Eigentlich sollte man meinen, man könne Leitungswasser unbesorgt trinken. Doch mit jedem Liter Wasser nehmen wir Mikroplastik zu uns. Das Start-up „Klar2O" will mit einem Filter Plastikpartikel entfernen. Geschäftsführer Fähzan Ahmad spricht mit uns über die Technologie.
Fähzan Ahmad (27) geboren in Bruchsal, Gründer und Inhaber des Start-ups Klar2O GmbH, hat zunächst an der Universität Ulm Biochemie studiert und anschließend an der Universität Heidelberg seine Bachelorarbeit in der Krebsforschung geschrieben, ehe er an die Universität des Saarlandes wechselte. Von 2017 bis 2020 studierte er in der saarländischen Landeshauptstadt und schrieb seine Masterarbeit über die Makrophagen-Repolarisation im Tumor. Daneben legte er an der Uni Luxemburg ein Auslandssemester ein – und vertiefte dort sein Wissen im Master in Sustainable Water and Resource Management. An seiner Studienzeit in Saarbrücken schätzte er, wie er sagt, „die familiäre Atmosphäre und dass viele Dozenten immer ein offenes Ohr für Ihre Studierenden haben". Die Idee seines Mikroplastikfilters für Trinkwasser stellte Fähzan Ahmad erst einem Dozenten vor – danach ging er mit seinem Konzept zum Starterzentrum an der Uni des Saarlandes. Über die Teilnahme am Saarland Accelerator-Programm, einer Initiative der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer, lernte er innerhalb von drei Monaten sein Start-up Klar2O aufzubauen. Das Unternehmen wurde von der FMC Beteiligungs KG Bremen mit circa 1,1 Millionen Euro finanziell unterstützt.
Herr Ahmad, Sie sind Gründer des Start-ups Klar2O und haben den weltweit ersten Mikroplastikfilter entwickelt mit dem das Trinkwasser frei von Plastikteilchen werden kann. Man hört immer wieder, dass unser Leitungswasser das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt ist. Was hat Sie dazu gebracht, diesen Filter herzustellen?
Es ist richtig. Das Trinkwasser ist in Deutschland sehr gut kontrolliert. Dem würde ich nicht widersprechen. Vor einigen Jahren, als ich noch an der Uni studierte, bin ich mit der Annahme konfrontiert worden, dass über das Trinkwasser Mikroplastikteilchen in den menschlichen Körper gelangen können. Mikroplastik sind Plastikstücke, die laut einer Definition des Umweltbundesamtes kleiner als fünf Millimeter sind. Damit verbunden war natürlich auch die Frage, was diese Partikel auslösen können, wenn sie in Kontakt mit den Körperzellen kommen. Inflammatorische, also entzündungsauslösende Gene, könnten dadurch aktiviert werden – zum damaligen Zeitpunkt war das eine Theorie, die sich später als real herausstellte.
Ich habe mir davon ausgehend Gedanken gemacht, was wäre, wenn Moleküle fälschlicherweise als Signalmoleküle oder Hormone erkannt werden und dann falsche Signale aussenden können. Kurz darauf ist bekannt geworden, dass Mikroplastik in unserem Körper Hormonstörungen auslöst. Das war für mich der initiale Moment, in dem wir erkannten: Mikroplastik schädigt den Körper.
Das heißt Sie trinken weiterhin – trotz Wissens um die Mikroplastik-Problematik – Leitungswasser?
Ich trinke trotzdem weiter Leitungswasser, weil es schlichtweg nicht viele andere Optionen gibt. Noch einmal: Unser Trinkwasser ist sehr gut reguliert, aber den Aspekt des Mikroplastiks hatte lange Zeit niemand auf dem Schirm. Dementsprechend zählt das Herausfiltern von Mikroplastik aus dem Trinkwasser nicht zu den gängigen Regulierungskriterien.
Wir haben mit dem Klar2O-Filter sehr lange Plastik-Analysen laufen lassen und wissen, wie schwer der potenzielle Nachweis ist. Im Nanobereich Mikroplastik zu messen, also Teilchen mit einer Größe kleiner als einen Mikrometer, ist bislang sehr schwierig. Hinzu kommt, dass es dafür nicht sonderlich viele Analyselabore gibt. Wir wissen aber, dass sie im Wasser enthalten sind, daher wollen wir sie rausfiltern.
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik hat 2018 bestätigt, dass größere Plastikteilchen von unserem Körper besser erkannt werden als kleinere. Die großen Teilchen werden von uns aussortiert, die kleinen Teilchen bleiben in einem bestimmten Maße in unserem Körper.
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik hat errechnet, dass 300.000 Tonnen Kunststoffpartikel jedes Jahr in die Umwelt gelangen und teilweise auch in unser Abwasser. Das Problem dabei ist, dass wir pro Liter Wasser 325 Plastikpartikel zu uns nehmen. Inwieweit kann das unsere Gesundheit schädigen?
Die Mikroplastik-Thematik war vor einigen Jahren noch hochaktuell. Damals war man sich noch nicht im Klaren über die möglichen gesundheitlichen Schäden. Inzwischen sind vom Umweltbundesamt viele Studien in Auftrag gegeben worden. Dabei hat man unter anderem herausgefunden, dass Mikroplastik die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen, sich in Leber, in Lunge und in Nieren oder auch zwischen den Zellen des menschlichen Körpers ablagern kann. Pauschal gesagt: In unserem Körper lagern sich Mikroplastikteilchen ab. Eine Studie der Uni Wien hat seinerzeit belegt, dass viele entzündungsauslösende Gene eingeschaltet werden und Mikroentzündungen im Körper verursachen. Warum ist das so? Weil der Körper mit einem Schadstoff in Berührung kommt.
