Der Krieg in der Ukraine zeigt massive wirtschaftliche Auswirkungen. In Deutschland steigende Benzinpreise sind nur die Spitze des Eisbergs. Russischstämmige Bankkunden müssen ihren Aufenthaltsstatus nachweisen.
Mehr als zwei Euro für einen Liter Diesel, während Benzin sogar noch etwas billiger ist – der Krieg in der Ukraine verlangt auch den Deutschen immer mehr Opfer ab. Haupttreiber des bisherigen Anstiegs an der Zapfsäule waren die internationalen Ölpreise, die im Zuge des Krieges in der Ukraine nach oben schossen. Zwischenzeitlich schmolz ein großer Teil des Preissprungs wieder ab, zog dann jedoch wieder an. Der momentan starke Dollar verstärkt den Effekt der steigenden Ölpreise noch einmal, da Öl in Dollar gehandelt wird und deutsche Käufer in Euro bezahlen. Hinzu kommt, dass der Dieselpreis durch eine hohe Nachfrage nach dem ähnlichen Heizöl weiter angetrieben wird und Importeure die Einfuhr von Diesel aus Russland zurückfahren – sie weigern sich schlicht, einen Großteil der russischen Ölexporte zu kaufen und zu verkaufen, obwohl sie gemäß der weltweiten Sanktionen dürften. Damit sitzt Russland laut „Forbes" auf nahezu zwei Millionen Barrel unverkäuflichen Rohöls – täglich.
Opec sperrt sich gegen Förderplus
Zwar könnten die ölfördernden Staaten der Opec ihrerseits die Fördermenge erhöhen, um den Preis zu dämpfen. Dem US-amerikanischen Vorstoß in diese Richtung hat die Opec aber bereits eine Absage erteilt. Grund dafür: Viele Länder sind schon jetzt nicht in der Lage, die von der Organisation der erdölfördernden Länder vorgegebenen Förderquoten zu erfüllen. Auch die USA kann ihre Förderung nicht ausweiten – in den Corona-Jahren sind wegen der lahmen weltweiten Nachfrage zahlreiche Fracking-Unternehmen pleitegegangen.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen, die der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auf den Rest der Welt hat, werden immer deutlicher spürbar. Aber nicht nur für deutsche Pendler. Auch russischstämmige Deutsche erleben Anfeindungen, berichten Medien, und nun auch wirtschaftliche Einschränkungen: Ihre Konten werden gesperrt. Das berichtet zumindest die politische Zeitschrift „Cicero". Außerdem versenden deutsche Banken wie die Postbank Schreiben, wonach russischstämmige Personen ihren Aufenthaltstatus nachweisen müssen, um weiterhin alle Dienstleistungen uneingeschränkt nutzen zu können – ausgenommen jene Namen, die in den Sanktionsdatenbanken der Bundesbank auftauchen.
„Wir setzen die verhängten Sanktionen und sonstigen Maßnahmen unverzüglich und vollständig um", so Unternehmenssprecher Tim Rehkopf von der Deutschen Bank/Postbank. „Sofern Kund*innen unter die Sanktionsbedingungen der EU und Bundesrepublik Deutschland fallen, werden die vorgegebenen Maßnahmen, beispielsweise die Kontosperrung ab einer entsprechenden Guthabengrenze, angewendet." Diese Guthabengrenze liegt bei 100.000 Euro laut des Sanktionsregimes der Bundesbank. „Deutsche Bank und Postbank informieren betroffene Kund*innen schriftlich und helfen individuell weiter, um etwaige Maßnahmen wieder aufzuheben, zum Beispiel nach erforderlicher Übersendung von Aufenthaltserlaubnissen."
Die Sparkassen im Saarland beispielsweise aber sagen, die von russischstämmigen Privatkunden geführten Konten seien grundsätzlich nicht gesperrt. „Es sei denn, es handelt sich um eine Person, die auf einer von der EU veröffentlichten Sanktionsliste geführt wird", so Benjamin Kirsch vom Sparkassenverband Saar. Überweisungen an Personen, Unternehmen, Institutionen und Banken, die auf einer Sanktionsliste der EU oder der Bundesregierung stehen, würden jedoch nicht ausgeführt. „Zudem ist nicht auszuschließen, dass Korrespondenzbanken Sanktionsbestimmungen unterschiedlich auslegen." Korrespondenzbanken übernehmen Zahlungsverkehre im Ausland.
