Der Szenenbildner Andreas C. Schmid ist seit mehr als 15 Jahren immer wieder für den SR- „Tatort“ tätig. Im Gespräch erklärt er seine Arbeit, teilt seine Begeisterung und erzählt, was ihn als Zugereisten am Saarland besonders fasziniert.
Andreas C. Schmid überlegt lange. „Eigentlich möchte ich es nicht sagen. Ich könnte es beschreiben, aber ich möchte es nicht“, sagt er fast schon entschuldigend. Dabei ist das völlig legitim. Ein bisschen geheimnisvoll muss es noch bleiben bei diesem Blick hinter die Kulissen des „Tatorts“. Schmid ist Szenenbildner und „Kulisse“ ist hier das richtige Stichwort: Er ist der Mensch, nach dessen Visionen und Ideen die Kulissen gestaltet und auch die Schauplätze für einen „Tatort“ gewählt werden und der dafür verantwortlich ist, dass die fiktive Welt der Filmrealität Gestalt annimmt. Schmid ist nicht ausschließlich, aber unter anderem, bei diversen „Tatort“-Produktionen deutschlandweit tätig. So auch seit 16 Jahren immer wieder für den des Saarländischen Rundfunks. Wenn Ende Januar „Der Fluch des Geldes“ im Rahmen des saarländischen Filmfestivals Max Ophüls in Saarbrücken Premiere feiert, steckt er bereits bis über beide Ohren in der Arbeit für den nächsten Krimi einer anderen Sendeanstalt. Es gebe immer was zu tun und jeder „Tatort“ sei anders, sagt Schmid.
Ein Szenenbildner oder eine Szenenbildnerin wird bei einer Filmproduktion bereits aktiv, lange bevor die erste Klappe fällt. Die Arbeit von Andreas C. Schmid beginnt damit, das Drehbuch zu lesen. Dann fängt er an, das passende Szenenbild zu konzipieren. Er legt zum Beispiel fest, wie Räume aussehen oder welche Orte sich für Außenaufnahmen eignen. Dabei ist der Kontakt mit Regisseur oder Regisseurin und dem Produktionsteam wichtig, denn es geht nicht nur um kreative Entscheidungen, sondern natürlich auch ums Geld. Jeder Film hat ein gewisses Budget, das es einzuhalten gilt.
Privathäuser als Kulisse im „Tatort“
Als Szenenbildner für die Produktionen ist er immer auch auf Privathäuser oder Firmengebäude im Sendegebiet angewiesen, die für den Dreh zur Verfügung gestellt werden erzählt Schmid. „Motivgeber“ heißen die Menschen, die ihre Häuser oder Wohnungen anbieten. Wenn dann etwa das Architektenhaus eines Unternehmers gesucht wird oder eine Tiefgarage für einen Schusswechsel, dann kann es passieren, dass ein Szenenbildner durch die Städte und Gemeinden fährt und geeignete Häuser und Plätze sucht. Obwohl Andreas C. Schmid das Saarland mittlerweile lieb gewonnen hat, lebt er nicht selbst dort. Deshalb bekommt er bei der Motivsuche Unterstützung von seinem in Saarbrücken ansässigen Kollegen Gregor Wickert, mit dem Schmid dann unterwegs ist. Obwohl Wickert Bühnenbildner für Theaterproduktionen ist, macht er „einmal im Jahr einen Ausflug in die Filmarbeit“, sagt Schmid. „Es ist ein großes Glück für mich, dass ich ihn vor Ort habe und er seine Kompetenzen und Kontakte einfließen lässt.“
Hat sich dann ein Motivgeber für das gewünschte Ambiente gefunden, geht es irgendwann ans Drehen. Wer sein Haus zur Verfügung stellt, bekommt zwar eine Aufwandsentschädigung. Darum gehe es den meisten aber nicht. Den Trubel im Haus müsse man – Geld hin oder her – ohnehin verkraften können. Denn nicht erst seit Loriots „Pappa ante portas“ ist klar, dass so ein Filmteam im Haus für mächtig Wirbel sorgen kann. So kann es passieren, weiß der Szenenbildner aus erster Hand, dass das Produktionsteam in Privathäusern sogar Wände umstreicht, Möbel entfernt oder neue aufbaut – eben ganze Räume umkrempelt. Am Ende der Produktion wird natürlich alles wieder rückgängig gemacht. „Einige Leute fahren in dieser Zeit einfach in Urlaub oder gehen ins Hotel“, erzählt Schmid lachend.
