Die Vorfreude auf die 30. Saison in der Deutschen Eishockey Liga ist zumindest in der Szene spürbar. Auch dank des WM-Silbercoups der Nationalmannschaft. Sportlich zählen wieder die üblichen Verdächtigen zu den Titelkandidaten.
Fritz von Thurn und Taxis kann sich ohne Zweifel als ein Mann der ersten Stunde bezeichnen. Der langjährige Sport-Kommentator war gerade in der Anfangszeit bei vielen Spielen der Deutschen Eishockey Liga (DEL) dabei. Die Berichterstattung sei damals „ein Traum“ gewesen, erzählte der Reporter: „Wir waren nah dran und konnten ganz viel ausprobieren, was heute nicht denkbar ist. Wir waren ja teilweise direkt in den Kabinen und haben von dort Bilder gezeigt.“ Mit der impulsiven Trainer-Ikone Hans Zach sei er zwar „auch mal aneinander geraten“, berichtete von Thurn und Taxis, „aber das gehörte dazu. Ihn durfte man eben nicht zu schnell zu kritisch ansprechen nach verlorenen Spielen“. Zachs gefürchtete emotionale Ausbrüche haben für viel Gesprächsstoff gesorgt in der an Anekdoten nicht gerade armen DEL-Geschichte. Auch die anstehende 30. Saison in Deutschlands höchster Eishockeyliga soll das Publikum gut unterhalten.
Die DEL mit ihren 14 Clubs biete „spektakuläres Eishockey“ und habe sich „zu einer etablierten Institution im deutschen Sport entwickelt“, meinte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Der Präsident des Weltverbands IIHF, Luc Tardif, nannte die deutsche Liga „eine der professionellsten in Europa und vielleicht darüber hinaus“. Das bald 30-jährige Bestehen sei „nicht nur ein Meilenstein, sondern vor allem eine Anerkennung für die harte Arbeit, die in die Entwicklung der deutschen Liga und ihrer Spieler gesteckt wurde“. Das Votum der verbliebenen Vereine der ersten und zweiten Bundesliga im Januar 1994 für eine Reform des Ligawesen hat sich trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten als richtige Entscheidung entpuppt. Vor der Jubiläumssaison, die am vergangenen Donnerstag mit dem Auftaktspiel des amtierenden Meisters Red Bull München gegen die Düsseldorfer EG begann, ist die Vorfreude riesig.
Der Favorit
Der Titelverteidiger ist auch vor der neuen Spielzeit der große Favorit. So ein bisschen wie der FC Bayern im Fußball agieren die Münchener auch im Eishockey: Sie verpflichten die Besten von den Rivalen – für die eigene Stärkung und zur Schwächung der anderen. So kamen vor der Saison unter anderem die deutschen Topspieler Dominik Bittner (aus Wolfsburg), Markus Eisenschmid und Nicolas Krämmer (beide Mannheim). „Alle drei haben bereits bewiesen, dass sie in der DEL zu den Besten gehören“, sagte Sportdirektor Christian Winkler: „Sie sind oder waren allesamt nicht umsonst Nationalspieler.“
Die Neuen wissen ganz genau, welche Erwartungshaltung in München herrscht. „Wenn man zum amtierenden Meister kommt, ist mein Ziel ganz klar, dass wir wieder Meister werden“, sagte Krämmer: „Ich möchte, dass wir in der Champions League sehr weit kommen und sehe uns auch in Europa gewappnet.“ Eine Zusatzmotivation ist der Abschied vom Olympia-Eisstadion: Ab der kommenden Saison tragen die Bullen ihre Heimspiele in der Multifunktions-Arena SAP Garden aus, davor werde man aber noch „in der altehrwürdigen Arena Gas geben“, versprach Kapitän Patrick Hager.
Eine neue Zeitrechnung gibt es hinter der Bande: Erstmals seit 2014 heißt der Trainer nicht Don Jackson. Der Kanadier, der alle vier Meistertitel mit Red Bull gewann und davor auch schon fünfmal mit den Eisbären Berlin Champion geworden war, trat freiwillig einen Schritt zurück. Er arbeitet im Verein nur noch als Trainerentwickler, die Hauptverantwortung trägt ein anderer – und auch der hat einen großen Namen in der Szene: Toni Söderholm. Der Finne arbeitete einst erfolgreich als Bundestrainer der Nationalmannschaft und heuert nun als Coach bei dem Club an, bei dem er früher als Profi angestellt war.
Der Herausforderer
Vier Jahre ist es nun schon her, dass die Adler Mannheim den deutschen Meistertitel erringen konnten. Der neue Trainer Johan Lundskog will das ändern, er verbreitet in der Kurpfalz eine spürbare Aufbruchstimmung. „Es fühlt sich großartig an“, sagte der Schwede, der als Co-Trainer des Frölunda HC 2017 und 2019 die Champions League gewann. „Wir sind bereit, um nach vorn zu blicken.“ Etwas anderes bleibt dem Team auch nicht übrig, denn der Umbruch nach der eher enttäuschenden Vorsaison war riesig: Unmittelbar nach dem Halbfinal-K.-o. wurde das Aus von 17 Spielern und von Trainer Bill Stewart verkündet.
