Der vor 75 Jahren verstorbene Ettore Bugatti hat in seiner Manufaktur im elsässischen Molsheim eine ganze Reihe legendärer Luxuskarossen entworfen und war gleichzeitig auch einer der erfolgreichsten Pioniere des weltweiten Automobil-Rennsports.
Allein der Name Ettore Bugatti weckt Assoziationen an legendäre Luxusfahrzeuge, die trotz oder auch gerade wegen ihrer vergleichsweise lächerlich geringen Produktionszahl von insgesamt knapp 8.000 Stück längst zu einem Mythos der internationalen Automobil-Geschichte geworden sind. Die gut erhaltenen Oldtimer-Versionen, von denen es noch immer rund 2.000 gibt, sind in Sammlerkreisen weltweit so begehrt, dass sie auf Auktionen regelmäßig Preise erzielen, die normalerweise nur Kunstwerken berühmter Maler wie Picasso oder Monet vorbehalten sind.
Der bisherige Rekord-Erlös für einen Bugatti wurde mit rund 40 Millionen Dollar angegeben, als im Mai 2010 ein Sportwagen mit der offiziellen Bezeichnung „Type 57 SC Atlantic", von dem zwischen 1936 und 1938 gerade mal vier Modelle hergestellt worden waren, seinen Besitzer wechselte. Damit ist der „Atlantic", von dem auch der US-amerikanische Fashion-Designer Ralph Lauren ein Exemplar besitzt, mit seinem charakteristischen, sich über das gesamte gewölbte Dach hinziehenden Alu-Kamm das mit Abstand teuerste Automobil überhaupt. Inzwischen ist sein Wert laut Expertenschätzungen sogar schon auf 100 Millionen Dollar geklettert.
Königshäuser als Kaufzielgruppe
Mithin astronomische Summen, die sich nur die Reichsten dieser Welt leisten können. Das dürfte fraglos völlig im Sinne von Ettore Bugatti sein, der sich seinerzeit ganz bewusst als Zielgruppe für seine Edelkarossen die Mitglieder diverser Königshäuser oder des gut betuchten Hochadels auserkoren hatte. Sie waren in den Frühzeiten des Automobils ohnehin mehr oder weniger die einzigen, die sich die vom gemeinen Volk zunächst mit größtem Misstrauen beäugten Fahrzeuge als neues Freizeitvergnügen zulegen wollten und konnten. Ettore Bugatti hatte sogar bei seiner elitären Klientel ein Höchstmaß an Stil und Etikette als unabdingbar vorausgesetzt, um dem Erwerb eines seiner noblen Autos als würdig erachtet zu werden. Dem König von Albanien beispielsweise soll er wegen mangelhafter Tischmanieren einen Kaufwunsch abgeschlagen haben, wird behauptet.
Um das Interesse seiner vermögenden Zielgruppe zusätzlich anzufachen, hatte Ettore Bugatti als einer der ersten Autobauer den Einstieg in den Rennsport als Marketing-Instrument erkannt. Somit kann er fraglos zu den Pionieren des Rennsports gezählt werden. Mit dem Konzept seiner extrem leichten und dadurch auch sehr schnellen Bugattis schockte er auf den Pisten die auf großmotorige und dadurch auch deutlich schwerere Geschosse setzende Konkurrenz. Schon der zweite Platz beim Bugatti-Debüt im französischen Grand Prix 1911 war eine Sensation. Danach rasten die Bugatti-Boliden bis zum Auftauchen der Mercedes-Silberpfeile in den 30er-Jahren von Sieg zu Sieg. Dabei wurde der 1924 entwickelte und bis 1930 hergestellte „Typ 35" zu einer Ikone der Motorsportgeschichte. Mit mehr als 2.000 Triumphen in der klassischen Farbe Blau gilt er bis heute als erfolgreichstes Modell der gesamten Rennsport-Ära.
Doch der am 15. September 1881 in Mailand als Sohn einer Künstlerfamilie geborene Ettore Arco Isidoro Bugatti war weitaus mehr als nur ein genialer Konstrukteur von Automobilen, wobei sich Vergleiche mit Ferdinand Porsche oder Enzo Ferrari geradezu aufdrängen. Bugatti war eine schillernd-kapriziöse Persönlichkeit, die sich dem väterlichen Wunsch einer künstlerischen Laufbahn schon im Alter von 17 Jahren durch den Beginn einer Techniker-Lehre beim vornehmlich mit Fahrrädern und Dreirädern sowie mit ersten Automobilen befassten Mailänder Unternehmen Prinetti & Stucchi widersetzt hatte.
Patente für mehr als 1.000 Erfindungen
Sein Ausnahmetalent, das sich schon 1899 im Bau eines ersten motorisierten Dreirades und ein Jahr später seines ersten vierrädrigen Automobils offenbarte, sollte ihn schon bald weg von seiner Heimatstadt zu neuen beruflichen Herausforderungen ins elsässische Niederbronn, nach Straßburg und schließlich 1907 nach Eheschließung mit Barbara Maria Giuseppina Mascherpa ins rheinische Köln zur dortigen Gasmotoren-Fabrik Deutz AG führen. Dort entwickelte er tagsüber schwere Nutzfahrzeuge mit großvolumigen Motoren und tüftelte nachts im Keller seiner Wohnung an einem innovativen, gerade mal 365 Kilogramm schweren und 80 Kilometer schnellen Zweisitzer-Auto.
