Wer erfand das Telefon? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Fakt ist: Vor 160 Jahren nannte der Hesse Johann Philipp Reis seine neueste Erfindung „Telephon“ und führte sie am 26. Oktober 1861 erstmals öffentlich vor. Aber auch Tüftler in anderen Teilen der Erde verhalfen dem Quasselapparat zum Durchbruch.
Um den wahren Erfinder der ersten Telefonapparaturen gab es, wie so oft in Patentfragen, einen grotesken Streit. Er wurde erst in unseren Tagen letztgültig entschieden. Bereits 1849 hatte der Italiener Innocenzo Manzetti einen Maschinenmenschen konstruiert, der Flöte spielte. Ihm wollte er nun auch das Sprechen beibringen – erfand aber stattdessen das Ur-Telefon. Als der 39-jährige Manzetti es im Sommer 1865 der begeisterten Weltpresse präsentierte, war sein Landsmann Antonio Meucci (damals 57), ebenfalls Erfinder, im fernen Amerika alles andere als amüsiert.
Meucci, im Jahr 1850 nach New York ausgewandert, hatte auch an einem Fernsprechapparat getüftelt, um seiner Frau die Verbindung zur Außenwelt zu ermöglichen. Sie konnte aufgrund eines rheumatischen Leidens ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Der Apparat jedoch erreichte nie die technische Perfektion der Erfindung seines Kontrahenten. Manzettis Telefon war nämlich bereits mit einer Art Hörer ausgestattet, sodass man frei sprechen konnte. In Sachen Patent allerdings hatten beide Tüftler kein Glück: Während Manzetti seine Erfindung aus Geldmangel nicht patentieren lassen konnte, erhielt Meucci nur ein vorläufiges Patent, das er 1873 wegen finanzieller Probleme wieder verlor.
Tüftler Bell erkannte die Gunst der Stunde
Das war die Stunde des Sprachtherapeuten und Gehörlosenlehrers Alexander Graham Bell aus dem schottischen Edinburgh, der die ehemaligen Werkstätten des glücklosen Erfinders Meucci in New York bezogen hatte. Dort fand er dessen Gerätschaften und Unterlagen und nutzte sie für seine eigene Arbeit. Nachfragen des Eigentümers wurden ignoriert, ein Rechtsstreit um finanzielle Entschädigung blieb ohne Ergebnis. Am 14. Februar 1876 meldete Bell mit 28 Jahren in den USA sein Patent an. Den darauf entbrannten Streit um den wahren Erfinder des Telefons entschied Bell für sich und entwickelte das Gerät zur Serienreife, was ihn in den folgenden Jahrzehnten zu einem reichen Mann machte. Antonio Meucci starb am 18. Oktober 1889 verbittert und verarmt in New York. Am 11. Juni 2002 bekam er posthum doch noch das Patent für die Erfindung des Fernsprechapparates zugesprochen – durch eine Resolution des Repräsentantenhauses der USA.Bells Erfolg beruhte jedoch nicht nur auf der Vorarbeit Antonio Meuccis. Auch in Deutschland forschte man schon früh nach einer Möglichkeit, Töne über elektrische Leitungen zu übermitteln. Es war der hessische Mathematik- und Physiklehrer Johann Philipp Reis, der erstmals den Begriff „Telephon“ einführte und heute als dessen zentraler Wegbereiter gilt. Auf der Grundlage der Morse-Technik entwickelte der 26-jährige Bäckersohn 1860 am Institut Garnier im hessischen Friedrichsdorf die elektrische Sprachübermittlung – mit einem Apparat, mit dem ihm erstmals eine funktionierende elektrische Übertragung von Sprache und Musiknoten gelang. Am 26. Oktober 1861 stellte er einen Prototyp seines Fernsprechers erstmals öffentlich zahlreichen ehrwürdigen Mitgliedern des Physikalischen Vereins in Frankfurt vor. Sein Ur-Telefon bestand unter anderem aus den Materialien Holz, Naturdarm, Kupferdraht und Platin und übertrug in grausigster Tonqualität zwei Musiker von einem Hausteil in den anderen, die vor einem membranbespannten Schalltrichter sangen und spielten.
Ein Frankfurter Mechaniker produzierte das Telephon von Reis fortan in Serie und verkaufte es für 21 Gulden in alle Welt. Private Nutzer gab es noch nicht, die ersten Kunden waren Fachleute – wie Alexander Graham Bell. Auch diese Erfindung nutzte der findige Brite und entwickelte sie zur Fernsprechmaschine weiter. Philipp Reis war mit seinem Apparat zu früh dran. Leider konnte man zu seinen Lebzeiten in Deutschland keine Patente anmelden. Dies war erst drei Jahre nach seinem Tod möglich.
