Nach einer kleinen Ergebniskrise haben die Eisbären Berlin zurück in die Spur gefunden und stehen zur Hauptrunden-Halbzeit ganz oben in der Tabelle. Das Team konzentriert sich wieder mehr auf die Basics statt aufs Schönspielen.
Die beiden NFL-Spiele im November in Frankfurt haben ohne Zweifel den Football-Hype in Deutschland gerade unter jungen Sportfans verstärkt. Und auch Geschäftsführer Roger Goodell von der nordamerikanischen Football-Profiliga NFL sprach von einem großen Erfolg, denn: „Deutschland war für unser Wachstum von entscheidender Bedeutung.“ Ähnlich denken auch die Macher der besten Eishockey-Liga der Welt, NHL-Boss Gary Bettman heizte jüngst Spekulationen über Pflichtspiele in deutschen Hallen im kommenden Jahr mit den Worten an: „Wir haben uns schon eine Menge möglicher Standorte angesehen und werden das auch weiter machen. Deutschland ist sicherlich auf der Liste.“ Berlin dürfte als Standort ganz oben stehen – und das aus mehreren Gründen. Die Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof genügt genau wie die Infrastruktur der Hauptstadt höchsten Ansprüchen, und Berlin hat 2011 beim NHL-Duell der Buffalo Sabres mit den Los Angeles Kings sowie beim Testspiel der Eisbären gegen die San Jose Sharks 2022 seine Gastgeber-Qualitäten bereits unter Beweis gestellt. Und dass der ortsansässige Eishockeyclub Eisbären Berlin in der nationalen Liga wieder top ist, dürfte die Chancen zumindest nicht schmälern.
Gastgeber-Qualitäten bewiesen
Mit zwei knappen Siegen in den Topspielen am vergangenen Wochenende gegen die Fischtown Pinguins (4:3 nach Verlängerung) und Red Bull München (2:1 nach Penaltyschießen) haben die Berliner die Tabellenführung in der DEL inne. Nach der Hälfte der Hauptrunde hat der Rekordmeister einen Punkt Vorsprung auf die Straubing Tigers, zwei auf die Pinguins und gar sieben auf München. Das ist eine beeindruckende Halbzeit-Bilanz, die sich die Verantwortlichen zwar erhofft, nach der katastrophalen Vorsaison mit dem blamablen Verpassen der Playoffs aber wohl selbst kaum für möglich gehalten hatten. Die Mission „Wiedergutmachung“ läuft bislang einwandfrei –
doch zufrieden sind die Eisbären damit noch lange nicht. Am Freitag bei den Iserlohn Roosters und zwei Tage später im Heimspiel in der Arena am Ostbahnhof gegen die Adler Mannheim will das Team nachlegen und die Spitzenposition erfolgreich verteidigen. „Das war eine gute erste Hälfte für uns. Wir dürfen jetzt aber nicht zurückschauen, sondern müssen nach vorn blicken und weitermachen“, sagte Ty Ronning.
Der Neuzugang aus den USA ist einer der Gründe, warum es wieder deutlich besser läuft beim Hauptstadtclub. Gegen München erzielte er ein Tor in der regulären Spielzeit und den entscheidenden Penalty im Shootout. In seinen 15 Spielen kommt er schon auf 13 Scorerpunkte, mit seiner Schnelligkeit ist der 25-Jährige ein belebendes Element im Eisbären-Spiel. Doch Starallüren lassen weder er noch andere Berliner Profis derzeit raushängen. „Ich mache nur das, was meine Mannschaft von mir braucht“, sagte Ronning: „Wir haben eine gute Chemie im Team, und die Mannschaft steht bei allem im Vordergrund.“
Das ist ein großer Verdienst von Trainer Serge Aubin, der im Frühjahr noch auf der Kippe stand. Der Meistertrainer hatte in der völlig verkorksten Vorsaison reichlich Kritik einstecken müssen, doch sein Kredit durch die zwei Meistertitel 2021 und 2022 war noch nicht aufgebraucht. Durch den starken Saisonstart hat sich sein Standing innerhalb des Clubs wieder deutlich verstärkt. Der Lohn: die vorzeitige Vertragsverlängerung Mitte November um zwei weitere Jahre. Diese sei „ein Zeichen für Kontinuität, die uns sehr wichtig ist“, sagte Sportdirektor Stéphane Richer. Er bezeichnete Aubin, den er schon aus gemeinsamen Zeiten aus Hamburg kennt, als „den richtigen Cheftrainer“ für den Club, denn: „Man merkt, dass er sich in Berlin wohlfühlt und sich mit den Eisbären identifiziert. Uns gefällt sowohl unsere Spielweise unter Serge als auch die Weiterentwicklung der gesamten Mannschaft.“ Der notwendige Umbruch sei zwar erfolgreich gestartet, aber noch nicht vollendet, betonte Aubin: „Ich bin froh, meine Arbeit auch in den kommenden beiden Saisons fortzusetzen und hoffe, dass wir zusammen weitere Meisterschaften gewinnen werden.“
