Kristen Stewart teilt ihr Schicksal mit anderen Teen-Stars in Hollywood: Sie ist unter den Augen der Weltöffentlichkeit erwachsen geworden. Das war nicht immer leicht.
Wie es sich angefühlt hat, als Teenager in die Glitzerwelt Hollywoods einzutauchen, wurde Kristen Stewart kürzlich von einer Reporterin gefragt. „Ich habs gehasst!", sagte sie sofort. Obwohl Stewart, deren Eltern beide selbst im Filmgeschäft tätig waren, das Business nicht fremd war und sie bereits in mehreren kleinen oder mittelgroßen Rollen auf der Leinwand zu sehen war, glich ihr endgültiges Eintauchen in die Filmwelt eher einem Tsunami.
Als schüchterne Schülerin Bella Swan in der Verfilmung der Romane der „Twilight"-Saga wurde die damals 17-Jährige über Nacht weltberühmt. In den Jahren rund um die Veröffentlichung der fünf Filme zwischen 2008 und 2012 kam kaum jemand an ihr vorbei. Der „Twilight"-Hype, der sich rund um den Globus verbreitete, war beispiellos und verhalf nicht nur den mythologischen Figuren Vampir und Werwolf zu neuem Aufschwung und zu zahllosen Filmen und Serien, sondern rückte auch die echten Menschen hinter den Blutsaugern ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das jugendliche Dreigestirn aus Robert Pattinson als Vampir, Taylor Lautner als Werwolf und Kristen Stewart als Bella wurde zum neuen Fixstern am Himmel der Popkultur. Im Jahr 2012 führten die drei nicht nur die Beliebtheitsskala, sondern auch die Liste der bestverdienenden Filmstars an.
Bejubelt und niedergemacht
Die Story von „Twilight" ist schnell umrissen: Bella Swan, das von Stewart gespielte Außenseiter-Mädchen, kommt neu an die Schule und bandelt dort mit dem Sonderling Edward an, von dem sie sich magisch angezogen fühlt. Dieser ist, wie sie später herausfindet, ein Vampir, der für immer im Körper eines 17-Jährigen steckt und deshalb die High School gemeinsam mit ihr besucht. Im Laufe der Handlung mischen sich dann auch andere Vampire und sogar Werwölfe ein, die den beiden ihr Glück verleiden und ihre Liebe auf die Probe stellen – die Romeo-und-Julia-Story ist perfekt. Obwohl sie an den Kinokassen und in Sachen Merchandise überaus erfolgreich und auch hinsichtlich des popkulturellen Einflusses nicht unbedeutend waren, hatten die „Twilight"-Filme ihren Kritikern zufolge nicht viel Innovatives oder Anspruchsvolles zu bieten. Selbst Kristen Stewart merkte nach dem Ende der Serie mehrfach an, dass sie in der Rolle als Bella nicht sonderlich viel von ihrem Können zeigen konnte. Schüchterne Blicke, den Vampir aus dem Augenwinkel taxierend, einsilbige Texte, damit wurde sie als junge Darstellerin berühmt, und dafür wurde sie von ihren Fans nicht nur vergöttert, sondern von Kritikern auch verrissen.
Der jugendlichen Darstellerin wurde fehlendes Schauspieltalent attestiert, bei Youtube gibt es auch heute noch zahlreiche Best-ofs ihrer angeblich schlechtesten schauspielerischen Leistungen. Auch ihr eher introvertiertes Auftreten in der Öffentlichkeit passte nicht in die Schablone des strahlenden Hollywoodsternchens, weshalb sie als arrogant und eingebildet galt.
Ob Fankult oder Abneigung, das Pendel der öffentlichen Reaktionen schlug in Bezug auf Kristen Stewart in den Jahren ab 2008 in beide Richtungen extrem aus. Fans waren hysterisch, Kritiker gnadenlos. Der Personenkult fand seinen Höhepunkt, als während der Dreharbeiten zur Twilight-Fortsetzung „New Moon" Gerüchte immer lauter wurden, dass die Hauptdarstellerin und ihr Co-Star Robert Pattinson auch im wahren Leben ein Paar sein sollen. Kaum ein Thema wurde heißer diskutiert, kaum ein Geheimnis besser gehütet. Jede Geste, jede Reaktion der beiden wurde genauestens analysiert. Im Jahr 2010 dann wurde die Beziehung der beiden offiziell gemacht, bereits damals konnten sie sich vor Paparazzi und Fans kaum noch retten. Bella und Edward, von der Kinoleinwand ins echte Leben gestiegen – das war für viele ein wahr gewordener Traum und gleichzeitig Teil des Problems, dem die jugendlichen Darsteller gegenüberstanden. Denn im Gegensatz zum Drehbuch im Film gab es in ihrem Leben keine Regieanweisungen und keinen Plot mit Happy End.
