Es ist ein nahtloser Übergang von der Bundestags- zur Landtagswahl im Saarland. Die Karten sind neu gemischt, die Parteien im Land stellen sich auf. Parteitage im November setzen erste Signale.
Wahlen finden in Etappen statt. Sichtbarer Auftakt für Wahlkämpfe sind üblicherweise Parteitage, auf denen das bis dahin in der Regel bereits bekannte Spitzenpersonal offiziell von der Partei bestätigt wird und bei der Gelegenheit auch schon mal die zentralen Themen und Positionen nennt, um die es dann gehen soll. Solche ersten Startschüsse in den Landtagswahlkampf wollen die derzeitigen Regierungspartner SPD und CDU Mitte November auf ihren Parteitagen abgeben. Viereinhalb Monate sind es dann bis zur Landtagswahl am 27. März. Im politischen Geschäft ist das eine halbe Ewigkeit, in der Entwicklungen noch viele Drehs und Wendungen bringen können. Die letzte Bundestagswahl hat das noch einmal eindrucksvoll gezeigt. Diese Bundestagswahl und die nun als ziemlich sicher anzunehmende erste „Ampel" auf Bundesebene haben bekanntlich auch viel Bewegung in die saarländische Polit-Landschaft gebracht. Und das mit vielen unterschiedlichen Facetten. Was das wirklich für die erste Landtagswahl nach dem Regierungswechsel in Berlin bedeutet, ist derzeit noch nicht so richtig auszumachen. Natürlich sieht sich die SPD stimmungsmäßig mehr als ermutigt. Die CDU wird sich überlegen, wie sie sich möglichst von der Entwicklung der Bundespartei abkoppeln kann. Die Liberalen müssen eigentlich erst mal nur Ruhe bewahren. Die AfD hat offensichtlich im Saarland eine Kernwählerschaft gefunden, Grüne und Linke sind ohnehin hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Damit zeichnet sich ab, dass sich alles auf die Ministerpräsidenten- oder Ministerpräsidentinnen-Frage und damit das Duell der beiden derzeitigen Koalitionspartner konzentrieren wird. Eine Ausgangslage, die nach allen Erfahrungen einerseits für Interesse und Mobilisierung sorgen kann, andererseits ebenfalls nach bisherigen Erfahrungen für die kleineren Parteien einen schweren Stand bedeutet. Bei einer derart absehbar auf Personen zugeschnittenen Wahl dürfte es im Wesentlichen darauf ankommen, wem die Saarländerinnen und Saarländer am ehesten zutrauen, mit den Herausforderungen, vor – oder besser: in denen – das Land steht, klarzukommen. Und diese Herausforderungen als massiv zu beschreiben, dürfte nicht übertrieben sein. Die Überschriften dazu sind hinlänglich bekannt. Zentral geht es um den Wirtschaftsstandort in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, um Arbeitsplätze auf der einen und gleichzeitig einen zunehmenden Fachkräftemangel auf der anderen Seite, also schlicht um die Zukunft als Industrieland, das sich auch in der Struktur breiter aufstellt, mit zukunftsweisenden wissenschaftsbasierten Leuchtturmprojekten, aber auch als touristische Destination.
Das Land steht vor massiven Aufgaben
Zugleich steht das Land mitten in einer demografischen Herausforderung mit umfassenden Folgen auf allen politischen Ebenen, angefangen bei den kommunalen Entwicklungen über die Gesundheitsversorgung (Krankenhauslandschaft) bis zur allgemeinen Infrastruktur. Klimaschutzpolitik ist im Saarland untrennbar mit Fragen der Industriepolitik verknüpft. Abgesehen davon, dass der Streit um den Ausbau der Windenergie schon zum Dauerinventar politischer Auseinandersetzungen geworden ist. Bildungspolitik ist in Landtagswahlkämpfen immer ein Thema, nicht nur, weil es eines der Politikfelder in Länderkompetenz ist, sondern schlicht ein Thema, das letztlich irgendwie alle direkt oder indirekt betrifft. Mit den Lehren und Erfahrungen der Pandemiezeit gibt es genügend Ansatzpunkte, um auch bei dieser Wahl darüber zu diskutieren, wie und wohin sich Schule entwickeln muss. Etwas wahlkampfsperriger, aber für die Zukunft des Landes umso wichtiger, sind die Finanzsituationen von Kommunen und Land. Die lange geforderte zweite Hälfte der Entschuldung der Kommunen durch den Bund, nachdem das Land eine Hälfte im Saarlandpakt gestemmt hat, ist eine Sache der Koalitionäre in Berlin. Im Land selbst dürfte der Schuldenstand pandemiebedingt von 14 auf 16 Milliarden Euro wachsen, und wie es mit der Schuldenbremse, die derzeit ausgesetzt ist, weitergeht, ist auch noch unklar. Darüber wird zwar nicht bei der Landtagswahl entschieden, aber den Menschen im Land sind diese Rahmenbedingungen für die Landespolitik sehr wohl bewusst. Parteien haben sich ohnehin in der jüngsten Vergangenheit angewöhnt, möglichst nichts mehr in Programme zu schreiben, was nicht zumindest eine gewisse Chance hat, finanziert werden zu können. Damit sind die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklungen des Landes skizziert.
Die Chancen der Parteien zum jetzigen Zeitpunkt einzuschätzen, wäre ziemlich spekulativ. Die Ergebnisse der Bundestagswahl geben zwar einige Hinweise darauf, was möglich ist, sind aber wegen einer Reihe besonderer Bedingungen nicht einfach hochzurechnen. Die CDU verliert im Gleichklang mit dem Bundesergebnis (-8,8), die SPD gewinnt deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, vergrößert damit den traditionell üblichen Vorsprung von etwa zehn Punkten über dem der Bundespartei. Die Linke liegt ebenfalls über dem Ergebnis der Bundespartei, FDP und AfD jeweils gleichauf mit dem jeweiligen Bundesergebnis, für die nicht im Landtag vertretene FDP ein enormer Sprung. Das relativiert sich alles alleine schon deshalb, weil die Grünen keine gültige Landesliste zustande gebracht haben.
Über Chancen lieber nicht spekulieren
Der massive Vertrauensverlust, den sich die Grünen durch ihre andauernden und sich dem Anschein nach noch verschärfenden internen Auseinandersetzungen zuzuschreiben haben, dürfte, selbst wenn der geplante Parteitag im November in Ruhe über die Bühne gehen sollte, kurzfristig kaum wieder gutzumachen sein. Zudem will eine neue Öko-Liste („Bunt.Saar – Sozial-ökologische Liste") antreten. Mögliche Verschiebungen dadurch sind unkalkulierbar. Wie sich die Stimmungslagen nach der Bundestagswahl und angesichts der saarlandspezifischen Besonderheiten im Blick auf die Saarlandwahl sortieren, ist noch nicht so recht auszumachen. Für die Menschen im Land ist die Wahl noch sehr weit weg. Viel wird davon abhängen, wie sich die Ampelverhandlungen in Berlin entwickeln. Die nächsten Umfragen werden damit eher widerspiegeln, wie die Menschen im Land die erste Zeit nach der Ära Merkel wahrnehmen. Den Menschen im Land geht es nicht viel anders als dem politischen Personal nach dieser Bundestagswahl. Der sich abzeichnende Stimmungstrend ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. Bis zur Landtagswahl ist noch viel Bewegung drin.