Titelreif präsentierte sich das Team aber ausgerechnet unmittelbar nach der Vertragsverlängerung mit dem Coach nicht unbedingt. Es hagelte drei Heim-Niederlagen in Folge gegen Wolfsburg, Düsseldorf und Iserlohn, weil die Eisbären ihr eigenes Erfolgsrezept vergessen hatten. „Als wir Erfolg hatten, war es weniger unser Spielstil, der den Ausschlag gegeben hat, sondern das bedingungslose Engagement, alles zu geben“, sagte Aubin. Seine Spieler wollten es zu schön machen und vergaßen dabei die Basics des Spiels. „Dann musst du sicherstellen, dass du die Zweikämpfe gewinnst, sonst kannst du keine Spiele gewinnen“, haderte Aubin öffentlich wie intern: „Ich habe den Jungs gesagt, dass wir wieder damit beginnen müssen, füreinander zu kämpfen und uns zu unterstützen. Darum geht es. Wir sollten wieder wie eine Familie spielen, wie ein Team voller Brüder.“
Erfolgsrezept vergessen
Die klare Sprache des Kanadiers fand bei den Spielern Gehör. Dem 3:1-Auswärtserfolg in Mannheim, den Aubin als „Charaktersieg“ adelte, folgten jeweils zwei Punkte gegen die Spitzenteams aus Bremerhaven und München. Red Bull München, das für seine Verhältnisse miserabel in die Saison gestartet war, reiste mit einer von vier Siegen in Folge gestärkten Brust in die Hauptstadt. „Wir wussten, dass wir auf ein sehr talentiertes Team treffen und dass es ein enges und hart umkämpftes Spiel werden wird“, sagte Aubin, der sich vor 14.200 Zuschauern über die „sehr gute Teamleistung“ freute. Der Münchner Nationalspieler Yasin Ehliz haderte in dem „Topspiel bis zum Schluss“ mit der Disziplin seiner Mannschaft: „Wir waren zu oft auf der Strafbank, das kostete viel Kraft.“
Wie zuvor auch gegen Mannheim und Bremerhaven spielten die Eisbären nicht unbedingt den besseren, aber effektiveren Stil. Durch einfache Aktionen bekomme sein Team aktuell die Kontrolle, „das ist nicht sehr schön, aber sehr effektiv“, meinte Aubin. Das sei angesichts der Personaldecke, die durch Verletzungen ziemlich ausgedünnt ist, ein probater Weg. Auch Nationalspieler Marcel Noebels erkennt die Vorteile des Plans, zuletzt habe man „viele Sachen richtig gemacht, weil wir einfacher gespielt haben“. Das sei wichtig gewesen, „nachdem wir ein bisschen Federn gelassen hatten“. Der Topscorer forderte: „Wir müssen auch so weitermachen. Es bringt ja nichts, wenn wir am nächsten Wochenende wieder ins alte Schema zurückfallen.“
Theoretisch können sich die Eisbären noch mit einem Eishockey-Crack aus Nordamerika verstärken, denn eine Ausländer-Lizenz ist noch offen. Die zehnte und vorletzte gaben die Berliner an Marcel Noebels, der Kanadier stürmt bis Saisonende für den Hauptstadtclub. Der 28-Jährige habe im Training einen „sehr guten Eindruck hinterlassen“, wie Sportdirektor Richer begründete: „Wir sind davon überzeugt, dass er uns direkt weiterhelfen wird. Zudem wird er unserem Kader noch mehr Tiefe verleihen.“ Mit einem Tor beim Debüt gegen die Fischtown Pinguins feierte er sogleich einen Einstand nach Maß. Descheneau, der die DEL aus seiner Zeit bei der Düsseldorfer EG kennt (2018 bis 2019), fühlt sich sportlich und menschlich sehr gut bei den Eisbären aufgehoben: „Ich wurde unglaublich positiv von den Jungs und dem gesamten Stab aufgenommen.“