Ein weiterer Punkt: Wenn Plastikpartikel in der Größe von einem bis zehn Mikrometern mit der Haut in Kontakt kommen, gerät die Zellmembran unter starke Spannung, und es können Entzündungsreaktionen ausgelöst werden.
Teilen Sie die Einschätzung, dass die Mikroplastik-Thematik zunehmend an größerer Bedeutung gewinnen wird?
Das Thema hat ohnehin eine sehr hohe Relevanz und ich denke, dass zumindest bei uns die Relevanz größer werden wird, wenn man die negativen Auswirkungen von Mikroplastik für unseren Körper und die Umwelt genauer untersucht. 2018 hatte Plastik und Mikroplastik die meisten Schlagzeilen in den Medienberichten hierzulande. Wenn angesichts dieser Thematik ein Umdenken einsetzt, werden erst dann Studien gestartet. Und deren Ergebnisse werden gerade nach und nach veröffentlicht.
Wie funktioniert die Filtertechnologie?
Der Klar2O-Filter unterscheidet sich in puncto Optik nicht von anderen Wasserfiltern. Im Innern des zylinderförmigen Filters sorgen kleine Kügelchen mit einer biochemischen Beschichtung dafür, dass die Plastikpartikel aus dem Trinkwasser herausgezogen werden. Man kann sich das vereinfacht so vorstellen: Unzählige winzige Greifarme, die sich auf der Oberfläche der Kügelchen befinden, halten das Mikroplastik fest umschlossen. Die Kugeln selbst bestehen aus Siliziumdioxid. Uns ist ein wichtiges Anliegen, dass der ganze Filter plastikfrei und recycelbar ist.
Wie werden die gefilterten Plastikteilchen anschließend entsorgt?
Denkbar sind zwei Modelle der Entsorgung: Dadurch, dass eine Beschichtung bei der Filtrierung zum Einsatz kommt, können wir das Mikroplastik wieder von der Beschichtung lösen. Danach wären die Kügelchen regeneriert und könnten wiederverwendet werden. Das könnten wir Großkunden anbieten. Angenommen ein Großkunde kauft von uns einen Filter und lässt die Kügelchen einmal im Monat regenerieren, könnte das abtrünnige Mikroplastik in einem Extrabehälter gesammelt und recycelt werden.
Im zweiten Modell käme eine Kartusche zum Einsatz. Wenn der Filter sozusagen mit Plastikpartikeln voll wäre, könnte man die gesamte Kartusche entsorgen. Auch diese Lösung wäre nachhaltig, weil das herausgefilterte Plastik recycelt werden könnte.
Und mit dieser Technologie funktionieren alle Prototypen des Mikroplastik-Filters?
Aktuell ist schon die dritte Generation der Prototypen von uns entwickelt worden. Die erste Generation hatte eine Beschichtung und unsere letzte jüngste Generation circa vier verschiedene Mikroplastik bindende Beschichtungen beziehungsweise Mechanismen.
Wo könnte der Mikrofilter überall zur Anwendung kommen?
Bis jetzt noch nirgendwo, aber wir sind aktuell in Gesprächen mit den größten Filter-Firmen in ganz Deutschland. Wir haben uns zum einen überlegt ein Hausfiltermodell anzubieten – entweder für die Hausleitung oder einen Unterwasserfilter für den Wasserhahn. Das zweite Produkt wäre ein Filter für Wasserabfüller-Großanlagen als Upscale. Kürzlich wurden wir angesprochen von einem Filterhersteller, der Wasserfilter für Krankenhäuser verbaut. Auch hier sehen wir eine mögliche Anwendung darin, wenn langfristig die Trinkwasserspender, beispielsweise im Einzelhandel und in Unternehmen, mit Mikroplastik-Filtern ausgestattet werden.
Soll heißen: Aktuell gibt es noch keine Kooperationspartner, aber schon viele Interessenten?
Wir wissen momentan noch nicht, in welchen Geschäftsbereich wir als Erstes reingehen – in den Hausfilter, in den Wasserspender oder in den Unterwasserfilter. Deshalb laufen zurzeit noch die letzten Tests. Das sind normale Wasser-Tests, die jeder Filter durchlaufen muss. Danach würden wir auf die Kunden zugehen und bestenfalls die ersten Kunden beliefern. Im Übrigen sind wir unlängst mit der Universität Luxemburg eine feste Kooperation für Wasserfilter-Neuentwicklungen eingegangen.
Ihre Vision für die Zukunft ist plastikfreies Trinkwasser und damit eine bessere Gesundheit für jeden Einzelnen. Welche Rolle sollte der Klar2O-Filter dabei spielen?
Wir denken, dass wir mit den Coatings, also der biochemischen Beschichtungs-Technologie, die Wasserfiltration revolutionieren können. In den letzten 20, 30 Jahren waren ausschließlich Membran- und Poren-Filter am Markt. Zwar haben wir angefangen mit Mikroplastik, aber unser nächstes Ziel ist darüber hinaus noch Endotoxine, Schwermetalle, Hormone und Antibiotikareste herauszufiltern – kurz: alles was toxisch ist. Dafür ist, davon bin ich überzeugt, die Coating-Technologie bestens geeignet. Langfristig wünsche ich mir, dass, wenn man das Klar2O-Label sieht, man sich sicher sein kann, dass das Trinkwasser plastikfrei – und hoffentlich in Zukunft auch schwermetall- und hormonfrei ist und für gesundes Wasser steht.