderheitsregierung reichen würde.
Viel Hoffnung hat Brinker aus den Vorgängen in Thüringen im Februar 2020 geschöpft. Kurzzeitig wurde mit Thomas Kemmerich ein FDP-Ministerpräsident durch AfD-Stimmen gewählt. Dabei versteht Brinker die ganze Aufregung danach vor allem bei der Bundes-CDU nicht. „Auf lange Sicht wird sich die CDU in den Ländern, gerade hier im Osten, daran gewöhnen müssen, dass sie ihren Macht-Anspruch eben mit der AfD umsetzen muss, will sie nicht in Viererbündnissen regieren", gibt sie sich selbstbewusst. Auf FORUM-Nachfrage kann sich Kristin Brinker dann sehr wohl auch eine Koalitionsbeteiligung im Abgeordnetenhaus vorstellen, natürliche Partner wären da selbstverständlich die CDU und die FDP. Damit übernimmt sie im Übrigen auch die Position von Noch-Fraktionschef Georg Pazderski und macht sich auf AfD-Bundesebene reichlich unbeliebt.
Die Kandidatin Brinker hat sich erst auf dem Landesparteitag im März dieses Jahres überraschend im vierten Wahlgang gegen die langjährige AfD-Lokalmatadorin Beatrix von Storch mit 122 zu 120 Stimmen knapp durchgesetzt. Das Pikante daran: Brinker soll vor allem viele Stimmen vom aufgelösten Flügel bekommen haben. Doch gerade die Delegierten dieser politischen Richtung sind gegen das Schielen auf eine Regierungsbeteiligung und wollen Frontalopposition. Brinkers größter politischer Verdienst aus Sicht der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus war der Rücktritt von Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) vor einem Jahr. Brinker hatte durch eine parlamentarische Anfrage aufgedeckt, dass Lompscher Bezüge aus Tätigkeiten in Aufsichtsräten von landeseigenen Betrieben nicht versteuert hat.