Mit Josh Brolin als Familienoberhaupt mischt Amazon Prime in der Neo-Western-Serie „Outer Range" Science-Fiction, Familiendrama und Krimi.
Es gibt keinen Grund zur Angst." Wer regelmäßig vor dem Fernseher oder im Kinosessel sitzt, weiß: Wenn ein solcher Satz fällt, besteht Grund zur Annahme, dass das Gegenteil der Fall ist. In „Outer Range", einer Serie, die beim Streamingdienst Amazon Prime läuft, fällt dieser Satz nachts in einer Scheune in Wyoming. Eine seltsame junge Frau (Imogen Poots), die sich Autumn nennt und aus dem Nichts aufgetaucht ist, erklärt dem Farmer Royal Abbott (Josh Brolin; siehe Porträt Seite 88), der irgendwie schon immer da war, die Lage: „Irgendetwas geht hier vor sich, und es ist größer als wir beide. Und wir beide sind die einzigen, die davon wissen. Und wir können uns helfen, es zu erkennen." Einen Tag zuvor hat sie den Farmer in ein kreisrundes und offenbar unendlich tiefes Loch gestoßen, das mitten in der Prärie einfach so da ist. Was Autumn von Royal wissen will: Wie ist er da wieder rausgekommen? Was ist in dem mysteriösen Loch passiert? Und dann sagt sie diesen Satz, der erahnen lässt, dass diese Frau nicht nur Fragen stellt, sondern Teil der Antwort sein könnte: „Es gibt keinen Grund zur Angst."
Western-Drama trifft auf Mystery
Würde da nicht das große Loch einen Schlund zu was auch immer öffnen, wäre alles ganz übersichtlich in der Geschichte, die Brian Watkins, der Schöpfer von „Outer Range", erzählt: Ein reicher Farmer (Will Patton) will noch reicher werden, indem er seinem Nachbarn, einem armen Farmer (Brolin), Land wegnimmt. Die Tillersons wollen die Abbotts über den Tisch ziehen. Reiche gegen Arme, Böse gegen Gute, Unsympathische gegen Sympathische. Dann wird einer der Söhne des reichen Farmers von einem der Söhne des armen Farmers getötet. Aber wie das im amerikanischen Westen so ist: Die Familie hält zusammen, vor allem die arme. Im reichen Clan herrscht Rivalität, denn da gibt es ja auch etwas zu verteilen. Während der böse Farmer Beamte besticht, um per Gutachten die Grundstücksgrenzen zu seinen Gunsten zu verschieben, beseitigt der gute Farmer die Leiche, die seine Söhne mit nach Hause gebracht haben.
Auf der einen Ranch lebt eine fromme Farmersfrau (Lili Taylor), auf der anderen taucht eine ätzend geschäftstüchtige Ex-Ehefrau (Deirdre O’Connell) auf. Und diese fiese Mutter liebt ihren harten, geschäftstüchtigen Sohn natürlich mehr als den Weichling, der gern schmalzige Lieder singt. Dann ist da noch eine Romanze: Einer der armen Farmerssöhne, ein echter Rodeo-Held, liebt eine Bankangestellte, die eigentlich mindestens eine Liga weiter oben im Spiel des Lebens unterwegs ist. Abgerundet wird das Personaltableau der Serie durch eine Nachfahrin der Ureinwohner, die in einem von Weißen dominierten County die Wahl zum Sheriff gewinnen will. Eine Neuinterpretation von Cowboys gegen Indianer also. Das ist wenig innovativ, um nicht zu sagen: ziemlich langweilig.
Perfekt für einen Serienmarathon
Aber da ist nun mal das mysteriöse Loch – „Outer Range", im äußeren Bereich. Und es passieren Dinge im weiten Land Wyomings, die es gar nicht geben dürfte, gar nicht geben kann. Dinge, die dazu verlocken, die acht Teile der Serie in einem Marathon zu bewältigen, weil es viel zu spannend ist, als dass man bis zum nächsten Tag warten möchte. Geduld ist dennoch gefragt. Denn Amazon hat offenbar noch nicht entschieden, ob es eine oder sogar mehrere neue Staffeln geben wird. Offene Fragen, also Stoff für eine Fortsetzung, gibt es allerdings genug. Und auch Josh Brolin noch eine Weile dabei zuzusehen, wie er Royal Abbott ist, wäre sicher ein Vergnügen.
„Outer Range", das steht für das westliche Weideland der Abbotts, das der reiche Farmer Tillerson unbedingt haben will, das Land im äußeren Bereich. „Outer Range" ist diese Serie aber auch, wenn es um die Zuordnung zu einem Genre geht. Sie ist Western, Science-Fiction, Mystery, Familiendrama, Krimi und ein Hauch von Horror. Und „Outer Range" ist im äußeren Bereich unserer Vorstellungskraft. Aber auch, wenn da ein riesiges Loch ist, das vielleicht für all die Abgründe des Menschen oder womöglich auch für seine Vergangenheit und Zukunft steht: „Es gibt keinen Grund zur Angst."