Von Donald Trump beschimpft
Das fleischgewordene Traumpaar, das Fans fortan „Robsten" nannten – eine Verschmelzung der beiden Namen von Robert Pattinson und Kristen Stewart –, hatte mit großen Erwartungen zu kämpfen, bis im Jahr 2012 die Stimmung endgültig kippte: Kristen Stewart wurde noch während der Beziehung mit Robert Pattinson dabei fotografiert, wie sie mit einem anderen Mann Zärtlichkeiten in einem Auto austauschte. Obwohl das Techtelmechtel mit dem fast 20 Jahre älteren Regisseur Rupert Sanders nichts Ernstes war, zerfiel doch das Traumpaar-Image von Robsten zu Staub wie ein Vampir in der Mittagssonne. Millionen Herzen waren gebrochen, und Schuld daran war: Kristen Stewart. Zum Zeitpunkt der Trennung war sie 23 Jahre alt. Und eigentlich tat sie nichts anderes als das, was die meisten ihrer Altersgenossinnen wahrscheinlich auch taten: Sie probierte sich aus, sammelte Erfahrungen, machte Fehler und lernte daraus. Nur dass in ihrem Fall die Öffentlichkeit alles genauestens beobachten konnte.
Wenn Kinder und Teenager als Filmstars oder Popstars Erfolge feiern, scheint sich ein Mechanismus in Gang zu setzen, den es so ähnlich auch in kleineren Dimensionen gibt. Als anschauliches Beispiel lässt sich etwa die Situation auf einem Familienfest nennen: Als Teenager der Familie wird man mit großer Wahrscheinlichkeit von Onkeln und Tanten schräg angeschaut, wenn die Haare etwas zu bunt, die Fingernägel etwas zu lang, die Hosen etwas zu kurz oder die Manieren nicht gut genug sind. Jedes Fehlverhalten wird bemerkt, kommentiert und bewertet. Man hat es nicht leicht: Als Teenager kommt der Welpenschutz des Kindseins abhanden, aber die Integrität eines Erwachsenen wird einem noch nicht zugesprochen. Man kann eigentlich kaum etwas richtig machen. Soweit, so normal. Nur: Wer in der Öffentlichkeit erwachsen wird, erfährt diesen Effekt in ganz anderen Dimensionen. Das beste Beispiel für den Onkel, der ungefragt seinen Senf zum Privatleben anderer abgibt, ist Donald Trump. Der twitterte in gewohnter Manier bereits im Jahr 2012, als Robsten sich nach dem Fremdknutschen von Kristen Stewart kurzzeitig wieder zusammengerauft hatten: „Robert Pattinson should not take back Kristen Stewart. She cheated on him like a dog & will do it again--just watch. He can do much better!" Kurz gesagt: Pattinson solle Stewart auf gar keinen Fall zurücknehmen. Sie habe ihn betrogen wie einen Hund, er habe etwas Besseres verdient. Diese Art von Äußerung hat mittlerweile einen Namen: Slutshaming. Das bezeichnet vor allen Dingen die Praxis, Frauen wegen ihrer angeblichen Freizügigkeit, wegen sexueller Selbstbestimmtheit als „Sluts", also Schlampen, zu diskreditieren. Und Kommentare wie die von Donald Trump und das Slutshaming waren nur ein Teil dessen, was Kristen Stewart öffentlich entgegengeworfen wurde. Sie wurde in den Medien zeitweise sogar als meistgehasste Frau Hollywoods tituliert.
