In fortschreitendem Alter sind die meisten Männer von Problemen beim Wasserlassen betroffen. Doch über die Miktionsstörung sprechen nur wenige und suchen sich selten ärztliche Hilfe. Häufig ist eine gutartig vergrößerte Prostata die Ursache des Übels.
Harte Männer weinen nicht. Und schon gar nicht pflegen sie gern über eine Malaise zu reden, die in irgendeiner Weise mit ihrem intimen Prunkstück in Zusammenhang gebracht werden kann. Bei der ersten Aussage handelt es sich natürlich nur um ein Klischee. Hinter der Geheimnistuerei rund um unterschiedliche Probleme beim Wasserlassen, manche Herren der Schöpfung müssen ständig, andere verspüren Harndrang, können aber nicht, wieder andere leiden unter Schmerzen bei der Blasenentleerung, verbirgt sich hingegen weitaus mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. „Einige Männer bekommen schon ab dem 40. Lebensjahr Probleme beim Wasserlassen", so der renommierte Urologe Prof. Dr. Frank Sommer, der 2005 als erster Arzt der Welt zum Professor für Männergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf berufen worden war. Doch das ist nur der Anfang, denn im Zuge des Älterwerdens sind immer mehr Herren von diesen ständigen, die Lebensqualität und schlimmstenfalls auch die Gesundheit erheblich beeinträchtigenden Beschwerden betroffen. „Mit 80 Jahren sind etwa 80 Prozent aller Männer betroffen", so Prof. Sommer gegenüber dem Magazin „Focus". Ziemlich überraschend, dass sich nur wenige Betroffene ärztlichen Rat und Hilfe suchen. Exakte Zahlen liegen zwar nicht vor, doch verschiedenen Schätzungen zufolge, begeben sich lediglich ein Drittel oder sogar nur ein Fünftel der Männer mit Miktionsstörungen in Therapie.
Eine gesunde Blase hat im Wesentlichen die Aufgabe, den von den Nieren produzierten Harn zu speichern und ihn dann über die Harnröhre abzugeben. Üblicherweise beträgt ihr Füllungsvolumen zwischen 300 und 500 Milliliter. Je nach Flüssigkeitsaufnahme meldet sie sich deshalb alle vier bis sieben Stunden, wenn sie voll ist. Der Harndrang, der durch einen Dehnungsreiz ausgelöst wird, macht dann den Gang zur Toilette unerlässlich, wo sich die Blase innerhalb von zehn bis 15 Sekunden restlos entleert, wofür sich ein Muskel des Beckenbodens entspannt und die Muskeln der Blasenwand kontrahieren. Trotz Harndrangs, und einer entsprechend vollen Blase kann ein gesunder Mensch den Zeitpunkt der Blasenentleerung, im medizinischen Fachjargon Miktion genannt, selbst bestimmen. Wie reibungslos die Miktion letztendlich funktioniert, ist vonseiten der Blase von zwei Faktoren abhängig. Zum einen vom Dehnungsvermögen und der Austreibungskraft der glatten Blasenmuskulatur, zum anderen von der Haltekraft des als Sphinkter bezeichneten Abflussventils. Dessen Steuerung unterliegt beim gesunden Erwachsenen der persönlichen Kontrolle, während die Kontraktion der Blasenmuskeln reflexartig durch das vegetative Nervensystem erfolgt und daher nicht willentlich beeinflusst werden kann. Damit die Miktion perfekt ablaufen kann, muss daher das Nervensystem die Kontraktion der Blase mit der Entspannung des Sphinkters möglichst optimal koordinieren.
