Das neue Schuljahr ist wenige Tage alt, doch schon vorher war klar: Langweilig wird es kaum. Selten hat der Schulstart nach den großen Ferien unter so vielen neuen Bedingungen gestanden wie in diesem Jahr.
Die Rückkehr zu G9 ist das sichtbarste Symbol für den Start in ein Schuljahr, das gleich unter einer ganzen Reihe neuer und geänderter Rahmenbedingungen steht, auch wenn es nicht wie vor einem Jahrzehnt eine große Strukturreform gibt. Damals ging mit der Gemeinschaftsschule das Zwei-Säulen-Schulmodell an den Start. Daran will derzeit keiner rütteln. Aber mit dem Einstieg in die Rückkehr zu G9 machen sich an Gemeinschaftsschulen so manche Sorgenfalten breit. Doch nicht nur dort.
Der Einstieg in G9, also zurück zu einem Abitur nach neun Jahren an Gymnasien, beendet erst einmal eine jahrelange heftige Diskussion, die begleitet war von einem Volksbegehren und verhärteten Fronten. Damit tun sich aber gleich ganz neue Diskussionen auf, nämlich die nach Profil der Schulformen und die nach den Konzepten und Inhalten. Der Vorwurf der Konzeptionslosigkeit gehört zum Standardinventar jeder Schul- und Bildungsdebatte. Aber tatsächlich steht die Frage nach Konzepten und Inhalten neu im Raum, wenn jetzt beide Säulen zum Abi nach neun Jahren führen – und sich gleichzeitig Herausforderungen, die vorher vor allem an einer Schulform sichtbar waren, nun zunehmend auch in der anderen Säule zeigen. Konkret: Das Gymnasium ist längst schon nicht mehr der behütete Hort, der von gesellschaftlichen Veränderungen weitgehend unberührt den Nachwuchs der akademischen Elite vorbereitet, während parallel gesellschaftliche Veränderungen (Migration ist nur ein Stichwort) an Gemeinschaftsschulen durchschlagen.
Ein anderes Schlagwort als Diskussionsdauerbrenner ist die Digitalisierung. Dahinter verbergen sich derart facettenreiche Herausforderungen und rasante Entwicklungen, dass man getrost heute schon die Termine für Diskussionsabende dazu für die nächsten Jahre vorausplanen könnte.
Spannend ist auch die Frage, wie sich die Diskussionen um Corona und Schule sowie Kitas weiterentwickeln. Vordergründig geht es um die Frage möglicher Maßnahmen bei einer erwarteten neuerlichen Herbstwelle. Dahinter wird längst schon darum gerungen, wie mit den Folgen für die Kinder und Jugendlichen umzugehen sei. Das wiederum bringt die Frage ins Spiel, wie sich Schulen insgesamt in gesellschaftlichen Entwicklungen verorten.
Wenn es um das Wohl von Kindern geht, werden Auseinandersetzungen schnell emotional. Müssen sie sicherlich auch – bis zu einem gewissen Grad. Das macht die Sache nicht einfacher. Und wenn dann noch eine Vielzahl von Interessengruppen ihre jeweiligen oft auch gut begründeten Sichtweisen einbringen, kann es leicht unübersichtlich werden.
Deshalb ist vielleicht die größte Veränderung der Rahmenbedingungen besonders spannend. Seit der Wahl Ende März regiert bekanntlich die SPD alleine. Der in den Jahren der Großen Koalition oft quälende koalitionsinterne Abstimmungsprozess hat sich damit erübrigt. Quälend deshalb, weil SPD und CDU von sehr unterschiedlichen Grundvorstellungen an das Thema Bildung herangehen (siehe auch nachfolgende Interviews). Das führt dann leicht, insbesondere zu Wahlkampfzeiten, zum jeweils gegenseitigen Vorwurf, eine ideologische Politik zu betreiben.
Neu verteilte Rollen nach Regierungswechsel
Jetzt sind die Rollen klar in Regierungsverantwortung und Opposition aufgeteilt. Die Opposition fürchtet naturgemäß, die SPD können ihre absolute Landtagsmehrheit nun nutzen, um ihre Vorstellungen radikal durchzusetzen. Es ist auch kaum abzustreiten, dass so mancher in der SPD das gerne wollte, übrigens nicht nur in der Bildungspolitik. Es darf aber unterstellt werden, dass sehr wohl klar ist, dass eine solche Politik kaum dauerhaft nutzbringend wäre. Aus parteipolitischer Sicht nicht, erst recht nicht aus Sicht aller Akteure im System. Und das sind gefühlt so gut wie alle im Land.
Die CDU hat in den letzten Jahren im Dilemma der Koalition gesteckt, der SPD das landespolitische Schlüsselressort Bildung überlassen zu müssen. Die Folge waren Dauerhakeleien. Jetzt wird die Partei als Opposition ihr Profil zu schärfen versuchen. Die Auseinandersetzungen im Parlament dürften somit deutlich lebendiger werden, Bildungspolitik damit spannender.
Etwas schwerer wird sich so mancher Verbands- oder Interessenvertreter tun. War es zuvor möglich, die ehemaligen Koalitionspartner auch schon mal ein Stück weit gegeneinander auszuspielen, hat sich die Lage nun geändert.
Wie das alles die bildungspolitischen Diskussionen verändert, wird sich in den nächsten Monaten abzeichnen. Spätestens bei den Debatten um den Haushalt, wenn es ans Eingemachte geht, um Geld und damit Stellen und Ausstattung gerungen wird.
Sowohl im Kitabereich als auch an Schulen wird es durch Rechtsansprüche, steigende Nachfrage und G9 erhebliche Bedarfe geben, räumlich, technich und personell. Die finanziellen Ressourcen sind begrenzt, die Spielräume werden angesichts der Gesamtentwicklung nicht größer, schlimmstenfalls sogar geringer. Gleichzeitig steigen die Kosten (Inflation, Energie, Tarifabschlüsse). Die Ausgangslagen werden schwieriger, die Herausforderungen größer. Aber selbst wenn mehr Geld im Topf wäre: Es mangelt an Fachpersonal.
100 zusätzliche Lehrkräfte und 180 Sprachförderkräfte gibt es in diesem Schuljahr. Klar ist, dass G9 zusätzliche Kräfte erfordert – bis zu 150, sagt die Opposition. Aktuell reicht das aus Sicht des Ministeriums. Aber der Lehrkräftemangel, der jetzt schon in einzelnen Fächern akut ist, wird ein zunehmend größeres Problem. Seiten- und Quereinsteiger können helfen, werden aber kaum die vorhersehbaren Lücken schließen. Das ist übrigens kein rein saarländisches Problem, sondern ein bundesweites Phänomen. Damit steht das Saarland aber auch im Wettbewerb mit anderen Ländern, die über deutlich andere Möglichkeiten verfügen.
In einem anderen Wettbewerb kann das Saarland inzwischen nicht nur ganz gut mithalten, sondern hat sich im vorderen Feld festgesetzt. Die Aufholjagd auf Platz fünf im Bildungsmonitor, der jetzt auch noch bestätigt wurde, wiegt noch mal ein bisschen mehr, wenn man die Rahmenbedingungen dazu im Ländervergleich zugrunde legt. Das ist jedenfalls ein Erfolg, den auch die heutige Opposition anerkennt, und sich selbst auch Stück weit mit zuguterechnet, schließlich sind es die Ergebnisse aus den gemeinsamen Regierungszeiten.
Man mag solche Rankings mit gebotener Zurückhaltung betrachten. In diesem Fall ist es aber durchaus eine Messlatte für die nun allein regierende SPD.