In der Öffentlichkeit wird bislang kaum Notiz vom Nachhaltigkeits-Engagement des DFB genommen. Zumal die DFL dem Verband in den letzten Monaten auch auf diesem Feld mit deutlich konkreteren Vorgaben den medialen Rang abgelaufen hat. Mit „Gutem Spiel“ geht der DFB nun in die Offensive.
Dem Sport-Informations-Dienst (SID) war das Thema im September immerhin schon mal eine Meldung wert. Denn der DFB hatte im Rahmen des Sportbusinesskongresses Spobis in Düsseldorf seine neue Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt, die in Anlehnung an den in Fußballer-Kreisen vor dem Match üblichen Gruß „Gutes Spiel“ getauft wurde. Wer allerdings erwartet hatte, dass der DFB endlich mal die breite Öffentlichkeit über ein schlüssiges Konzept mit klaren und überprüfbaren Nachhaltigkeitszielen für die nähere Zukunft informieren würde, dürfte wieder enttäuscht von dannen gezogen sein. Wenn das „Kernziel“ der sogenannten „neuen Nachhaltigkeitsstrategie“ des DFB mit den Worten seines Präsidenten Bernd Neuendorf „der Erhalt und die Weiterentwicklung des flächendeckenden Netzwerks von leistungsfähigen Amateur- und Breitenfußballvereinen“ sein soll, dann dürfte dies für den größten Sportverband der Welt mit seinen mehr als sieben Millionen Mitgliedern eigentlich eher eine Selbstverständlichkeit als eine echte Herausforderung darstellen.
Eher halbherzige Ansätze
Ansonsten ließ der DFB viele verbale Allgemeinplätze verlauten, wie sie politisch Verantwortliche der Bundesregierung oder der UN zum Thema Nachhaltigkeit immer wieder über die Lippen zu kommen pflegen. Man orientiere sich selbstverständlich an den von den Vereinten Nationen 2016 formulierten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, wobei das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit mit den verbindlichen Handlungsfeldern Ökologie, Ökonomie und Soziales natürlich auch für den DFB maßgeblich sei, aber speziell beim DFB auf die Handlungsfelder Gemeinschaft, Gesundheit, Umwelt und Good Governance ausgerichtet worden sei. Viel heiße Luft, womit der DFB wohl keinen Journalisten der Republik zu einer eingehenden Beschäftigung mit seinem Anfang der 2010er-Jahre zunächst noch zögerlich begonnenen und danach mit bislang drei offiziellen „Nachhaltigkeitsberichten“ gekrönten Engagement auf diesem für den Planeten eminent wichtigen Feld animieren konnte.
Der vierte Nachhaltigkeitsbericht dürfte etwa zeitgleich mit dem nächsten DFB-Forum Nachhaltigkeit im Frühjahr 2023 veröffentlicht werden und rückblickend Auskunft über nachhaltige Aktivitäten seitens des DFB für die Jahre 2020 bis 2022 enthalten. Falls er sich nicht grundlegend von seinem stolze 122 Seiten umfassenden Vorgänger unterscheidet, dürfte das Durchblättern und Studieren nicht sonderlich großes Lesevergnügen bereiten. Weil es sich bislang lediglich um eine informative Ansammlung von größtenteils lobenswerten Einzelaktionen aus den vom DFB besonders präferierten Segmenten Jugend, Menschenrechte, Gesundheit, digitale Innovation, Fans, Vielfalt, Gewaltprävention, Gleichberechtigung oder Fair Play gehandelt hatte. Dabei pflegt sich der DFB für die Auswahl und Umsetzung der jeweiligen Schwerpunktthemen externe sachkundige Unterstützung durch sogenannte Stakeholder zu holen. Diese werden regelmäßig zu sogenannten Stakeholder-Dialogen zusammengerufen. Das Wissen dieser Experten aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft wird zur Unterstützung der hauseigenen Expertise genutzt. Die Zuständigkeit im DFB für das Nachhaltigkeitsmanagement wurde beim für Sozial- und Gesellschaftspolitik verantwortlichen Vizepräsidenten angesiedelt. Dieser wiederum wird seinerseits in seiner Arbeit von den beiden Kommissionen „Gesellschaftliche Verantwortung“ und „Fußballinfrastruktur“ in allen Nachhaltigkeitsfragen unterstützt.
Euro 2024 als „großer Treiber“
Obwohl der DFB seine Nachhaltigkeitsberichte zum kostenlosen Download ins Netz gestellt hatte, dürfte kaum jemand in der breiten Öffentlichkeit davon wirklich Kenntnis genommen haben, weil so gut wie kein deutsches Medium jemals darauf eingegangen ist. Da hat der DFB in Sachen Nachhaltigkeits-Engagement ein echtes Kommunikationsproblem. Dass versucht er in jüngster Zeit aber immerhin durch das Herausstellen von Spektakulärem zu beheben. So blieb der Betritt des DFB als weltweit 100. Sportorganisation zur Klimaschutz-Initiative der UN Anfang 2020 im deutschen Blätterwald nicht unbemerkt. Zumal sich der DFB damit die Verpflichtung aufgeladen hatte, den CO2-Ausstoß zu verringern und den Verbrauch von Wasser oder Papier zu reduzieren. Wofür der DFB natürlich gleich seinen neuen Campus samt Fußball-Akademie als Paradebeispiel ins Spiel bringen konnte mit so ziemlich allem, was nachhaltiges und verantwortungsvolles Bauen erfordert, von Photovoltaikanlage über LED-Lampen bis zur Regenwasserzisterne.
