Die Damenmode wird im kommenden Winter stilistisch neu ausgerichtet. Die Mehrzahl der Designer setzt dabei auf ein überraschendes Comeback der klassisch-eleganten Kleidung gemäß dem Motto „Quiet Luxury“.
Welch eine Überraschung! Kann es wirklich wahr sein? Die seit 2019 auf den internationalen Catwalks dominierende und vor allem von der Gen Z und prominenten Millennials gepushte Y2K-Fashion erhält im kommenden Winter in der angesagten Mode tatsächlich zumindest eine Auszeit. Dass die dabei im Mittelpunkt stehende Ästhetik der späten 90er- und frühen Nuller-Jahre mit dem Salonfähigmachen etlicher Modesünden samt Vorliebe für Glitzer und knalligen Farben zugunsten einer klassisch-eleganteren Ausrichtung der Mode zurücktreten muss? Die Frage, ob Kleidung tragbar oder alltagstauglich sein sollte, wurde über viele Saisons hin in der Damenmode kaum gestellt. Schon gar nicht in Zeiten der Nach-Pandemie-Euphorie, als die Komfort-Klamotten häufig frivol-exzessiven Looks oder maximalistischen Party-Outfits weichen mussten. Von letzteren wollten sich manche Designer auch in der aktuellen Winterkollektion nicht gänzlich verabschieden. Doch die Mehrheit der Kreativen entschied sich für eine Rückbesinnung auf schnörkellose Garderoben-Basics, klassische Pieces, Zeitlos-Elegantes, Tragbares und Alltagstaugliches.
Schnörkellose Garderobe
Wodurch die Designer ein klares Bekenntnis zum beherrschenden Thema des Jahres, der Besinnung auf einen neuen, stillen, zeitlosen Luxus abgelegt hatten, für den das Schlagwort „Quiet Luxury“ schnell gebräuchlich geworden war. Es ist ein Bekenntnis zu hochwertigen, betont zurückhaltenden und klassischen Teilen, gewissermaßen den Wardrobe Staples, ganz im Sinne des Mottos „Weniger ist mehr“. „Von scharfen Schnitten über Must-haves der Capsule Wardrobe bis hin zum Minimalismus der 90er-Jahre“, so die Fashion-Such-Plattform Lyst, „markierten die Herbst-Winter-Shows 2023 die Rückkehr der ‚tragbaren‘ Kleidung und bestätigten, dass stiller Luxus einer der größten Trends des Jahres ist.“ Labels wie Saint Laurent, Bottega Veneta oder Ferragamo hätten endlich wieder verstanden, „was die Kernfrau will“. Und genau jene soll sich auch für die Arbeit wieder elegant kleiden dürfen. Aus diesem Grund es in den Kollektionen ein riesiges Angebot an zeitgemäßen Business-Outfits von Hosenanzügen bis zu Kostümen gab.
Einige der Top-Labels wie Prada, Balenciaga, Dior, Saint Laurent oder Balmain hatten bei der stilistischen Neuausrichtung ganz bewusst ihr kreatives Erbe aufgegriffen, sich gewissermaßen an ihre Marken-DNA zurückerinnert. So ließ sich Maria Grazia Chiuri bei Dior bei ihren taillierten Kleidern oder gerade geschnittenen Röcken vom Stil der Ikonen Edith Piaf oder Juliette Gréco aus den 1950er-Jahren inspirieren. Bei Saint Laurent wurde der vom Gründer des Hauses populär gemachte Hosenanzug natürlich von Kreativ-Chef Anthony Vaccarello in den Mittelpunkt der Kollektion gerückt. Olivier Rousteing schuf mit Details oder Accessoires wie Schleifen, Tupfen oder großen Hüten eine perfekte Hommage an den legendären Modeschöpfer Pierre Balmain.
In der SommerSaison 2024 wird auch bei Gucci das modische Vermächtnis des Hauses in moderner Version wiederbelebt. Nachdem nun genug spannende Vorfreude auf die Trends des kommenden Winters aufgebaut worden sein dürfte, sollen hier die wichtigsten Neuerungen in kurzer Form vorgestellt werden:
Micropants
Shorts oder Unterwäsche? Diese Frage drängt sich bei diesen ultraknappen Höschen zwangsläufig auf. Sie bilden eine der wenigen Ausnahmen zum allgemeinen Alltagstauglichkeits-Trend dieses Winters. Kaum anzunehmen, dass viele Frauen in diesen Micro-Pants, beispielsweise von Miu Miu oder Ferragamo, nach draußen gehen werden. Womit Promi-Damen wie Kendall Jenner kein Problem haben.