Ganz schön viel Aufwand. Und doch denkt kaum jemand am Sonntagabend während des „Tatorts“ aktiv darüber nach, ob eine Wand in der Wohnung des Verdächtigen nun rot oder violett ist, ob die Tasse auf dem Schreibtisch der Kommissarin einen Sprung hat oder ob das Opfer auf einem englischen Rasen oder auf löchrigem Asphalt gefunden wird. Auch wenn es nicht so aussehen mag, dem Zufall wird trotzdem nichts überlassen. Vom Krimskrams, der im Wohnzimmerregal steht, über Wandfarben, Küchentisch, Zimmerpflanze bis hin zum kompletten Straßenzug: Alles ist sorgfältig platziert und ausgewählt. „Es muss eine Welt sein, die emotional anspricht“, sagt Schmid. Bewusst wahrnehmen muss man sie als Zuschauer also eigentlich gar nicht. So kann die passende Wohnungseinrichtung trotzdem auf subtile Art zum Beispiel Charaktereigenschaften der jeweiligen Rollen unterstreichen, gewisse Stimmungen erzeugen oder eben einfach den perfekten Hintergrund für die Handlung liefern, die sich im Vordergrund abspielt.
20 bis 25 Drehorte gibt es im Schnitt, die sowohl nach technischen als auch ästhetischen Gesichtspunkten passen müssen. Wo gedreht wird, darf es zum Beispiel nicht zu laut sein, die Orte müssen gut erreichbar sein und sie sollen zum visuellen Gesamtkonzept passen. Über zwei solcher perfekter Schauplätze freut sich Schmid bei der aktuellen Produktion „Der Fluch des Geldes“ besonders: die beiden stillgelegten Gusswerke von Saint-Gobain und Halberg Guss am Fuß des Halbergs in Saarbrücken. Andreas C. Schmid kommt ins Schwärmen und man möchte ihm lange zuhören, wenn er die Orte aus seinem Blickwinkel so detailliert beschreibt, dass man sie tatsächlich vor sich sieht. „Diese Gießereien waren über Jahrzehnte im städtischen Bewusstsein“, sagt er. „Es hat immer so dekorativ gedampft, wenn man von der Autobahn in Richtung Halberg geschaut hat.“ Dekorativer Dampf. So sieht es vielleicht nur ein Szenenbildner und das ist genau das, was seine Fähigkeiten ausmacht. Schmids Begeisterung ist echt, wenn er von den Drehorten schwärmt: „Plötzlich hatten wir Möglichkeit, dort zu drehen: Wir konnten diese gigantische Industriekulisse nutzen!“ Überhaupt ist auch sein Blick auf das Saarland ein interessanter und gleichzeitig irgendwie liebevoller. „Als ich 2008 zum ersten Mal nach Saarbrücken kam, war ich fasziniert von den Gegensätzen, denen ich in dieser Stadt begegnet bin“, erinnert er sich. „Dass Jugendstilhäuser direkt neben gewaltigen Fabriken stehen. Dass Wald – ja fast Urwald – direkt an gewaltige Kraftwerke angrenzt. Diese unfassbaren Gegensätze waren das Faszinierendste überhaupt! Das ist mir in keiner anderen Gegend so begegnet.“ So positiv kann man das Saarland und seine eigenartige Ambivalenz also auch beschreiben.
„Das Faszinierendste überhaupt“
Andreas C. Schmid tut es mit Worten und er hat seinen Blick auf das Bundesland auch mit seinen eigenen Mitteln im „Tatort“ verarbeitet. So bildhaft, wie er von den Schauplätzen berichtet, so lebendig erinnert er sich auch an seinen ersten Besuch im Saarland. 2008 war er zum ersten Mal vor Ort, im Vorfeld des Films „Das Schwarze Grab“, jener eindrucksvollen Folge der Krimireihe, die in weiten Teilen als Whodunit unter Tage im Bergwerk spielt.
Für Schmid bis heute tatsächlich eines seiner denkwürdigsten Engagements. Die ehemalige Grube in Landsweiler-Reden stand damals für die Dreharbeiten zur Verfügung. „Mit dem Regisseur Gregor Schnitzler und dem Produktionsleiter sind wir damals in 960 Meter Tiefe eingefahren. Und am Ende, nachdem ich sechs Wochen jeden Tag da unten war, habe ich mir gedacht: ‚Was für ein Glück, jeden Morgen dort einfahren zu können.‘ Dass wir so lange da unten arbeiten konnten in einer Abgeschiedenheit und einer Ruhe. So etwas habe ich noch nie erlebt!“
Andreas C. Schmid ist ein höflicher und angenehmer Gesprächspartner, er antwortet überlegt und distinguiert. Nur diese eine Frage möchte er nicht beantworten. Es ist die Frage nach seinem eigenen Stil als Szenenbildner. Seiner visuellen Handschrift, an der man ihn erkennen könnte, wenn man einen seiner Filme sieht. Er denkt lange nach und antwortet ehrlich. Und eigentlich ist es auch logisch, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Denn ein Szenenbild erzählt seine Geschichte eben ohne Worte und ohne Erklärungen, eben mit der gleichen Mischung aus Feingefühl und Zurückhaltung, die man als Szenenbildner womöglich ohnehin mit sich bringt.