„An einem schönen Morgen“ von Mia Hansen-Løve ist ein ruhiger, realitätsnaher und auch versöhnlicher Film über die Anforderungen, die das Leben stellt. Seit 8. Dezember läuft er im Kino.
Das Leben ist nicht immer einfach. Sorgen und Konflikte gehören eben dazu, und auch die Liebe mit all ihren Schwierigkeiten. Was ist etwa, wenn der eigene Vater mehr und mehr geistig abbaut, wenn der Mann, den man liebt, mit einer anderen Frau verheiratet ist?
Mit derartigen Fragen beschäftigt sich der französische Film „An einem schönen Morgen“, der den Alltag einer Frau in Paris porträtiert.
Sandra (Léa Seydoux) liebt ihre Arbeit als Übersetzerin und Dolmetscherin. Nach dem Tod ihres Mannes fünf Jahre zuvor kümmert sich die 35-Jährige allein um ihre achtjährige Tochter Linn. Mehrfach am Tag besucht sie ihren Vater Georg (Pascal Greggory), der an Demenz erkrankt ist und allmählich seine Fähigkeiten und Erinnerungen verliert. Es ist klar, lange wird er nicht mehr in seiner eigenen Wohnung leben können.
Große Talente des französischen Kinos
Regisseurin Mia Hansen-Løve ist ein ruhiger, einfühlsamer und zudem sehr realitätsnaher Film gelungen. Optisch setzt er auf Nähe. Es sind unaufgeregte, alltagsnahe Bilder, die die Geschichte erzählen. Es geht um die Themen, die viele Menschen im Lauf ihres Lebens beschäftigen: Die Herausforderung, damit umzugehen, dass ein naher Verwandter nicht mehr er selbst ist. Die Notwendigkeit, die Dinge so zu organisieren, dass das Leben weitergehen kann. Den Vater in einem Heim unterzubringen. Und seine Wohnung aufzulösen. Die Trauer nach dem unerwarteten Tod des Partners. Und die Beziehung zur eigenen Tochter, die unter der Situation auch leidet.
Mia Hansen-Løve gehört zu den großen Talenten des französischen Kinos. Viele ihrer Filme sind autobiografisch geprägt, immer wieder hat sie die großen Themen des Lebens auf die Leinwand gebracht. Ihre Filme waren auf verschiedenen Festivals zu sehen. „Alles was kommt“ (2016) wurde bei der Berlinale uraufgeführt und mit dem silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet. „An einem schönen Morgen“ hatte seine Premiere im Mai 2022 in Cannes.
Es ist „An einem schönen Morgen“ hoch anzurechnen, dass er die harten Themen mit Bedacht angeht. Dass er dem Zuschauer die Zeit lässt, sich in die Charaktere – vor allem in die Hauptfigur Sandra – hineinzufinden.
Es ist Léa Seydoux’ Leistung, dass man Sandras Gefühle spüren kann: Wie sie sich mit ihrem Vater identifiziert, wie sie sich mit seinen Büchern, die er in seiner aktiven Zeit als Philosophieprofessor gesammelt hat, umgibt. Weil diese für sie den Vater widerspiegeln, den sie einmal gehabt hat.
Wenn sie den Namen Léa Seydoux hören, dürften viele Kinogänger an die beiden James-Bond-Filme „Spectre“ von 2015 und „Keine Zeit zu sterben“ (2021) denken. Aber ihr Repertoire umfasst weit mehr.
Ein Film, der die harten Themen mit bedacht angeht
So hat die im Jahr 1985 geborene Schauspielerin im Lauf ihrer Karriere eine ganze Reihe von Charakterrollen gespielt. Zum Beispiel eine der Hauptrollen in dem 2012er Film „Leb Wohl, meine Königin!“ von Benoît Jacquot. Auch in einer Reihe internationaler Produktionen war sie zu sehen, etwa in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (2009), Woody Allens „Midnight in Paris“ (2011) und Wes Andersons „The French Dispatch“ (2021). Zurzeit ist sie in David Cronenbergs „Crimes of the Future“ im Kino zu sehen. Und natürlich in „An einem schönen Morgen“.
Einen Lichtblick bekommt das Leben von Sandra, als sie einen alten Freund wiedertrifft: Clément (Melvil Poupaud). Der ist zwar verheiratet, in seiner Beziehung aber alles andere als glücklich. Und so beginnen Sandra und Clément eine leidenschaftliche Beziehung. Das stärkt sie zwar im Umgang mit ihren anderen Problemen, schafft aber gleichzeitig neue, da Clément sich nicht von seiner Frau trennen will. All das bringt Sandra in eine ernsthafte Krise. Wie sie vermutlich viele Menschen schon erlebt haben.
Mia Hansen-Løve zeigt mit ihrem Film einen versöhnlichen Weg aus dieser Krise auf. Der vielleicht auch einigen Menschen Mut machen kann.