Die Eisbären Berlin haben sich nach der historisch schlechten Vorsaison für die Spielzeit 2023/24 viel vorgenommen. Der erfolgreiche Saisonstart nährt Hoffnungen, auch wenn noch nicht alles perfekt läuft.
Noch sind eine Menge Hauptrundenspiele zu absolvieren und die Play-offs weit weg, doch der Saisonstart der Eisbären Berlin lässt bereits zwei Rückschlüsse zu: Zum einen hat das Team zumindest in den ersten Partien einen ganz anderen Spirit gezeigt als in der historisch schlechten Vorsaison. Und zum anderen sind die Fans schon jetzt versöhnt. Im ersten Heimspiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen den ERC Ingolstadt strömten mehr als 13.000 Besucher in die Arena am Ostbahnhof, im Vorfeld wurden über 5.500 Dauerkarten verkauft. „Darüber sind wir glücklich und stolz. Das zeigt, wie loyal und treu unsere Fans sind“, sagte Geschäftsführer Thomas Bothstede. Der Vertrauensvorschuss sei auch ein Anspruch an die Mannschaft, auf dem Eis um jeden Puck zu kämpfen. Das Team von Trainer Serge Aubin scheint es verstanden zu haben.
Die Eisbären gewannen die ersten drei Saisonspiele gegen Ingolstadt (2:1 nach Penaltyschießen), bei der Düsseldorfer EG (3:2) sowie bei den Augsburger Panther (4:1) und feierten den besten Saisonstart des Clubs seit 15 Jahren. Mit entsprechend viel Selbstvertrauen trat das neu formierte Team am vergangenen Sonntag zum Spitzenspiel bei den Adlern Mannheim an und zeigte, dass es wieder zu den Titelkandidaten zählt. In einem phasenweise hochklassigen Duell mussten sich die Berliner zwar knapp mit 2:4 geschlagen geben, doch alle konnten erkennen: Die Richtung stimmt.
Über 5.500 Dauerkarten verkauft
„Man hat heute gesehen, dass zwei Top-Mannschaften aufeinandergetroffen sind“, sagte Eisbären-Stürmer Marcel Noebels und prophezeite: „Ich glaube, dass man diese beiden Mannschaften noch lange in der Saison sehen wird.“ In der Tat hatte das Spielgeschehen auf dem Eis bereits einen gewissen Play-off-Charakter, am Ende eines großen Kampfs entschieden Kleinigkeiten zugunsten der Kurpfälzer. „Es war ein Spiel auf Messers Schneide, jede Mannschaft hatte ihre Phasen“, sagte Noebels: „Die Mannheimer haben uns leider in Momenten erwischt, die uns wehgetan haben.“ Als Gewinner durften sich auch die Zuschauer im Stadion und beim übertragenden Sender Magenta Sport fühlen. Ex-Nationalspieler Christoph Ullmann zeigte sich jedenfalls begeistert vom „super offensiven Eishockey“, der frühere Rekord-Torschütze der Mannheimer sprach ein Kompliment an beide Teams aus: „Sie haben sich nicht versteckt, sondern über 60 Minuten voll auf Sieg gespielt.“
Genau das wollen die Eisbären auch im Auswärtsspiel am Freitag (29. September) bei den Schwenninger Wild Wings tun. Generell soll das die Ausrichtung des neu formierten Teams sein: schnell, leidenschaftlich, siegorientiert. Kleinere Rückschläge wie das Ergebnis in Mannheim sollen – anders als in der Vorsaison – nicht mehr zu größeren Krisen führen. „Ich bin definitiv positiv überrascht“, sagte Ullmann über den offenbar gelungenen Umbruch: „Man sieht, dass man in Berlin seine Hausaufgaben gemacht hat.“ In der letzten Saison sei man dort „mit einem blauen Auge davongekommen, die war total verkorkst“. Ein Neuanfang und eine Aufarbeitung seien daher unablässig gewesen, „aber dass sie dann so aus den Startlöchern kommen, das finde ich sehr bemerkenswert“, sagte der frühere Nationalspieler.
