Mit Anke Rehlinger und Heike Becker stehen zwei Frauen an der Spitze des Saarlandes. Rehlinger ist erste SPD-Ministerpräsidentin, Becker – ebenfalls SPD – die erste Frau an der Spitze des saarländischen Parlaments.
Anke Rehlinger ist am Ziel. Die Eidesformel ging ihr schon fast routiniert über die Lippen, mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe". Wenige Minuten zuvor hatte Landtagspräsidentin Heike Becker 32 Ja-Stimmen für die 46-jährige SPD-Politikerin vermeldet, damit drei mehr, als die eigene Fraktion Abgeordnete hat. Wer in geheimer Abstimmung für Rehlinger als neue Ministerpräsidentin des Saarlandes gestimmt hat, ließ sich nach der Wahl nur spekulieren. Notwendig waren die zusätzlichen Stimmen nicht, denn die SPD verfügt seit der Landtagswahl über eine eigene absolute Mehrheit der Mandate im saarländischen Parlament.
Die Glückwünsche, vor allem die Wünsche, eine gute Hand bei der Arbeit der nächsten fünf Jahre zu haben, kamen erkennbar vielen aus dem Herzen, nicht nur den Vertretern der eigenen Partei. Das Land steht bekanntermaßen gleich vor einer ganzen Reihe großer und ernsthafter Herausforderungen, steckt teilweise, wie bei der Transformation der Wirtschaft, bereits mitten drin.
Neue Regierung mit viel politischer Erfahrung
Das hat entscheidend mit zum Wahlsieg von Anke Rehlinger beigetragen. Sie hat in den letzten Jahren als Wirtschaftsministerin zeigen können, wie sie das Land durch die Brüche und Umbrüche führen will. Dafür wollte sie die ganze Verantwortung übernehmen, das Land „von vorne führen", wie sie im Wahlkampf immer wieder betont hatte – und dafür hat sie nun den Auftrag.
Im Grunde haben sie diese Arbeit in der Vergangenheit ja schon gemacht, heißt es in ihrer Umgebung. Eine Spitze gegen den bisherigen Koalitionspartner. Rehlinger selbst hatte immer wieder die gute Zusammenarbeit auch mit dem nun Ex-Ministerpräsidenten Tobias Hans betont. Insofern ist es folgerichtig, wenn sie nach ihrer Vereidigung zur Ministerpräsidentin erklärt, es werde „keinen Bruch, aber einen Aufbruch" geben.
Ihre neue Kabinettsriege spiegelt diese Ansage. Immerhin hatte die SPD neben den bisher selbst besetzten Ministerien die anderen bislang von der CDU-geführten Häuser neu zu besetzen. Bis auf eine Ausnahme gab es keine richtig großen Überraschungen. Die Ausnahme ist der künftige Finanzminister Jakob von Weizsäcker, zuletzt Chefökonom im Bundesfinanzministerium, und mit einer Vita, die schnell erklärt, warum er zugleich die Zuständigkeit für den Bereich Wissenschaft übernimmt. Er hat die Drähte nach Berlin und Brüssel, die dem Saarland helfen sollen bei Investitionen für die Transformation.
Ansonsten setzt die neue Chefin auf bewährte Kräfte, teils in neuen Aufgaben. Christine Streichert-Clivot bleibt für Bildung und Kultur zuständig, Reinhold Jost verlässt das Umwelt- und übernimmt das Innenministerium samt Bauen und Sport. Die übrigen Ressorts werden in ihren Aufgaben teils neu zugeschnitten. Das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Frauen unter Leitung von Magnus Jung ist künftig auch für Arbeit zuständig und unterstreicht, das, indem mit Staatssekretärin Bettina Altesleben erstmals eine führende Gewerkschafterin in der Regierung sitzt. Das Umweltministerium wird künftig auch für Mobilität zuständig sein und von Petra Berg geleitet werden. Rehlingers bisheriges Wirtschaftsressort wird von ihrem bisherigen Staatssekretär Jürgen Barke geführt. Überhaupt erweist sich in den Personalbesetzungen, dass Rehlinger in ihrem bisherigen Ressort mit einem Team zusammengearbeitet hat, das jetzt auch höhere Aufgaben übernimmt, allen voran David Lindemann als Chef der Staatskanzlei und Bevollmächtigter für Europa. Erstmals gibt es mit Thorsten Bischoff auch wieder einen Bevollmächtigten beim Bund, der diese Aufgabe nicht nur neben anderen ausführen soll. Ein weiteres Signal, wie entscheidend die Verbindungen in die Bundeshauptstadt für das Saarland sind. Damit setzt Rehlinger auf ein erfahrenes Team und neue Akzente durch neue Aufgabenverteilungen. Es gibt kein Superministerium, so wie das von ihr geführte Haus in der vergangenen Legislaturperiode in der Großen Koalition war. Die SPD-Alleinregierung setzt auf Teamarbeit.
Zuständigkeiten teilweise neu verteilt
Der bisherige Koalitionspartner CDU, jetzt führende Oppositionskraft, hat sich mit Kommentierungen zunächst auffällig zurückgehalten. Andere dagegen mochten je nach Blickwinkel Licht, Schatten und Überraschungen ausmachen. In den Hochschulen zeigt man sich verwundert, dass der Wissenschaftsbereich nun beim Finanzminister angesiedelt ist, was durchaus ungewöhnlich ist. Das müsse aber nicht unbedingt ein Nachteil sein, heißt es in den Hochschulen, die sich chronisch unterfinanziert sehen und zuletzt, als Wissenschaft an die Staatskanzlei angedockt war, nicht immer ausreichend gewürdigt gefühlt hatten.
Die Unternehmensverbände begrüßen, dass Wirtschaft und Arbeit nun getrennt in unterschiedlichen Häusern sind. Eine „überfällige Korrektur",
verfolgten doch Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik oft „gegenläufige Interessen".
Die Grüne Jugend befürchtet, dass den zusätzlichen Aufgaben des neuen Umweltministeriums gerade Klima und Umweltschutz „nachrangig" würden, obwohl die SPD im Wahlkampf versprochen habe, diese Bereiche voranzutreiben. Das Fazit der Jungen Liberalen zum Kabinett: „Fortschritt sieht anders aus".
Keine Kritik gab es dagegen bei einer anderen Personalie: Heike Becker wurde einstimmig zur Landtagspräsidentin gewählt und ist damit die erste Frau in diesem Amt im Saarland. Mit 46 Jahren ebenso alt wie die Ministerpräsidentin gab sie schon bei ihrer Vorstellung die Losung aus, den Landtag zu einem offenen Haus zu entwickeln, in dem auch Bürger an der politischen Diskussion mitwirken. Damit stellt sie sich in die Folge der Arbeit ihres Vorgängers Stephan Toscani (CDU). Konkret wurde Becker dann unmittelbar nach ihrer Wahl, kündigte unter anderem ein Transparenzgesetz an und die Einrichtung eines Bürgerrates zu Fragen des Klimaschutzes.