Auch mit der Ausrichtung der Männer-Fußball-EM 2024 möchte der DFB einen Meilenstein in Sachen Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Umweltschutz setzen. „Wir wollen die Euro 2024 als großen Treiber für nachhaltige Entwicklungen nutzen“, so DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich, „und befinden uns hierzu in engem Austausch mit der Politik. Wir sind uns mit der Bundesregierung darin einig, dass die Euro nicht nur in den Host Cities, sondern in ganz Deutschland stattfinden soll.“ Der DFB hat der Uefa dafür ein 74-seitiges Konzept-Programm zukommen lassen, dass unter anderem 24 innovative „Leuchtturmprojekte“ enthält, darunter etwa das barrierefreie und inklusive Stadionerlebnis für alle. Auch bei der gemeinsamen Bewerbung mit den Niederlanden und Belgien um die Ausrichtung der Frauen-WM 2027 hat der DFB die Nachhaltigkeitsagenda ganz zentral in den Mittelpunkt gestellt. Heike Ullrich: „Gemeinsam wollen wir zeigen, dass Großveranstaltungen weitreichende und nachhaltige Wirkung entfalten können.“
Auch bei der im September beschlossenen Vertiefung der bereits seit zehn Jahren bestehenden Zusammenarbeit des DFB mit dem Bundesentwicklungsministerium spielt die EM 2024 natürlich eine wichtige Rolle, daneben wollen die beiden Partner aber auch die gezielte Förderung von Frauen und Mädchen in Sport und Gesellschaft weltweit in den Fokus ihrer Kooperation rücken. Im Amateurbereich hat sich der DFB vorgenommen, sich verstärkt den Themen Rassismus, Homophobie und Diversity zuzuwenden, im Rahmen der Euro 2024 soll das Thema Klimaschutz auf allen Ebenen des Amateurfußballs ganz gezielt angesprochen werden. Sogar im Profibereich hat der DFB in der aktuellen Saison mit dem „Aktionsspieltag Klimaschutz“ schon Zeichen setzen können. „Mehr als die Hälfte der Clubs, die zum Aktionsspieltag vegetarische oder vegane Alternativen angeboten oder zusätzliche Maßnahmen zur CO2-Einsparung umgesetzt hat, möchte diese Initiativen fortsetzen“, so DFB-Geschäftsführer Spielbetrieb Manuel Hartmann.
Im hiesigen Profigeschäft hat sich die DFL im Laufe des zurückliegenden Jahres zum weltweiten Top-Fußball-Ligen-Vorreiter der Nachhaltigkeits-Problematik gemausert. Im Dezember 2021 hatten die 36 Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga einvernehmlich ein eindeutiges Bekenntnis zur Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen, ökologisch, ökonomisch und sozial, in die Präambel der DFL-Satzung aufnehmen lassen und darüber hinaus grundsätzlich beschlossen, dass Nachhaltigkeitskriterien fester Bestandteil des künftigen Lizensierungsverfahrens werden sollten. Schon im Mai konnte das Vorhaben durch die DFL-Mitgliederversammlung abgesegnet werden. Dabei hatte man sich auf ein mehrstufiges Modell der Implementierung im Rahmen des Lizensierungsverfahrens geeinigt.
DFL hat die Nase vorne
Es wurden Mindestkriterien, untergliedert in die Kategorien I und II, verabschiedet, die drei Themenbereichen zugeordnet werden können: Clubführung und -organisation, Umwelt und Ressourcen sowie Anspruchsgruppen. Nach einer Pilotphase in der aktuellen Saison soll die Erfüllung der Mindestkriterien I schon in der Spielzeit 2023/2024 bei der Lizenzerteilung Berücksichtigung finden müssen, die Mindestkriterien II zur Saison 2024/2025. Die Vorgaben der Mindestkriterien I (insgesamt 39 Punkte) dürften für die Clubs keine Probleme bedeuten. Denn im Wesentlichen müssen sie nur Nachhaltigkeit grundsätzlich in der Vereinssatzung verankern, einen Nachweis eines Nachhaltigkeitskonzepts vorlegen und einen Verantwortlichen benennen.
Schon mit mehr Aufwand verbunden dürfte die Erfüllung der 78 Punkte umfassenden Mindestkriterien II sein. Denn hierbei müssen die Clubs eine ganze Reihe von Fragen bearbeiten und beantworten, von der Höhe des Budgets für Nachhaltigkeit bis hin zu Angaben über eine nachhaltige Spielfeldbewirtschaftung. Manchen Kritikern gehen die Beschlüsse nicht weit genug, doch sollte dabei berücksichtigt werden, dass die DFL keines seines Mitglieder überfordern wollte, weil die Ausgangsbedingungen der Vereine in Sachen Nachhaltigkeit doch sehr verschieden sind. Das hatte jüngst eine Umfrage der ARD unter allen 36 Profi-Vereinen erwiesen. Der zufolge hatten zwei Drittel der Vereine nicht mal ihren CO2-Fußabdruck gekannt, sie hatten sich also noch keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie viel Energie sie eigentlich verbrauchen.