Das taufte er zunächst „Type 10" oder auch „Pur Sang" – Vollblut. Zwischen 1913 und 1920 wurde es mit fast 500 verkauften Exemplaren unter der Bezeichnung „Type 13" zum ersten Erfolgsmodell seiner am 1. Januar 1910 im elsässischen Molsheim in Hallen einer früheren Färberfabrik gegründeten Firma. 1914 beschäftigte er bereits 200 Mitarbeiter. Um seine Kunden stilgerecht empfangen zu können, ließ Bugatti das benachbarte Schloss Château St. Jean samt zugehörigen Remisen und riesiger Parkanlage aufwendig restaurieren. Später suchte sich der bekennende Gourmet, Dandy und Lebemann auch eine repräsentative Bleibe in der Nähe von Paris, wobei er das berühmte Château d’ Ermenonville schließlich 1942 auch käuflich für sich erwarb.
Bugatti legte stets großen Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild. Meist trug er Melone, nur auf den Rennstrecken pflegte er in Bohemian-Manier häufig im Tropenhelm aufzutreten, stets war er in feinsten Zwirn gekleidet. Teure Hobbys, wie eine eigene Vollblut- oder auch Terrierzucht, verstanden sich bei ihm von selbst. Sein aufwendiger Lebenswandel und seine wohl nur unzureichende Unternehmensbuchführung sorgten allerdings für regelmäßige finanzielle Engpässe. Was ihn jedoch nicht davon abhalten konnte, sich immer wieder mit Themen außerhalb des Automobil-Umfelds zu beschäftigen. Dazu zählten beispielsweise bereits 1931 ein reines Elektrofahrzeug mit der Bezeichnung „Type 56" und sogar Pläne für Züge, Rennboote, Schiffe oder Flugzeuge.
Im Laufe seines Lebens ließ sich Bugatti rund 1.000 Erfindungen patentieren – von zylinderförmigen Rasiermessern bis hin zu Angelruten. Zusätzlich entwickelte er jede Menge Dinge für den alltäglichen Gebrauch, beispielsweise ein spezielles OP-Besteck für einen befreundeten Arzt, eine verbesserte Pasta-Maschine auf Wunsch des eigenen Kochs, ein Gewächshaus mit spezieller Belüftung zur Kultivierung seines geschätzten Basilikums, eine Hühnerfarm auf Rädern, eine Miniatur-Version seines „Type 35"-Autos als Spielzeug für Kinder mitsamt Elektromotor oder Fünf-Zehen-Schuhe für den Eigengebrauch. Den Vogel dürfte er mit der Konstruktion seiner Fabriktorhallen-Öffnungs-Version abgeschossen haben: Damit er nach dem Ausreiten auf dem Gelände direkt und ohne Abzusteigen in die Werkhallen gelangen konnte, reichte ein leichter Druck des Pferdemauls zum Öffnen des Portals.
Heute gehört Bugatti zum VW-Konzern
Während das „Type 40"-Modell zwischen 1926 und 1930 immerhin noch eine stolze Stückzahl von rund 800 erzielen konnte, brach Bugattis 1926 in Angriff genommenes ehrgeiziges Vorhaben, die ultimative Limousine, gewissermaßen die Eleganz auf Rädern, realisieren zu wollen, dem Unternehmen beinahe das Rückgrat. Für das sechseinhalb Meter lange Luxusgefährt „Type 41", das zusätzlich den Namen „Royale" erhielt und dreimal so viel kostete wie der teuerste Rolls-Royce, gingen gerade einmal sechs Bestellungen ein. Glücklicherweise konnte Bugatti einen Großteil der rund 100 vorproduzierten und 300 PS starken Triebwerke an die französische Eisenbahn SNCF zum Einbau in neue, vierachsige Schienen-Triebwagen verkaufen. Zusätzlich weckte der von Bugattis Sohn Jean entwickelte „Type 57" mit einem 3,3 Liter großen Acht-Zylinder-Motor neue Hoffnungen. Das Modell war 1933 auf dem Pariser Salon vorgestellt worden, anschließend gingen immerhin Bestellungen für 709 Exemplare ein.
Der eingangs erwähnte „SC Atlantic" war dank seiner Stromlinien-Karosserie gewissermaßen die Rennsport-Variante davon. Ettore Bugatti, der bei seinen Automobilen immer höchste ästhetische Ansprüche hatte, war vom Design des „Type 57" zunächst aber alles andere als begeistert und nannte ihn einen „Buick made in Molsheim".
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte Bugattis Firma praktisch aufgehört zu existieren, zumal der zum Nachfolger aufgebaute Sohn Jean im August 1939 bei einer Testfahrt tödlich verunglückt war. Nachdem Ettore Bugatti am 21. August 1947 im Alter von 65 Jahren in Paris an einem Schlaganfall verstarb, versuchte der zweite Sohn Roland das Firmen-Erbe noch einige Jahre zu bewahren. 1956 musste das Werk in Molsheim jedoch geschlossen werden.
Inzwischen hat der Volkswagen-Konzern den Mythos Bugatti nach Namens- und Lizenzerwerb erneut zum Leben erweckt und lässt in einer hochmodernen Manufaktur an traditionsreicher Stätte wieder Luxuskarossen – vormals das Model „Veyron", aktuell das Modell „Chiron" – für Kunden fertigen, die bereit sind, mehrere Millionen Euro für ein Auto mit dem unverkennbaren Hufeisen-förmigen Kühlergrill auszugeben. 2021 wurden laut statista.com allerdings gerade mal 63 Bugattis ausgeliefert. Wobei der „Chiron Super Sport 300+" mit einer Höchstgeschwindigkeit von 440 Kilometern pro Stunde der schnellste Bugatti überhaupt ist.