Kommen wir nun zu den sogenannten Miktionsstörungen, wie die chronischen Probleme beim Wasserlassen beziehungsweise der Blasenentleerung bezeichnet werden, wobei im klinischen Fachjargon meist der englische Begriff „Lower Urinary Tract Symptom" (LUTS) gebräuchlich ist, von dem natürlich nicht nur Männer betroffen sind, sondern unter dem schätzungsweise auch jede achte Frau leidet (vor allem auch mit dem bei Männern sehr selten anzutreffenden sogenannten Blasenschmerzsyndrom oder der sogenannten interstitiellen Zystitis mit stechenden Unterleibsschmerzen und sehr häufigem Harndrang). Aber hier sollen uns im Folgenden ja nur die Herren der Schöpfung interessieren. Es gibt verschiedenste
Formen der Miktionsstörungen. Wobei am häufigsten Beschwerden sind, die sich in einer erschwerten oder unvollständigen, viel zu seltenen oder erhöhten, nicht willkürlich in Gang zu setzenden oder mit Schmerzen verbundenen Blasenentleerung äußern können. Gelegentlich werden auch Veränderungen des Miktionsvolumens unter den Miktionsstörungen subsumiert, obwohl diese als sogenannte Diurese bezeichneten Veränderungen der Harnmenge wie „Polyurie" (erhöhte Harnmengen von mehr als zwei Litern pro Tag), „Oligourie" (weniger als 0,5 Liter Harnmenge) oder „Anurie" (Harnausscheidung von weniger als 0,1 Liter) eigentlich andere Ursachen als die Blasenentleerungsstörungen haben. Grob gesagt lassen sich die Miktionsstörungen je nach Symptomen drei Gruppen zuordnen:
1. Obstruktive Miktionsbeschwerden
Obstruktive Zeichen oder Symptome gehen auf die Behinderung beziehungsweise Obstruktion (=Verlegung oder Einengung) des Harnabflusses aus der Blase hervor. Sie können sich äußern als:
• Verzögerter Miktionsbeginn
• Abschwächung des Harnstrahls
bis zum Tröpfeln
• Verlängerung der Miktionsdauer
• Nachträufeln von Urin nach
Miktionsbeginn
• Unterbewusstes Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerungsstörung
• Stottern des Harnstrahls oder mehrfache Harnstrahlunterbrechung
2. Irritative Miktionsbeschwerden
Irritativen Zeichen oder Symptomen liegt immer letztendlich eine Reizung oder Entzündung der Blase zugrunde. Diese kann sich äußern als:
• Dysurie: worunter schmerzhafter Harndrang mit erschwerter Miktion verstanden wird
• Pollakisurie: womit ein tagsüber gehäufter Harndrang mit jeweils nur geringer Blasenmengen-Entleerung verstanden wird
• Nykturie: nächtlicher Harndrang mit dringender, mehrmaliger, den Schlaf störender Miktion
• Algurie: Auftreten von Schmerzen beim Ablassen des Harnstrahls
• Strangurie: brennende, teils krampfhafte Schmerzen im Bereich der Harnröhre und/oder der Harnblase bei der Miktion, meist verbunden mit einem nicht unterdrückbaren Harndrang und der Abgabe von nur kleinsten Mengen Urins
• Imperativer Harndrang: ein nicht unterdrückbarer und nicht kontrollierbarer Harndrang, was schlimmstenfalls zu einer Form der Harninkontinenz namens Dranginkontinenz führen kann
3. Harninkontinenz
Darunter versteht man jeden ungewollten Urinabgang. Auch wenn Frauen davon deutlich stärker betroffen sind (über 20 Prozent der über 60-jährigen Frauen leiden darunter), so ist Harninkontinenz auch bei rund zehn Prozent der Herren von über 60 Jahren anzutreffen.
Die Ursachen von Miktionsstörungen bei Männern werden gemeinhin als überaus vielfältig bezeichnet und können ihren Ursprung unter anderem in der Harnblase, in der Harnröhre, in den die Blase umgebenden Geweben oder auch im Nervensystem haben. Im Wesentlichen werden aber zwei Ursachen-Arten von Blasenentleerungsstörungen unterschieden:
1. Mechanische Ursachen
Die einfache Blockade des Urinabflusses in Harnweg oder Harnröhre ist die häufigste Ursache von Miktionsstörungen. Im Bereich der Harnblase können dabei verschiedenste Faktoren eine Rolle spielen, beispielsweise Harnblasensteine, Blasen-Darm-Fisteln, Harnwegsinfekte oder Harn-Blasen-Tumore. Noch gravierender ist alles, was sich im Bereich der Harnröhre an Blockaden abspielen kann. Hier können auch Tumore oder andere Fremdkörper wie Urinsteine den Harnabfluss behindern. Doch die weitaus häufigste Ursache für Miktionsprobleme beim Mann ist die im Zuge des Alterungsprozesses ganz natürliche Volumenzunahme der Prostata. Diese gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse, im Fachjargon als sogenannte benigne Prostata-Hyperplasie (BPH) bezeichnet, kann zu einer Einengung der Harnröhre führen. Weil die Prostata die männliche Harnröhre direkt unterhalb der Blase wie ein Ring umschließt und sich durch die Volumenzunahme der Druck auf die innen durch sie durchlaufende Harnröhre erhöhen kann. „Durch diesen Druck wird der Harnstrahl schwächer man muss mehr pressen, und es dauert länger, die Blase zu entleeren", so Prof. Sommer. Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts bildet sich bei jedem zweiten Mann über 50 Jahren eine BPH aus, bei den über 80-Jährigen ist sie bei nahezu jedem vorhanden. Bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte der Betroffenen kommt es zur Ausbildung des sogenannten benignen Prostatasyndroms (BPS) mit den subjektiven persönlichen Beschwerden beim Wasserlassen wie abgeschwächtem Harnstrahl, Harndrang, nächtlichem
Toilettengang oder Restharngefühl.