Transaktionen, die an nicht auf den Sanktionslisten enthaltene russische Institute gerichtet sind, werden unterschiedlich gehandhabt. Deren Ausführung unterliegt der individuellen Entscheidung der Sparkasse oder Landesbank. „Zahlungseingänge aus Russland sind möglich, unterlaufen allerdings einer Einzelfallbetrachtung", sagt Kirsch.
Diese Maßnahmen ergreifen deutsche Banken und Sparkassen aus Vorsicht, um sich abzusichern. Durch die Sanktionen, die auch etwa die Hälfte der russischen staatlichen Devisenreserven eingefroren haben, könnte es nun zu Zahlungsausfällen kommen, vermuten Finanzexperten. Russlands Auslandsschulden sind jedoch extrem niedrig und betragen derzeit rund 50 Milliarden US-Dollar. Eine Tranche von 100 Millionen US-Dollar Zinsen für Staatsanleihen ist im April fällig. Auf 300 Millionen US-Dollar im eigenen Land hat Russland noch Zugriff, aus diesem Topf sollen laut Agenturberichten auch die fälligen Verpflichtungen bedient werden. Wladimir Putin hat bereits ein Dekret erlassen, wonach Auslandsschulden nur noch in Rubel bezahlt werden sollen – auch eine Art Vergeltungsmaßnahme, da der Rubel aktuell nur noch 0,0082 US-Dollar wert ist.
Auch die Automobilproduktion schränkt sich ein – freiwillig, aber auch in Teilen, weil sie dazu gezwungen ist. Volkswagen etwa stellt die Produktion in seinen Werken im russischen Kaluga und Nischni Nowgorod ein und liefert keine Fahrzeuge mehr nach Russland. Ein drastischer Schritt, bedingt allerdings auch durch fehlende Teile. Mittlerweile hat der Konzern die Bestellung von Hybridfahrzeugen vorübergehend gestoppt, notwendige Kabelbäume stammten aus ukrainischer Produktion. Porsche exportiert ebenfalls keine Fahrzeuge mehr nach Russland, Mercedes und BMW haben den Export nach und die Produktion in Russland gestoppt.
Sorgen um die Weizenernte
Ausländischen Unternehmen, die sich mittlerweile aus Russland zurückgezogen haben, droht nun die Verstaatlichung. Das hat Dmitri Medwedew, Ex-Präsident und Vizechef des russischen Sicherheitsrates, bekanntgegeben. Die Firmen würden „praktisch ihre Kollektive ihrem Schicksal" überlassen, sagte Medwedew. Die russische Regierung arbeite deshalb an Schritten, um eine Insolvenz der Unternehmen und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten, sagte der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates. Noch gibt es kein Gesetz, dass die Verstaatlichung zulässt. Viele westliche Firmen hatten zunächst nur mitgeteilt, dass der Betrieb ausgesetzt werde. Von unwiderruflichem Rückzug war in den meisten Fällen nicht die Rede.
Mit Sorge betrachtet das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen die durch den Krieg steigenden Weizenpreise. Nicht nur die Versorgungslage in einigen ukrainischen Städten sei mittlerweile katastrophal. Der Weizenpreis pro Tonne hatte sich seit dem russischen Angriff um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum verteuert. Russland und die Ukraine bedienen gemeinsam etwa 30 Prozent des weltweiten Weizenmarktes. Auch Importeure von Dünger sorgen sich um die Lieferketten: Europas größter Düngemittelhersteller Yara hat die Lieferung von Produkten zur Düngemittelherstellung aus dem von Sanktionen betroffenen Belarus eingestellt. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums betreffe dies Deutschland jedoch nicht. Das Land ist durch den Kasseler Düngemittel-Riesen K+S nahezu unabhängig von Düngerimporten.
Die Bundesregierung will nun die Auswirkungen der Ölpreiserhöhung dämpfen. Generell aber dürften sich die Preise auch von Nahrungsmitteln in Deutschland in den kommenden Wochen, womöglich Monaten, erhöhen.