Der 1. FC Saarbrücken landet in Halle einen hoch emotionalen Sieg. Vor der Partie gegen 1860 München fordert Coach Koschinat aber mehr defensive Disziplin.
Uwe Koschinat machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. ,,Laut“ sei er in der Halbzeit geworden, ,,sehr laut“ sogar. Der 1. FC Saarbrücken siegte am Samstag mit 3:2 beim Halleschen FC, und dennoch sah der Trainer keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. „Es ist ja schön, dass wir in jedem Spiel viele Chance kreieren, aber was bringt uns das, wenn wir uns jedes Mal mindestens zwei Stück fangen. Das hat nichts mit einer Spitzenmannschaft zu tun.“
15 Gegentore hat sein Team in zwölf Spielen kassiert, viele davon nach eigenen Fehlern. „Es hängt sicher damit zusammen, dass wir selten in der gleichen Position spielen konnten. Die Automatismen fehlen einfach. Aber wenn wir oben dranbleiben wollen, müssen wir das in den Griff bekommen“, sagte der Trainer, der in Halle auf den angeschlagenen Pius Krätschmer verzichten musste. Bei der Frage nach dem Ersatz hatte er die Wahl zwischen dem Ex-Hallenser Lukas Boeder und dem nach seiner Rassismus-Sperre wieder spielberechtigten Dennis Erdmann. Koschinat entschied sich für den kopfballstarken 1,90 Meter-Mann und wäre dafür beinahe bitter bestraft worden. Die 45 Minuten, die Erdmann auf dem Feld stand, waren ernüchternd. Kein gewonnenes Laufduell, eine indiskutable Spieleröffnung und drei kapitale Fehler, von denen zwei unmittelbar zu einem Gegentor führten. „In der ersten Halbzeit hatte ich den Eindruck, dass sich beide Mannschaften entschlossen hatten, gar nicht zu verteidigen. Ich habe selten ein Spiel gesehen, in dem es so viele Torchancen auf beiden Seiten gab. Es war einfach nur wild“, sagte Koschinat. Wild ging es bereits nach zwei Minuten zu, als es Minos Gouras fertig brachte, zweimal den einschussbereiten Sebastian Jacob zu übersehen, was der Vize-Kapitän mit einer kurzen, aber intensiven Kopfwäsche bedachte.
Danach fand Gouras kaum ins Spiel, was Koschinat so erklärte: ,,Er hat sich beschwert, dass Sebi ihn angeschrien hat. Aber er ist kein junger Spieler mehr, die Erwartungen an ihn sind gestiegen. Aus seinem Umfeld höre ich immer, dass er die Ambition hat, in der nächsten Saison Zweite Liga zu spielen. Daran muss er sich messen lassen.“
Koschinat will Erdmann nicht abschreiben: „Wird wichtige Rolle spielen“
Während Gouras diesmal in der Luft hing, schossen sich die beiden Angriffsreihen warm. Was Sebastian Jacob und Adriano Grimaldi auf der einen und Terence Boyd sowie Michael Eberwein auf der anderen Seite ablieferten, war bemerkenswert. „Der Gegner hat eben auch Qualität. Das muss man berücksichtigen“, sagte Koschinat, der aber ein Sonderlob verteilte: „Sebastian Jacob hat ein sensationelles Spiel gemacht.“ Der 28-Jährige war Wegbereiter des 1:0, als er einen Elfmeter herausholte, den Grimaldi verwandelte. Das 2:2 kurz nach der Pause erzielte er selbst und den 3:2-Siegtreffer von Grimaldi nach Flanke von Dominik Ernst leitete er mit einem starken Diagonalball selbst ein. Dazwischen lagen aber auch die speziellen 90 Sekunden von Dennis Erdmann. Eine Minute vor der Pause machte er die Schussbahn frei und irritierte Torwart Daniel Batz derart, dass dieser nur noch abklatschen konnte. Eberwein nahm die Einladung dankend an. Und als sich die Zuschauer schon Richtung Bierstand aufmachten, vertändelte Erdmann völlig unbedrängt einen Ball, den Boyd anschließend in den Winkel nagelte. „Beim Ausgleich hänge ich mit drin, weil ich den Ball nach vorne abwehre. Aber ich sehe ihn auch erst den Bruchteil einer Sekunde vorher. Wir haben im Training angesprochen, dass wir uns in die Bälle werfen und Dennis dreht sich weg. Das war sehr unglücklich. Beim zweiten Tor muss man auch sagen, dass Boyd brutalen Abschluss hat. Für Dennis war es heute kein leichtes Spiel. Wir müssen ihn jetzt unterstützen“, sagte Batz und erhielt Zustimmung von seinem Trainer, der vor der Partie angekündigt hatte, die Personalie Erdmann auf seine Kappe zu nehmen. „Es hat gemenschelt bei ihm. Er will immer der harte Typ sein. Aber das war er heute nicht. Ich glaube dennoch, dass der Spieler mit seiner Mentalität und der Art zu verteidigen, für uns eine wichtige Rolle spielen wird“, sagte Koschinat, der nach dem Wechsel Neuzugang Boeder brachte. Der 24-Jährige spielte an alter Wirkungsstätte unaufgeregt und souverän. „Für mich war es wichtig, dass ich im Saarlandpokal Spielpraxis sammeln konnte. Ich habe mich gut gefühlt, und es ist umso schöner, dass wir gewonnen haben“, sagte Boeder, der nach seinem couragierten Auftritt gute Chancen haben dürfte, am Samstag gegen 1860 München von Beginn an zu spielen.
Die Defensive ist das große Manko des FCS, und kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. Steven Zellners Reha verläuft nicht ohne Probleme, wie der Trainer einräumte. „Nicht das operierte Knie, sondern das andere schlägt manchmal an. Dabei sind wir bei ihm noch nicht in der hohen Belastung. Wir müssen davon ausgehen, dass es bis Januar dauern wird, bis er voll da ist“, sagte Koschinat. Wesentlich besser sieht es derzeit in der Offensive aus.
Sturm-Tank Adriano Grimaldi nähert sich seiner Bestform. „Vielleicht ist es einfach so, dass ich auch jetzt wieder Vertrauen in meinen Körper habe, auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass ich den Trainer gebeten habe, mich nach 80 Minuten auszuwechseln. Zum Glück hat er nicht auf mich gehört“‘, sagte der Doppeltorschütze lachend.