Power-Dressing
Altbekannte Klassiker des Business-Outfits wie Hosenanzüge (Max Mara oder Gabriela Hearst), Kostüme, Oversize-Blazer (Saint Laurent) oder Bleistiftröcke (Tove oder Burberry) bilden diesen Winter einen der Schwerpunkte in den meisten Designer-Kollektionen.
Maximal
Als Gegentrend zu den Kleidern und Röcken in Mini- oder Micro-Länge tauchen diesen Winter wieder verstärkt Maxi-Pieces in den Designer-Kollektionen auf. Auch ein pfiffiges Statement für „Quiet Luxury“, weil die Teile konservativ und schlicht wirken.
Hosenfavoriten
Die „Vogue“ hat auf den Catwalks sieben Hosen-Typen mit Trend-Potenzial ausfindig gemacht. Wobei sie Lederhosen zum absoluten Must-have deklariert hatte, nicht nur in der Farbe Schwarz, sondern auch in Kirsch- und Burgunderrot. Dann natürlich im Zuge des Business-Look-Revivals die Anzughosen, vor allem in den Farben Schwarz oder Grau. Als schillernde Ausreißer eignen sich Paillettenhosen, beispielsweise von Gianbattista Vialli oder MSGM. Als Alternative wurden Space-Hosen in Silber oder Metallic ausgemacht. Die Jeans gibt es diesmal in lässig-weiter und langer Variante. Auch die Cargohosen sind ein Evergreen. Nur die Netzhosen, meist in Schwarz, sind eine für die kalte Jahreszeit etwas ungewöhnliche Hosen-Wahl.
Hemden-Comeback
Das häufig als schnöde missachtete Damenhemd erlebt dank Marken wie Bottega Veneta, Prada oder Akris mit der Rückbesinnung auf die Basics ein schönes Revival. Wobei es durch Details wie Farbtupfer, XL-Manschetten oder Taillengürtel deutlich aufgewertet wird.
Double-Denim
Dieser Trend dürfte an Alltagstauglichkeit kaum zu übertreffen sein. Zumal das Jeans-Ensemble aus Hose und Denim-Oberteil auch die morgendliche Klamottenauswahl aus dem Kleiderschrank enorm erleichtern dürfte. Statt der Hose darf es natürlich auch mal ein Jeansrock sein, wie es Versace auf den Laufstegen gezeigt hatte.
Layering über Mänteln
Um der Winterkälte zu trotzen, hat eine Reihe von Designern wie Burberry oder The Row auf den Laufstegen die Idee präsentiert, über den Mänteln zusätzlich Schals oder Umhänge zu tragen.
Volumen-Materialien
Wer seinem Outfit eine gehörige Portion Dramatik verleihen möchte, sollte sich diesen Winter auf den Spuren von Erdem, Molly Godard oder Carolina Herrera für Pieces aus voluminösem Tüll, Satin oder Taft entscheiden. Alternativ könnte auch zu gepunktetem Organza wie bei Nina Ricci oder zu Puff-Falten wie bei Gucci geraten werden.
Leder
So etwas wie das heißeste Material des kommenden Winters. Egal ob in Echt-Variante oder als Kunstleder auftretend. Leder dominierte in allen vier Fashion-Metropolen die Catwalks und wurde zur Gestaltung von Hemden, Röcken, Kleidern, Hosen, Jacken oder Mänteln von nahezu allen Designern verwendet.
One Shoulder
Nicht wirklich jahreszeitengemäß, aber durch einen möglichst perfekten Mix von Darüber-Darunter wie bei Louis Vuitton oder Stella McCartney durchaus interessant.
Transparenz
Frau muss ja nicht unbedingt zu den Naked Dresses greifen und den von Nensi Dojaka unbeirrt forcierten See-Through-Trend mitmachen. Denn es geht natürlich auch deutlich subtiler, beispielsweise mit dem kleinen Schwarzen aus Spitze mit gezähmtem Durchblick.
Schleifen
Ein verspieltes Detail, das diesen Winter ungewöhnlich häufig auf verschiedensten Kleidungsstücken aber auch auf Schuhen auftaucht, mal groß und plakativ, mal eher klein und dezent gehalten.
The Fifties
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit sind Dior, Balmain und Bottega Veneta auf die 1950er-Jahre gestoßen und haben interessante Retro-Designs mit Oversize-Petticoats, geschnürter Taille und Pin-up-Style-Dresses geschaffen.
Festliche Abend-Garderobe
Hier darf es bei Cocktail- und Abendkleidern in Gold und Metallic zu den anstehenden Festtagen mal so richtig glänzen, aber auch Mäntel oder Blazer können wie bei Dior oder Valentino in diesem schillernden Look gehalten sein.
