Das Coronavirus wird vom RKI streng überwacht. In Südafrika, Brasilien und China gibt es bereits wieder neue Varianten – die sollen es aber möglichst nicht bis nach Deutschland schaffen.
Es ist Mai. Die Zahl der Neuinfizierten in ganz Deutschland sinkt allmählich. Der Inzidenzwert geht zurück. Der nächste Urlaub ist geplant. Die Menschen freuen sich auf einen Sommer ohne Maskenzwang und Abstandspflicht.
Doch Karl Lauterbach wäre nicht Karl Lauterbach, wenn er nicht bereits jetzt ein neues „Pandemiebekämpfungskonzept" in der Schublade hätte. Denn im Herbst sei wieder mit deutlich steigenden Fallzahlen zu rechnen, sagte der Bundesgesundheitsminister. Konkret soll es um die weitere Strategie für mehr Impfungen und den Impfstoffeinkauf sowie eine Anschlussregelung für Corona-Vorgaben gehen, wenn die jetzigen Regeln des Infektionsschutzgesetzes am 23. September auslaufen. Die Zeit solle jetzt auch für einen „Zwischenspurt" genutzt werden, um die digitale Ausstattung der Gesundheitsämter zu verbessern. Dafür seien 800 Millionen Euro als Förderung abrufbar.
Bei der verkürzten Quarantänezeit für Corona-Infizierte von künftig fünf Tagen empfiehlt Lauterbach dringend einen abschließenden Test, der negativ sein muss. Wie das genau geregelt wird, entscheiden die Bundesländer. Für infiziertes Personal im Gesundheitswesen ist ein solcher „Freitest" allerdings verpflichtend. Auch nach dem Scheitern einer allgemeinen Impfpflicht hält der Bundesgesundheitsminister an der Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen fest. Sie sei kein Mittel gewesen, um die allgemeine umzusetzen, sondern ein Instrument, um Menschen zu schützen, „die sich uns anvertraut haben", sagte Lauterbach. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht stehe nicht zur Disposition. Die Regelungen würden gut angenommen und geräuschloser umgesetzt als von manchen vermutet.
Gesundheitsämter digital ausstatten
Die Neuregelungen in Sachen Pandemie betreffen auch die Frage, ob es im Laufe des Jahres zu neuen Mutationen des Coronavirus kommen könnte und wie die Medizin ihnen entgegentreten könnte. Sars-CoV2 heißt auf Englisch Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2. Omikron ist eine der Varianten dieses Virus und hat die Bezeichnung BA.1. Es ist derzeit in vielen Ländern die vorherrschende Variante – seit Anfang 2022 auch in Deutschland. Über Omikron berichtete erstmals das südafrikanische Gesundheitsministerium im November 2021. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte diese Variante am 26. November 2021 für besorgniserregend.
Omikron hat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) zufolge im Vergleich zum ursprünglichen Sars-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Mutationen. Darunter sind welche, von denen bekannt ist, dass sie die Übertragbarkeit des Virus erhöhen. Bei vielen Mutationen ist die Bedeutung jedoch noch unklar. Omikron breitet sich deutlich schneller aus als die bisherigen Varianten. Von Omikron sind inzwischen drei Sublinien bekannt – Sublinie BA.1 bis Sublinie BA.3. BA.2 ist noch leichter übertragbar als die anderen beiden.
Der Virologe Christian Drosten, der sich erst kürzlich aus der Corona-Expertenkommission der Bundesregierung zurückgezogen hat, spricht von einer schleichenden Zunahme der weiteren Sublinien BA.4 und BA.5, die seit Januar in Südafrika auftauchten. Seit Mitte April habe plötzlich eine exponentielle Vermehrung eingesetzt. Es sei möglich, dass die Variante einen Vorteil in Bevölkerungen habe, in denen es keine vorhergehende BA.1- oder BA.2-Welle gegeben hat, so Drosten. Das ist in Südafrika der Fall. Entsprechend komme der nun starke Anstieg der Inzidenz durch den „einsetzenden Verlust von Übertragungsimmunität nach der BA.1-Welle im Dezember. Doch bisher sehe man glücklicherweise keine Auswirkungen auf die Krankenhaus-Einweisungen in Südafrika, „aber das könnte sich in den kommenden Wochen einstellen". BA.4 und BA.5 kommen bereits auch in Europa vor, sind bisher jedoch noch sehr selten. Mit Stand 18. April wurden in Deutschland bislang insgesamt 25 Proben der BA.5-Variante nachgewiesen.
