Robin Knoche gilt als solider Verteidiger, der die volle Konzentration auf seinen Job richten kann. Doch das war nicht immer so – hinter Union Berlins Abwehrchef liegen turbulente Monate.
Robin Knoche? Selbst die Fans von Union Berlin wissen nur wenig über den Abwehrchef des Überraschungsteams, der sich sogar in den Dunstkreis der Nationalmannschaft gespielt hat. Außer dem, was der 30-Jährige zur Einleitung der Sky-Reportage „Meine Geschichte – das Leben von Robin Knoche!“ in die Kamera über sich selbst gesagt hat: „Ich bin ein eiserner Verteidiger, solide und zuverlässig. Stets da, wenn ich gebraucht werde.“ Aber sonst? Nach der rund halbstündigen Ausgabe, die einen „Robin Knoche – privat wie noch nie“ verspricht, wissen die Fans deutlich mehr über den eher unscheinbaren Mann, der auf dem Rasen immer so unfassbar abgeklärt und konzentriert wirkt. Doch der Schein trügt. Hinter Knoche liegen turbulente Monate, in denen er den Fokus nicht immer komplett auf den Profifußball richten konnte.
„Ich bin ein eiserner Verteidiger“
„Es wäre gelogen zu sagen: Du bist zu jeder Zeit des Spiels zu 100 Prozent aufs Spiel fokussiert. Man muss schon sagen, dass du auch in Gedanken bei der Familie bist, das war natürlich nicht immer einfach“, sagte Knoche: „Ich habe versucht, das so gut es geht zu lösen, der Mannschaft zu helfen und später wieder für die Familie da zu sein.“ Knoche musste in diesem Jahr erfahren, wie eng Leben und Tod beieinander liegen. Zuerst war da die Angst um seine Frau Anna Lena, die vor allem zum Ende ihrer schwierigen Schwangerschaft mit „lebensbedrohlichen Umständen“ zu kämpfen hatte, wie Knoche verriet, „bei denen man sich natürlich Sorgen macht“. Kurz vor dem Trainingsstart im vergangenen Juni schlug die Angst aber in pures Glück um, als sein Töchterchen ohne jeden Schaden zur Welt kam. „Sie ist kerngesund und ein absoluter Sonnenschein“, sagte der stolze Vater und strahlte dabei über beide Ohren: „Sie ist die liebste Tochter der Welt, einfach immer gut drauf. Da haben wir einen richtigen Glücksgriff gemacht.“
Doch ganz unbeschwert kann Knoche dieses Glück nicht genießen, denn nur zu gern würde er es mit seiner Mutter teilen. Sie starb aber vor der Geburt ihres Enkelkindes. Das sei „sehr schwer“ gewesen, verriet Unions Abwehrboss, „natürlich hätten wir uns alle gewünscht, dass sie die Kleine noch kennenlernt, dass sie sie aufwachsen sieht“. Doch dazu kam es nicht mehr. Stattdessen musste Knoche zeitweise mit der Sorge um seine schwangere Frau und der Trauer um seine geliebte Mutter zurechtkommen – und gleichzeitig Höchstleistungen auf dem Platz liefern. Nach dem Tod seiner Mutter sei er in der Nacht aus der Heimat in Braunschweig mit dem Zug nach Augsburg gefahren, wo Union ein Auswärtsspiel beim FCA absolvierte. „Ich hatte das Gefühl, für die Mannschaft da sein zu müssen“, begründete er. Doch nicht nur das. Sich das Trikot überzustreifen, Zweikämpfe zu führen, den Ball wegzugrätschen – all das „hat mir auch Halt und Ablenkung gegeben“.
Während diesen „sehr heftigen Tagen“ habe er vollste Unterstützung seitens des Vereins erhalten, berichtete Knoche. Mitspieler, Trainer, Manager, Präsident – alle seien „sehr verständnisvoll“ mit ihm umgegangen. Und Knoche zahlte es mit Leistung zurück. Auch in der Rückrunde der Vorsaison war er der Stabilisator in der Abwehr, obwohl er mental nicht ganz auf der Höhe war. „Keiner kann hinter die Fassade gucken“, sagte er, „das war schon sehr schwer für mich“. Umso beeindruckender, dass Knoche keinen Leistungseinbruch erlebte. Für Union stand allerdings schon vorher fest, dass der Club liebend gern mit ihm den Vertrag verlängern würde, um nicht den nächsten Führungsspieler zu verlieren. Knoche musste auch nicht lange überlegen, um im vergangenen April seine Unterschrift unter einen neuen Kontrakt zu setzen, der dem Vernehmen nach mindestens zwei weitere Jahre läuft und auch besser dotiert sein soll.
