Ein unerklärlicher Einbruch brachte die Eisbären Berlin aus dem Tritt. Doch im Prestige-Duell bei Red Bull München findet das Team zurück in die Erfolgsspur. Zwei Spieler überragen in der Partie.
Verträge werden in der Deutschen Eishockey Liga in der Regel erst nach der Saison verlängert. Oder zumindest öffentlich verkündet. Mitteilungen über Vertragsverlängerungen in der laufenden Spielzeit sind daher etwas Besonderes – zumal wenn sie wie im Fall der Eisbären Berlin auch noch im Doppelpack kommen. „Wir haben gute Neuigkeiten für euch!“, schrieb der Club in einer Nachricht auf den Social-Media-Portalen an die Fans und verkündete den Verbleib der Nationalspieler Leo Pföderl und Manuel Wiederer. Beide Leistungsträger, deren Kontrakte nach der Saison ausgelaufen wären, laufen mindestens noch eine weitere Saison im Trikot des DEL-Rekordmeisters auf. Man sei deswegen „sehr glücklich“, sagte Sportdirektor Stéphane Richer: „Sie stärken unseren Angriff sehr und sind überaus wichtig für unseren Kader.“ Die beiden Profis seien „bereits seit mehreren Jahren wichtige Bestandteile unserer Mannschaft und tragende Säulen unseres Offensivspiels“, schwärmte Richer: „Sie gehören nicht grundlos zu unseren Führungspersönlichkeiten.“
„Stärken unseren Angriff sehr“
Vor allem Pföderl ist seit seinem Wechsel 2019 aus Nürnberg ein Gesicht des Clubs, mit dem er zwei Meistertitel holte. Etwas mehr als 200 DEL-Spiele bestritt er bereits für die Eisbären, in denen dem Angreifer fast genauso viele Scorer-Punkte gelangen. Wiederer, der von den 2016 San José Sharks gedraftet wurde, sich in der NHL aber nicht durchsetzen konnte, spielt aktuell seine dritte Saison für den Hauptstadtclub. Hier fühlt sich der Center wohl, hier will er große Ziele verwirklichen: „Die Eisbären gehören zu den größten und erfolgreichsten Clubs Deutschlands.“ Das zeigten die Berliner nach der völlig verkorksten Vorsaison auch lange in der Spielzeit 2023/24. Doch zuletzt gab es einen bemerkenswerten und so nicht für möglich gehaltenen Einbruch: 2:3 gegen die Schwenniger Wild Wings, 1:5 bei den Fischtown Pinguins, 2:6 bei den Straubing Tigers. Die Euphorie vom starken Saisonstart, der zwischenzeitlichen Tabellenführung und den sechs Siegen in Serie davor war ein wenig verflogen. Vor allem die Niederlagen gegen den Spitzenreiter Bremerhaven und den Dritten Straubing warfen die berechtigte Frage auf: Sind die Eisbären überhaupt schon wieder titelreif?
Die Antwort gab das Team am vergangenen Sonntag beim Auswärtsspiel beim Titelverteidiger. Mit 6:4 bezwangen die Berliner den Tabellenvierten Red Bull München und beendeten die Mini-Krise mit großer Entschlossenheit – und einem überragenden Manuel Wiederer. Der 27-Jährige glänzte als dreifacher Torschütze – sein erster Hattrick in der DEL. „So was passiert mir ja nicht so oft, ich habe ja eher eine defensive Rolle“, sagte Wiederer und mutmaßte: „Da werde ich wohl einen ausgeben müssen.“ Aber eigentlich müssten die Teamkollegen ihm einen ausgeben, seine Treffer zum 1:0, 3:2 und 5:4 waren allesamt extrem wichtig. Denn die nach einem schwachen Saisonstart längst wieder erstarkten Münchener hatten sich viele Chancen erspielt und konnten viermal einen Rückstand ausgleichen. Das brisante und hitzig geführte Spitzenspiel hätte auch jederzeit in die andere Richtung kippen können. Doch diesmal behielten die Eisbären die Nerven.