2. Neurogene Ursachen
Ihr liegt eine durch neurologische Schäden verursachte Blasendysfunktion zugrunde, was sich in einer schlaffen oder spastischen Blase äußern und in Symptomen wie Überlaufinkontinenz, Harndrang, häufigem Wasserlassen oder Dranginkontinenz manifestieren kann. Bei der schlaffen Blase, die durch Schädigung peripherer Nerven oder des Rückenmarks entstehen kann, ist das Fassungsvolumen groß, der Blasendruck gering und Blasenkontraktionen fehlen. Bei der spastischen Blase als Folge von Hirnschädigung oder Rückenmarksverletzungen ist die Kapazität normal oder gering, es kommt aber zu unwillkürlichen Kontraktionen.
Diagnose und Therapie:
Die Grundlage für die Diagnose wird zunächst eine gründliche Körperuntersuchung in der Arztpraxis sein. In der Regel wird der Mediziner danach das Ausfüllen eines Beschwerdefragebogens verlangen und zudem das Führen eines sogenannten Miktionstagebuchs anraten, in dem tabellarisch Trink- und Urinmengen aufgelistet werden sollen. Im Anschluss an die körperlichen Untersuchungen folgen die Laborermittlungen samt Überprüfung der Urinkultur, bildgebende Verfahren wie Sonografie oder Zystoskopie (Blasenspiegelung), Zystomanometrie (Blasendruckmessung) oder auch die Methode der Urodynamik, bei der mittels Drucksonden und Elektroden die Funktionalität der Harnblase kontrolliert werden kann. Erste Therapieschritte können eine Reduzierung der Flüssigkeitszufuhr sein, um eine Überfüllung der Harnblase zu vermeiden, das Erstellen eines Trainingsprogramms zum Üben des willentlichen Urinierens oder das Durchführen einer Beckenbodengymnastik. Beim Vorliegen mechanischer Ursachen können Fremdkörper minimalinvasiv entfernt werden. Was auch bei benigner Prostatahyperplasie gemacht werden kann, sofern mit der Verabreichung von Medikamenten (beispielsweise Alpha-1-Rezeptor-Blocker oder 5-Alpha-Reduktase-Hemmer) nicht der erhoffte Erfolg erzielt werden konnte. Bei der medikamentösen Therapie kommen häufig auch sogenannte Anticholinergika zur Minderung der Muskelkontraktionen an der Harnblase und zur Erhöhung der Harnblasenkapazität zum Einsatz. Wodurch der Betroffene nicht mehr so häufig zur Toilette gehen muss, um seine Blase zu entleeren. Auch die Injektion von Botox kann zu einer mehrmonatigen Erweiterung der Harnblasenkapazität führen. Bei neurogenen Ursachen kann ein Blasenschrittmacher hilfreich sein, der minimalinvasiv unter die Haut implantiert wird. Auch eine Kathederbehandlung ist bei dieser Art von Miktionsstörungen gebräuchlich. Laut dem Gesundheitsportal leading-medicine-guide.de kann mithilfe der verschiedenen Therapien in 15 Prozent der Fälle von Miktionsstörungen eine vollständige Heilung erreicht und in 50 bis 70 Prozent der Fälle zumindest eine Besserung der Symptome erzielt werden.