Allerdings lief auch in den ersten Spielen noch nicht alles nach Plan, die Automatismen müssen erst noch wachsen. Gegen Düsseldorf war eigentlich nur die Effizienz der Special Teams richtig gut, wie Trainer Aubin hinterher zu Recht feststellte. Gegen Mannheim zeigten die Eisbären trotz der Niederlage ihre spielerisch bislang beste Saisonleistung, bei der Neuzugang Ty Ronning erneut seine Klasse und seinen Torinstinkt bewies. „Er ist läuferisch unglaublich stark, er bringt den Speed mit, sucht das Eins-gegen-eins und hat einen super Abschluss“, schwärmte Ullmann: „Da haben die Berliner einen Superfang gemacht.“
Mit besonders großem Ehrgeiz war Lean Bergmann gegen die Adler aufgelaufen. Bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte wollte der Nationalspieler unbedingt beweisen, dass er besser ist als der schwache Eindruck, den die meisten Eishockeyfans in Mannheim von ihm nach zwei Spielzeiten im Adler-Trikot haben. „Aber mich braucht keiner extra zu motivieren, hier zu spielen. Auf dem Eis gibt es sowieso keine Freundschaften“, hatte er vor dem Spiel gesagt. Beim 4:1-Erfolg zuvor in Augsburg hatte Bergmann gleich dreifachen Grund zur Freude gehabt. Der Neuzugang lief im Curt-Frenzel-Stadion erstmals in einem Pflichtspiel im Eisbären-Trikot auf, er erzielte auf Anhieb ein Tor und feierte am Ende den Sieg.
Treffer zu „sehr wichtigem Zeitpunkt“
„Es ist ganz gut, das erste Spiel aus dem Weg zu bekommen. Es hat ganz gut geklappt“, sagte der Angreifer und lobte sich auch ein wenig selbst: „Mein Treffer kam zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt. Dadurch haben wir das Momentum nicht auf die Augsburger Seite wechseln lassen.“ Bergmann wagt in Berlin einen kompletten Neustart, hier will er an die Zeiten anknüpfen, in denen er als eines der größten Eishockey-Talente Deutschlands galt. Verletzungen und auch Fehlentscheidungen bei der Karriere-Planung haben dafür gesorgt, dass er aus dem Tritt gekommen ist. Die notwendige körperliche Fitness hat der Flügelstürmer inzwischen, jetzt will er nach und nach auch die Spielfitness auf ein höheres Niveau stellen. „Der Sommer hat mir gut getan, ich bin auf dem Weg“, sagte Bergmann. Das glaubt auch Ullmann, der als Ex-Mannheimer den Werdegang des talentierten Spielers nach wie vor verfolgt: „Man hat das Gefühl, dass er jetzt wirklich angekommen ist. Dass er in Berlin quasi seine Koffer ausgepackt hat.“
Viel rumgekommen ist Bergmann trotz seiner erst 24 Jahre auf jeden Fall. Schon früh hatte er Deutschland verlassen, um im Ausland in Schweden und in den USA Erfahrungen zu sammeln. Nach einer Saison bei den Iserlohn Roosters in der DEL schaffte er sogar den Sprung in die NHL, wo er immerhin 13 Partien für die San Jose Sharks absolvierte. Doch dann kamen sportliche, körperliche und private Probleme zusammen. Dass sich auch die Eisbären Berlin nach der vergangenen Horror-Saison neu aufstellen wollten, kam Bergmann entgegen. Es könnte ein Gewinn für alle Parteien sein. Zumindest verspricht der Profi, alles für diese neue Chance zu geben. „Ich spiele immer mit Stolz und lasse mich ungern rumschubsen. Ich trete mit breiter Brust auf, versuche die Spiele zu gewinnen und trage das Trikot mit Stolz.“
Das sagt auch Jake Hildebrand von sich. Der 30 Jahre alte US-Amerikaner hat einen starken Start bei seinem neuen Club hingelegt. Seine sehr überzeugenden Leistungen im Tor nähren die Hoffnungen der Verantwortlichen, dass sich ein Torwart-Dauerthema wie im letzten Jahr nicht wiederholt. „Er strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben“, sagte zum Beispiel Teamkollege Yannick Veilleux. Auch Trainer Aubin hob gegen Augsburg explizit den Goalie heraus, der das Team „hier einige Male gerettet“ habe. Und nach dem schmeichelhaften Sieg gegen Düsseldorf sagte Aubin gar: „Wir schulden Jake Hildebrand etwas. Ich weiß nicht, ob wir drei Punkte mitgenommen hätten, wenn er nicht gewesen wäre.“ Hildebrands Fangquote liegt nach vier Spielen bei starken 93,27 Prozent.