Entsprechend groß ist auch die Anzahl der Neuzugänge, die zwar auf dem Papier eine gewisse Qualität mitbringen, sich aber auch erst einspielen müssen. Und sie müssen die etwas unkonventionelle Spielphilosophie von Trainer Lundskog verinnerlichen. „Die größte Veränderung haben wir in der Defensive vorgenommen“, erklärte der Coach: „Wir wollen sehr agile, aktive Verteidiger, was nicht typisch für die Abwehr ist. Aber alle haben die Herausforderung angenommen.“ Auch Neuzugang Max Gildon zeigte sich begeistert von der Vorbereitung: „Wir haben hier eine sehr starke Truppe zusammen, mit der einiges möglich ist.“
Der Rekordchampion
Einen größeren Kader-Umbruch haben auch die Eisbären Berlin hinter sich. Nach der völlig verkorksten Vorsaison mit dem Verpassen der Play-offs als Titelverteidiger wurde beim Hauptstadtclub personell vieles geändert – nur die Trainerposition nicht. Der Kanadier Serge Aubin darf weiter an der Bande stehen, und er freut sich über seine neue Mannschaft. „Wir sind auf der Center-Position tiefer besetzt, haben viele Verteidiger und sind schnell und stark auf den Flügeln“, sagte Aubin. Die Transfer-Strategie des DEL-Rekordmeisters lässt sich so umschreiben: jung, schnell, deutsch. „Die Jungs sind ultrafit, motiviert und auch schneller als im letzten Jahr“, freut sich Aubin.
Neuer Kapitän nach dem Abgang von Eisbären-Ikone Frank Hördler ist Rückkehrer Kai Wissmann. Der Abwehrspieler hatte mit dem Club 2021 und 2022 den Meistertitel geholt, ehe er bei den Boston Bruins einen am Ende erfolglosen Anlauf in der NHL wagte. Wissmann will nun an seine alten Erfolge in Berlin anknüpfen: „Wir sind die Eisbären Berlin, wir wollen immer oben mitspielen. Die ersten Eindrücke sind sehr gut.“ Auch Neuzugang Frederik Tiffels, der aus München kam, weiß: „Natürlich sind die Ansprüche des Clubs hoch. Auch ich will oben mitspielen – und ich denke, jeder weiß, was damit gemeint ist.“ Topscorer Marcel Noebels spricht sogar offen vom Titel: „Unser Ziel ist klipp und klar, zweistellig in den Sternen zu werden und die zehnte Meisterschaft zu holen.“
Der WM-Schub
Seit Ende Mai darf sich die DEL als Liga im Land des Vizeweltmeisters bezeichnen. Der Silber-Coup bei der WM in Finnland und Lettland bei der Premiere des neuen Bundestrainers Harold Kreis soll auch die heimische Liga beflügeln. „Nach dem Sommer, den wir hatten, freuen wir uns natürlich riesig auf den Start“, sagte DEL-Geschäftsführer Tripcke. Weitaus wichtiger ist aber, dass sich die Fans darauf freuen und verstärkt in die Arenen kommen oder sich die Spiele im TV anschauen. Das WM-Finale gegen Finnland hatte dem übertragenden Sender Sport1 mit bis zu drei Millionen Zuschauern in der Spitze die höchste Einschaltquote bei einer Eishockey-Übertragung seit 13 Jahren beschert. Der abwesende NHL-Superstar Leon Draisaitl, der von Kanada aus mitfieberte, ist sich sicher, „dass die Nationalmannschaft für viele neue Eishockeyfans gesorgt hat“.
Das würde auch der Liga guttun, die noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen hat. Immerhin konnte mit Weitsicht und teils drastischen Maßnahmen der Exodus von Clubs verhindert werden. „Wir haben nach Corona den Weg zurück zur Normalität geschafft und sehen, wie sehr die Liga in den letzten Jahren gewachsen ist“, sagte Tripcke: „Diese Entwicklung wollen wir fortsetzen.“ Die Heim-Weltmeisterschaft 2027 in Düsseldorf und Mannheim dürfte auch für Auftrieb sorgen.
Das Format
Wie in den vergangenen Jahren auch wird die Saison in einer Hauptrunde (14. September bis 8. März) und in Play-offs ausgespielt. Die besten sechs Teams qualifizieren sich automatisch fürs Viertelfinale, die Mannschaften der Plätze sieben bis zehn spielen in den sogenannten Pre-Playoffs den Starter für die Runde der besten Acht aus. Der deutsche Meister der Saison 2023/24 steht spätestens nach Spiel 7 der Finalserie am 30. April 2024 fest. Nach dem Abstieg der Bietigheim Steelers treten in der DEL nur noch 14 Clubs an, weil der Zweitliga-Meister keine Lizenz beantragt hat. Eine wichtigere Neuerung gibt es: Bei der Tabellen-Berechnung kehrt die DEL zu ihrer alten Regelung zurück, nach der sich die Reihenfolge der Teams wieder nach Punkten richtet. Aufgrund der Corona-Pandemie und einiger nicht gespielter Partien war in den vergangenen drei Jahren nach dem Punkteschnitt der Tabellenplatz errechnet worden. Das hatte für einige Verwirrung gesorgt.
Das Fernsehen
Anders als die Topbundesligen im Basketball, Handball und Volleyball wechselte die DEL nicht zum neuen Streamingdienst Dyn, obwohl die Firma des früheren Fußball-Funktionärs Christian Seifert heftig darum geworben hatte. „Wir haben in den letzten Jahren ein bemerkenswertes Wachstum in enger Partnerschaft mit Magenta Sport für unsere Sportart erzielt“, erklärte DEL-Geschäftsführer Tripcke die Entscheidung zugunsten der Telekom-Tochter. Ohne Telekom-Vertrag kostet das Abo im Jahrespaket 12,95 Euro pro Monat. Als Entgegenkommen an den TV-Partner dürfte die Einführung des Samstagabend-Spiels zu werten sein. „Wir werden insgesamt vier Partien exklusiv an einem Samstagabend haben“, sagte der Leiter Spielbetrieb in der DEL, Jörg von Ameln: „Wir sehen das als zusätzlichen Service für alle Eishockey-Fans.“