In Deutschland verhalf dem Telefon vor allem Ernst Heinrich Wilhelm von Stephan, seines Zeichens Generalpostdirektor des Deutschen Reichs in Berlin, zum Durchbruch. Der 44-Jährige hatte sich bereits um das Telegrafenwesen verdient gemacht, als er 1875 alle größeren deutschen Städte mit Telegrafenkabeln verband. Am 26. Oktober 1877 war es dann so weit: Zwischen dem Berliner Generalpostamt und dem Generaltelegrafenamt fand das erste Ortsgespräch statt – es war der Auftakt für den Siegeszug des Telefons in Deutschland.
Da Alexander Graham Bell vergaß, sein Patent in Deutschland anzumelden, durfte das Berliner Unternehmen Siemens & Halske Maschinenfabrik und Telegraphenbauanstalt Telefone seiner Bauart herstellen, die für einen Stückpreis von fünf Mark verkauft wurden. 1878 verbesserte der in Lenthe bei Hannover geborene Werner von Siemens Bells Telefon, das Schall nur auf geringe Entfernungen übertrug, so entscheidend, dass der Empfänger weniger angestrengt zuhören musste. Dazu konstruierte er eine Membran, die geformt war wie das Trommelfell des menschlichen Ohrs. Dies gelang ihm so erfolgreich, dass der Siemens-Fernsprecher in Deutschland unter den sonst inzwischen erbauten bald als der beste galt, jedenfalls als Empfänger. Ein Jahr zuvor sprach Werner von Siemens noch so: „Telefonschwindel: Das Telefon ist ein unbeliebtes, geschichtlich zufällig entstandenes Nebenprodukt, das niemand wirklich haben will“.
Ein Jahr zuvor hieß es „Telefonschwindel“
Die erste kommerzielle Telefonzentrale der Welt wurde 1878 in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut von George W. Coy eröffnet. An ihre acht Leitungen waren 21 Teilnehmer angeschlossen. Bereits 94 Teilnehmer zählte das erste Berliner Telefonnetz 1881, das über ein Fernsprechamt mit Vermittlung verfügte: Börsen, Banken, Fabriken, Geschäfte und ein Hotel. Im selben Jahr wurde, ebenfalls in Berlin, die erste Telefonzelle – ein sogenannter Fernsprechkiosk – aufgestellt. Privat telefoniert wurde anfangs nur in der höheren Gesellschaft.
1889 erfand der damals 50-jährige Amerikaner Almon Brown Strowger den elektromechanischen Hebdrehwähler – also die gute, alte Wählscheibe. Heute ist sie Geschichte; damals brandneu ermöglichte sie die Einrichtung der ersten automatischen Telefonvermittlungsstellen. Die erste öffentliche Vermittlungsstelle mit Wählbetrieb in Europa wurde am 10. Juli 1908 in Hildesheim mit 900 Teilnehmern in Betrieb genommen. Diese konnten durch die Wahl der Ziffern im Ortsbereich die Verbindung selbstständig herstellen.
1914 zählte man in Deutschland bereits 1,5 Millionen Fernsprecher. Ab 1918 testete die Berliner Firma Dr. Erich F. Huth GmbH mit Unterstützung des Reichspostministeriums erstmals Mobiltelefone in fahrenden Eisenbahnzügen auf der militärischen Bahnstrecke Berlin-Zossen. Acht Jahre später konnten die zivilen Fahrgäste in der 1. Klasse auf der Strecke Berlin-Hamburg bereits drahtlos telefonieren. Als Sende- und Empfangsantennen fungierten Drähte auf den Waggondächern sowie am Gleis. Schließlich wurde am 1. März 1936 auf der Frühjahrsmesse in Leipzig das erste funktionierende Bild-Telefon vorgestellt. Es wurde von Dr.-Ing. Georg Oskar Schubert, seinerzeit 36, entwickelt. 1938 richtete die Reichspost erstmals einen öffentlichen Bildfernsprechdienst zwischen Berlin, Nürnberg und München ein.
Mobilnetz sorgt für weitere Revolution
1989 waren in der Bundesrepublik mehr als 21 Millionen Hauptanschlüsse in 99,3 Prozent aller Haushalte registriert – gegenüber 1,9 Millionen Anschlüssen in 16 Prozent der DDR-Haushalte. Die eigentliche Revolution in der jüngeren Geschichte aber wurde von dem Wunsch ausgelöst, überall und zu jeder Zeit erreichbar zu sein. In den Jahren 1987 bis 1993 führte die Bundespost/Telekom die ISDN-Technik ein und läutete 1992 mit dem digitalen Mobilfunknetz ein neues Zeitalter ein. 2004 telefonierten bereits mehr als 70 Millionen Deutsche mobil. Heute nutzen weltweit Milliarden von Menschen das Handy zum Telefonieren. Der klassische Festnetzanschluss muss sich aber nicht nur gegen Handy und SMS durchsetzen. Das Internet gewinnt immer mehr Bedeutung im Alltag – auch als Übertragungsmedium der menschlichen Stimme. Die einzigartige Erfolgsgeschichte der Telefonie ist noch längst nicht an ihrem Ende angekommen.