„Ein unheimlich wichtiger Sieg gegen eine sehr gute Mannschaft“, meinte Wiederer, der aber auch klar die Unzulänglichkeiten ansprach: „Das erste Drittel entsprach nicht unserem Standard.“ Die Gäste traten viel zu abwartend und phasenweise fast ein wenig ängstlich auf. Das gab auch Tobias Eder, Torschütze zum 4:3, zu: „Im ersten Drittel hat uns München eingeschnürt, aber davon haben wie uns nicht einschüchtern lassen.“ Trainer Serge Aubin hatte druckvolle Münchener von Beginn an erwartet, konnte sein Team aber scheinbar nicht gut genug auf das Powerplay vorbereiten. In der Kabine dürfte er deutliche Worte an sein Team gerichtet haben, denn ab der 21. Minute traten die Berliner völlig anders auf. „Mir hat heute aber vor allem gefallen, dass wir wieder zu unserer Haltung zurückgefunden haben“, meinte Aubin, „ab dem Mittelabschnitt haben wir viel besser gespielt und Spielzüge aufgezogen“. Auch Wiederer sah sein Team dann als „ein gutes Kollektiv“ agieren, von dem er als torgefährlicher Angreifer auch profitierte. „Ich freue mich über meine Tore. Aber mir ist es egal, wer für uns trifft. Hauptsache wir haben gewonnen“, sagte er hinterher. „Nach den Gegentreffern hätte das Momentum auf Münchens Seite wechseln können. Wir haben unser Spiel aber immer weitergespielt und wurden schlussendlich auch belohnt.“
Zweiter Matchwinner neben Wiederer war Torhüter Jonas Stettmer. Der Back-up von Jake Hildebrand durfte diesmal das Tor hüten, weil der US-Amerikaner zuletzt keine besonders glückliche Figur gemacht hatte. Stettmer hielt sein Team vor allem im ersten Drittel mit starken Paraden im Spiel. „Respekt an Jonas Stettmer“, äußerte Coach Aubin, „er war zur Stelle, wenn wir ihn brauchten“. Vor allem auswärts läuft der vor der Saison vom ERC Ingolstadt verpflichtete 22-Jährige zur Höchstform auf: Mit ihm im Tor gewannen die Eisbären alle vier Auswärtsspiele. Stettmer kratzt immer mehr an Hildebrands Nummer-eins-Status, seine persönlichen Statistiken wie die Fangquote (91,63 Prozent) sind nur unwesentlich schlechter als die des Stamm-Goalies (91,99). Stettmer überzeugt in seinen DEL-Einsätzen und auch in der DEL 2 bei Kooperationspartner Lausitzer Füchse, für den er dank einer Förderlizenz auch auflaufen darf. „Ich habe definitiv große Schritte gemacht in dieser Saison“, so Stettmer: „Ich denke, ich habe einen sehr guten Weg vor mir.“
Starker Auftritt von Stettmer
Stettmer beweist derzeit, dass die Vorsaison kein Glück war. Bei Ex-Club Ingolstadt hatte er als nominell dritter Torwart vom Verletzungspech anderer profitiert und war in der Finalserie gegen den späteren Meister München zum Shootingstar avanciert. Auch aufgrund der bärenstarken Leistung unter dem größtmöglichen Druck hatten die Berliner entschieden, den jungen Goalie unter Vertrag zu nehmen. Und Stettmer hat keine Angst, auch für Berlin in den heißen K.-o.-Duellen seinen Mann zu stehen. „Für die Eisbären ist ganz klar immer das Ziel, Meister zu werden“, sagte er und fügte selbstbewusst an: „Ich denke, nach unserer bisherigen Saison gehören wir mit zu den Anwärtern.“ Die Viertelfinal-Teilnahme dürfte realistisch betrachtet sicher sein, doch im Kampf um die besten Plätze für die K.-o.-Runde dürfen sich Wiederer, Stettmer und Co. keine Schwächephase wie im Januar erlauben. „Das tat ein bisschen weh“, gab Pföderl zu. Umso wichtiger war der Sieg gegen den Tabellen-Vierten München, der nun schon elf Punkte Rückstand hat.
So oder so: Die Saison beenden werden die Eisbären ohne Rayan Bettahar. Der Vertrag mit dem 19-Jährigen wurde vorzeitig aufgelöst. Diese Entscheidung sei einvernehmlich getroffen worden, teilte der Club mit. Weder der junge Verteidiger noch die Eisbären waren mit der Entwicklung und den Einsatzzeiten zufrieden. Bettahar war im November 2022 aus der kanadischen Western Hockey League nach Berlin gewechselt, wo er jedoch nur 24 DEL-Spiele bestritt. Nahezu gleich viele Partien absolvierte er für Kooperationspartner Lausitzer Füchse in der DEL2. Dort hat der U20-Nationalspieler einen neuen Verein gefunden: Die Kassel Huskies gaben dessen Verpflichtung kurz nach der Vertragsauflösung in Berlin bekannt.