Nach wie vor herrscht der Subtyp BA.2 vor, der auf die erste Omikron-Variante gefolgt war und noch besser übertragbar ist. Es sei möglich, dass die neuen Untertypen eine gegen andere Sars-CoV-2-Varianten aufgebaute Immunabwehr, die der Körper durch Impfung oder Infektion gebildet hat, zumindest teilweise umgehen, so die BzGA. Im Rahmen der Coronavirus-Surveillance, also der Coronavirus-Überwachung, wird bundesweit das Erbgut von Sars-CoV-2 auf Mutationen hin untersucht. Die Daten werden im Robert Koch-Institut (RKI) zusammengeführt, das die aktuellen Informationen zum Infektionsgeschehen in regelmäßigen Berichten veröffentlicht.
Daraus geht hervor, dass der Anteil aller anderen Varianten inklusive Delta, Alpha oder Gamma derzeit unter einemProzent liegt. Die gängigen Impfstoffe schützen gut bis sehr gut vor einer Infektion mit Krankheitssymptomen beziehungsweise schweren Erkrankung. Die BzGA empfiehlt in jedem Fall eine dritte oder für Risikopatienten vierte Auffrischungsimpfung, weil sie das Risiko senkt, sich zu infizieren und zu erkranken, das gilt sowohl für die Omikron- als auch für die Delta-Variante. Noch ist unklar, wie lange der Schutz dann anhält. Nicht unwahrscheinlich, dass es neben einer Grippe- auch bald eine jährliche Corona-Impfung gibt.
Jährliche Impfung gegen Corona denkbar
Lauterbachs angekündigter „Zwischenspurt" soll auch weitere Vorhaben bis zum Herbst ins Laufen bringen. Dabei geht es unter anderem um elektronische Patientenakten und E-Rezepte, die weitere Finanzierung der Krankenkassen und die vorgesehene kontrollierte Freigabe von Cannabis. Bei der Digitalisierung steht ein Durchbruch für die elektronische Patientenakte an, die 2021 als freiwilliges Angebot gestartet ist.
Seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) ihrer Krankenkassen erhalten, in der medizinische Befunde und Informationen aus vorhergehenden Untersuchungen und Behandlungen über Praxis- und Krankenhausgrenzen hinweg umfassend gespeichert werden können. Damit gerät auch ein elektronischer Impfpass ins Blickfeld, der den Fälschungen der gelben Papier-Pässe ein Ende bereiten dürfte. Die Nachfrage hält sich bei den 73 Millionen gesetzlich Versicherten jedoch in Grenzen. Die Ampel-Koalition strebt an, dass für die Nutzung das Prinzip „Opt out" kommen soll – also, dass man aktiv widersprechen muss und nicht aktiv einwilligen. Lauterbach sagte, nur dadurch sei eine breite und medizinisch gewinnbringende Nutzung möglich.
Unwahrscheinlich, dass die Kosten für das alles mit den 800 Millionen Euro, die Lauterbach für die Gesundheitsämter angekündigt hatte, abgedeckt sind. Denn die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) werden auch die Kosten für die Geflüchteten aus der Ukraine stemmen müssen. Er werde sich nicht zu einem überstürzten Gesetz drängen lassen, sagte Lauterbach. Hintergrund ist ein erwartetes Milliardendefizit bei den Kassen im kommenden Jahr. Die Gesundheit wird wohl teurer: Beitragserhöhungen sind vermutlich nicht zu vermeiden.