Viele Fußballer träumen davon, einmal ihren Vorbildern in die Augen sehen zu können. Für Jan Stemmler gehört das zum Job dazu. Der Saarländer ist einer der bekanntesten Youtuber Deutschlands.
Als die Großmutter ihren Enkel eines Morgens in einer Jogginghose der „Freekickerz" auf dem Werbeprospekt eines großen Discounters erblickte, da wusste sie, dass es ernst ist. „Vorher hat sie doch ein paarmal gesagt, ich solle doch was Anständiges lernen", sagt Jan Stemmler lachend. Angefangen hat alles auf dem Sportplatz in Fürth. Wohlgemerkt dem Stadtteil von Ottweiler im nördlichen Saarland, nicht etwa dem heutigen Bundesligastandort in Franken. Vor fast zehn Jahren fragte der Torwart, ob er einfach mal mitkicken darf. Schon damals waren die „Freekickerz" eine bekannte Truppe, die mit Videoclips auf Youtube für Aufsehen sorgte. Initiator war der damalige Student Konstantin Hert, der heute in der Region Stuttgart lebt und von Branchenkennern als „Internetmillionär" bezeichnet wird. So weit ist „Mitspieler" Jan Stemmler noch nicht.
Von Buffon schwer beeindruckt
Der 26-Jährige hat eine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen und anschließend ein Marketing-Studium begonnen. „Aber das war mehr alibimäßig, weil ich nicht genau wusste, wo die Reise hingehen wird", sagt der Torwart, der den Kennern der saarländischen Amateurszene als Schlussmann des Saarlandligisten Saar 05 Saarbrücken bekannt ist. Mittlerweile ist Stemmler ein hauptberuflicher „Freekicker", und es ist ihm fast ein bisschen peinlich, wenn man ihn darauf anspricht. „Man kann gut davon leben, auch wenn ich natürlich noch nicht so weit bin wie ,Konsti‘ Hert." Die Freekickerz sind sechs Fußballer, die auf Einladung von Sportartikelherstellern und anderen Sponsoren zu den ganz Großen im Fußball reisen, um dort Videos für Youtube, Instagram und Facebook zu drehen. Zwei stammen aus dem Saarland, die anderen aus Nordrhein-Westfalen oder eben Baden-Württemberg.
Mehr als acht Millionen Nutzer haben mittlerweile den Youtube-Kanal der „Freekickerz" abonniert, auf Instagram folgen ihnen mehr als 1,7 Millionen Fans. Zum Vergleich: Den Youtube-Auftritt des größten saarländischen Vereins 1. FC Saarbrücken haben bisher lediglich 6.400 Menschen abonniert. Die Folge: Jan und seine Kumpels reisen durch die Fußball-Welt und drehen mit den Stars. Wenn mehrere Millionen Fans sich diese Filme anschauen, ist das beste Werbung für Nike, Puma, Adidas oder andere Sponsoren. Noch immer beeindruckt ist Stemmler von dem Dreh mit dem Italiener Gianluigi Buffon, der für viele Experten als bester Torwart aller Zeiten gilt. „Wir haben mit ihm in Turin auf Einladung von Puma gedreht. Er ist gekommen und hat jeden umarmt. Er ist ein sensationeller Typ", sagt Stemmler. In dem Video werfen Buffon und drei Freekickerz auf einen Gong, der im Tor hängt. Eine Challenge, die der mehrfache Welttorhüter klar für sich entscheidet. 92 Dezibel kitzelt er aus der Metallscheibe raus, Stemmler erreicht 89. „Man sollte die Resultate nicht zu ernst nehmen. Buffon war damals noch Profi, es ist klar, dass er sich nicht verletzen darf", sagt Stemmler.
Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist ihm auch der Dreh mit Manuel Neuer. Der sei „unglaublich unaufgeregt" gewesen, sagt Stemmler. „Ich bin der Manu", waren die Worte, und abseits des Drehs konnte sich der Saarländer drei Stunden lang mit seinem großen Vorbild austauschen. Das Bilder-Archiv des 26-Jährigen erinnert teilweise an ein Panini-Album vor einer Weltmeisterschaft. Neuer, Buffon, Lewandowski, Özil und andere. Und immer mittendrin Jan Stemmler. Im vergangenen (Corona)-Jahr nahmen die Freekickerz an einem Turnier in Barcelona teil. Die Mannschaft wurde kurzerhand durch saarländische Amateurspieler wie Max Blug oder Jesko Freiler (beide in der Verbandsliga aktiv) verstärkt. „Aber nicht nur für die war es ein unfassbares Erlebnis. Jeder kleine Junge hat doch mal den Traum, in einem solchen Stadion aufzulaufen. Leider durften keine Zuschauer dabei sein und wir konnten uns aufgrund der Corona-Situation auch nicht in den Katakomben umziehen", bedauert Stemmler. Die Pandemie hat auch den Alltag der „Freekickerz" geprägt. Die Anfragen für Drehs seien etwas rückläufig gewesen, erklärt der 26-Jährige: „Das ist auch verständlich. Das Infektionsrisiko sollte gering gehalten und allzu große Reisetätigkeiten vermieden werden. Es bleibt uns die Hoffnung, dass es im neuen Jahr wieder besser wird."
„Hoffnung, dass es wieder besser wird"
Stemmlers Aktivitäten rufen allerdings auch Neider auf den Plan. „Im Liga-Alltag kommt schon mal der eine oder andere dumme Spruch", sagt der 26-Jährige. Dafür ist ihm die Unterstützung seiner Teamkollegen bei Saar 05 gewiss. „Ich habe der Mannschaft natürlich auch schon ein paar Sachen besorgen können", erzählt Stemmler lachend, „aber das ist natürlich auch eine kleine Entschädigung dafür, dass öfters mal eine Kamera auf dem Platz steht." Der Spagat zwischen dem erfolgreichen Fußball-Influencer und dem Amateur-Kicker ist dabei nicht immer einfach. „Meine Hinrunde war ausbaufähig. Da habe ich schon einen anderen Anspruch an mich. Es ist aber auch meine erste Saison in der Saarlandliga. Ich kann und muss mich aber dennoch steigern", sagte er frank und frei. Eine große Stütze ist ihm dabei Saar-Torwarttrainer Marc Birkenbach, früher Profi beim 1. FC Saarbrücken. Mit dem aktuellen Torwart des Drittligisten Daniel Batz hat Stemmler mittlerweile Kontakt. „Je nachdem wie es die Corona-Lage zulässt, wollen wir mal gemeinsam trainieren", verrät er, der bei Heimspielen der Blau-Schwarzen völlig entspannt mit Bier und Wurst im Fan-Block steht: „Da gab es schon ein paar Jungs, denen fast die Augen aus dem Kopf gefallen sind. Die wollten dann auch unbedingt ein Foto machen." Ganz ähnlich erging es Stemmler, als er nach einem Dreh in München plötzlich, den nur mit einem Handtuch bekleideten Robert Lewandowski auf dem Flur traf. „Er hat die Dusche nicht gefunden und mich ganz locker nach dem Weg gefragt", erzählt Stemmler. Es sind Momente wie diese, in denen ihm immer bewusst wird, dass aus den „Freekickerz" längst ein ernstzunehmendes Geschäftsmodell geworden ist, das sogar über eine eigene Sportkollektion verfügt. Und seitdem Jan für ein Werbeprospekt Modell gestanden hat, hat es auch die eigene Großmutter verstanden.