Seit es das Showgeschäft gibt, gibt es immer wieder Kinder und Jugendliche, die auf der Bühne, im Film- oder Musikgeschäft und mittlerweile auch in den sozialen Medien omnipräsent sind und im Scheinwerferlicht erwachsen werden. Das Konzept des Kinderdarstellers oder Teen-Stars ist nicht neu und wird vor allem mit dem Filmgeschäft in Amerika in Verbindung gebracht. Die Traumfabrik Hollywood hat zahlreiche Kinder- und Teen-Stars hervorgebracht. Nicht alle sind abgestürzt, eine Tendenz ist jedoch zu erkennen. Judy Garland, Drew Barrymore, Macaulay Culkin oder Lindsay Lohan sind nur einige bekannte Beispiele dafür, dass früher Ruhm, Höhenflüge und Abstürze eng zusammenhängen. Nicht wenige Kinderdarsteller, so auch die oben genannten, sind schon als Kinder in den Alkoholismus oder die Tablettensucht gerutscht oder hatten mit großen psychischen Problemen zu kämpfen. Auch Kristen Stewart berichtet von Panikattacken und Angstzuständen.
Dass das Erwachsenwerden auch ohne weltweite Beobachtung schon kompliziert genug ist, ist hinreichend bekannt. Um sich unter ständiger Beobachtung vom Teenager zum Erwachsenen zu entwickeln, ist definitiv die nötige Resilienz wichtig, ebenso laut Psychologen ein stabiles familiäres Umfeld sowie die richtigen Strategien im Umgang mit herausfordernden Situationen.
Viele Junge Stars mit Problemen
Eine dieser Strategien hat sich mittlerweile auch in Hollywood durchgesetzt: Es geht darum, die eigenen Probleme nicht hinter einer schillernden Fassade zu verstecken, sondern sie offen zu thematisieren. Das löst zwar nicht das Problem, führt aber möglicherweise zu einem sensibleren Umgang. Immer mehr Stars suchten in den letzten Jahren diesen Weg als eine Art Befreiungsschlag, so zum Beispiel Daniel Radcliffe, der offen darüber berichtete, während der Harry-Potter-Zeit zum Alkoholiker geworden zu sein und als Grund dafür den ständigen Druck der Öffentlichkeit angab. Auch Justin Bieber hat sich mittlerweile zu seinen psychischen Problemen bis hin zu Selbstmordgedanken auf dem Höhepunkt seiner Karriere geäußert. Die Sängerinnen Billie Eilish, Miley Cyrus oder die Schauspielerin Maisie Williams aus „Game of Thrones" sind nur einige weitere Beispiele für jugendliche Stars, die unter gravierenden Problemen litten und sie öffentlich machten.
Kristen Stewart hat diesen Weg ebenfalls gewählt und spricht seit vielen Jahren offen über ihre Angststörung und die damit verbundenen körperlichen Beschwerden wie etwa ständige Übelkeit. Auch ihre Rolle im Rampenlicht lässt sie dabei nicht unerwähnt. Über die Kritik an ihrer Person und ihrem angeblich arroganten Verhalten sagte sie schon im Jahr 2010 in einem Interview: „Was man nicht sieht, sind die Kameras, die mir ins Gesicht gehalten werden und die absurden übergriffigen Fragen, die mir gestellt werden, oder die Leute, die sich überschlagen, herumschreien oder mich verhöhnen, um eine Reaktion zu bekommen. Meistens kann ich damit nicht umgehen. Es ist fürchterlich. Ich habe nie gedacht, dass das mein Leben sein würde."
Für immer 17 bleiben, das mag das Schicksal der Vampire in „Twilight" sein, allerdings nicht das von Kristen Stewart. Mittlerweile ist sie mit 32 Jahren dem Teenagerstatus entwachsen. Dass sie sich schnell von der Glamourwelt Hollywoods distanziert hat, mag ihr zugutegekommen sein. Und das zeigt sich auch in ihrer Filmauswahl und dem Erfolg als Schauspielerin und Regisseurin. Nach den „Twilight"-Filmen hat sie sich nicht den großen Blockbustern, sondern kleineren Indie-Produktionen zugewandt und damit nicht nur klargemacht, was sie vom Showgeschäft hält, sondern auch ihren eigenen Weg gefunden – der sie mittlerweile dorthin geführt hat, wo sie sich wohlzufühlen scheint.