Flowers
Blumen pflegen in der Sommersaison zu sprießen. Diesen Winter machen die Designer mal eine Ausnahme und bringen die Blumen als Applikationen (wie auf einem Rock von Prada), als Print (wie bei Jil Sander) oder als florales Muster auf Klamotten zum Leuchten.
Karo-Print
Alle Jahre wieder … Das Karo-Muster gehört einfach zur Winter-Saison dazu. Wobei diesmal auf den Laufstegen von Thom Browne über Burberry bis hin zu Saint Laurent besonders häufig urbritisches Tartan oder Schottenkaro zu sehen war. Meist kein bisschen kleinkariert, sondern großformatig ausgestaltet.
Federn
Auch diese Zierdetails bleiben weiterhin en vogue, wobei Valentino mit einem schwarz-weißen Federmantel sprichwörtlich den Vogel abgeschossen haben dürfte.
Polka Dots
Die gute Laune versprühenden Pünktchen treten heuer häufig in XXL-Format in Erscheinung, sie waren bei Saint Laurent, Balenciaga und Saint Laurent ein bevorzugtes Deko-Detail.
Farben
Wenig überraschend, dass der Winter-Klassiker Schwarz auch diese Saison wieder omnipräsent ist, vor allem bei Mänteln oder transparenten Spitzen-Teilen. Als Partner hat sich Schwarz aber diesmal auch ganz unübersehbar seine Antipode Weiß auserkoren, was sich insbesondere in den Kollektionen von Chloé, Chanel und Emporio Armani niedergeschlagen hat. Pastellrosa hat das sommerliche Barbie-Quietsch-Pink abgelöst. Unter den übrigen besonders angesagten Pastell-Farben ragt diesmal Gelb heraus, auch schon mal in der dezenteren Variante Safran. Rot nicht zu vergessen, das nicht nur bei Kleidern, sondern vor allem auch bei Schuhen trendy rüberkommt. Und dass Erdtöne auch diesen Winter die Damengarderobe prägen und geradezu eine der Paradefarben von „Quiet Luxury“ darstellen, ist einem Traditionshaus wie Hermès schon seit Jahrzehnten bewusst.
Handtaschen
Standen in der vergangenen SommerSaison noch die Tragetaschen im Mittelpunkt, so haben die Designer ihre Aufmerksamkeit im Winter 2023/2024 vor allem auf die Clutches gerichtet. Diese sind bekanntermaßen nicht sonderlich praktisch, aber dafür haben einige Labels wie Givenchy, Miu Miu oder Jil Sander Jumbo-Exemplare entworfen.
Schuhe
Die beliebten Ballerinas müssen die Poleposition an spitze Flats abgeben. Auffällig zudem die große neue Offensive der schlichten schwarzen Pumps und als alltagstaugliche Alternative zu den Kitten Heels das verstärkte Auftauchen von Wedges oder Keilabsätzen. Auch den romantisch-verspielten Mary Janes wurden häufig Absätze verpasst. Schnüre und Schnallen verleihen den Stiefeln, darunter natürlich auch die Combat Boots, oft eine punkige Attitüde. Die Overknees sind teilweise etwas weiter geschnitten und reichen gelegentlich wie bei Stella McCartney oder Isabel Marant ziemlich hoch die Oberschenkel hinauf. Beliebte Deko-Details sind Schleifenverzierungen. Ein Mini-Trend sind Stiefel aus Denim, ziemlich skurril flache Modelle im Hausschuh-Look oder auch plüschige Furry Shoes. Aus der Menswear wurden wieder mal Brogues und Loafer entlehnt. Metallic Heels nicht zu vergessen.
Strumpfhosen
Die durchsichtigen Beinkleider werden meist in den Designer-Kollektionen übersehen. Diesen Winter könnte sich das mal ändern, weil sich eine große Zahl von Labels ins Zeug gelegt hat, um neue Modelle zu entwickeln. Egal ob es sich dabei um Netzstrumpfhosen, bunte Tights oder Samtstrumpfhosen handelt. Als Begleiter zu den angesagten Micro-Shorts sind sie auf jeden Fall unabdingbar.
Krawatten
Bei vielen Männern unbeliebt, in der Damenmode von Labels wie Dolce & Gabbana, Dior oder Valentino als Accessoire hoch geschätzt.
Jumbo-Ohrstecker
Unter den schmückenden Accessoires haben diesen Winter Ohrstecker die Nase vorn. Oft in voluminösem Format, mal in Gestalt riesiger Tränen wie bei Bottege Veneta, mal als riesige Perlen wie bei Rokh.