„Ich habe mich von Beginn an sehr wohlgefühlt bei Union“, sagte der gebürtige Braunschweiger: „Union hat es mir von Beginn an sehr leicht gemacht und mich super aufgenommen.“ Der ablösefreie Wechsel 2020 hat sich für beide Seiten als Win-win-Situation herausgestellt. „Robin soll auch in den kommenden Jahren ein wesentlicher Baustein unserer Bundesligamannschaft sein“, sagte Geschäftsführer Oliver Ruhnert. Bei den Eisernen findet Knoche jene Wertschätzung, die er bei seinem eigentlichen Herzensclub VfL Wolfsburg am Ende so schmerzlich vermisst hat. Bei den Grün-Weißen war Knoche 15 Jahre aktiv, seit der C-Jugend kickte er für die Niedersachsen. Doch als sein Vertrag dort auslief, soll der VfL den Mann aus dem eigenen Nachwuchs ein Angebot unterbreitet haben, das stark leistungsbezogen war und kaum Perspektive auf einen Stammplatz bot.
„Die genauen Einzelheiten lasse ich mal außen vor“, sagte Knoche, der aber eine Sache unbedingt klarstellen wollte: „Jeder, der mich kennt, weiß, dass mich mit dem Verein mehr verbindet und dass Geld nicht der entscheidende Faktor gewesen ist.“ Fakt ist: Das Vertragsangebot des VfL drückte die Wertschätzung nicht aus, die sich Knoche vorstellte. „Er leidet wie ein Hund“, hatte sein Berater Volker Struth damals gesagt. „Natürlich bist du erst mal extrem enttäuscht und am Boden, weil man es sich anders vorgestellt hat“, gab Knoche zu. Eigentlich wollte er nur für den VfL spielen und dort auch seine Karriere beenden. „Aus diesem Loch herauszukommen, das hat mental eine Zeit gedauert.“
Schnell in die Startelf bei Union
Geholfen hat in jedem Fall, dass sich der Schritt zu Union sehr schnell als richtig erwies. Knoche eroberte sich sofort einen Stammplatz in der Dreierkette, die er als zentraler Innenverteidiger bis heute organisiert. „Sportlich habe ich mich bei Union sehr wohl gefühlt, das hat mir geholfen, es leichter zu verarbeiten“, sagte er. Die Eisernen seien für ihn „ein sehr großer Glücksfall, ich bin sehr froh, dass es sich so entwickelt hat“. Denn während Knoche mit Union im Europapokal vertreten ist und in der Bundesliga oben mitspielt, kämpfte Wolfsburg zuletzt stets gegen den Abstieg.
Ob sogar der Meistertitel in dieser Saison drin ist, wurde Knoche in der Sky-Reportage gefragt. „Ich würde es auf jeden Fall begrüßen“, antwortete der Abwehrspieler schmunzelnd. Doch er weiß auch: „Dafür muss ganz viel zusammenkommen.“ Die letzten Spiele vor der WM-Pause haben aber gezeigt, dass die Köpenicker wohl nicht ernsthaft ins Titelrennen eingreifen können. Doch im Kampf um die Champions League ist das Team von Trainer Urs Fischer weiterhin gut dabei. „Ich hoffe, dass wir weiter auf dieser Erfolgswelle schwimmen können“, sagte Knoche. Er selbst ist dafür ein Garant.
Knoche hat Qualitäten, die oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind: wenig spektakulär, aber höchst effektiv. Genau wie Union. Der „Tagesspiegel“ titelte daher kürzlich: „Robin Knoche ist das Gesicht des Berliner Minimalismus.“ Mit Ruhe, Übersicht, geschickter Zweikampfführung und sogar Kaltschnäuzigkeit vom Elfmeterpunkt spielte Knoche zunächst eine überragende Saison, kurz vor der WM-Pause ließ er aber wie das komplette Team etwas nach. Medien hatten ihn trotzdem in die ominöse und niemals veröffentliche 55-Mann-Liste genommen, die Bundestrainer Hansi Flick für die WM in Katar angeblich auf dem Zettel gehabt hatte. Für eine Nominierung hat es am Ende nicht gereicht, ein Länderspiel bleibt für Knoche wohl ein unerfüllter Traum. Doch er weiß aus eigener Erfahrung, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt.