Wer noch im Januar gesunde Vorsätze in Sachen Ernährung umsetzen will, kommt in der Florastraße auf seine Kosten. Im Café „Trivitys“ lassen sich süße und herzhafte Köstlichkeiten genießen: bio, vegan, glutenfrei und ohne Zusatzzucker.
Vor zehn Jahren initiierten die Engländer Jane Land und Matthew Glover den sogenannten „Veganuary“. Nach dieser Idee konnte sich, wer mochte, mit dem Beginn des neuen Jahres ab Januar vier Wochen lang rein pflanzlich ernähren – oder es zumindest einmal ausprobieren. Das, was im Jahr 2004 in Yorkshire begann und wofür das Brückenwort Veganuary erfunden wurde – ein Begriff zusammengesetzt aus ‚vegan‘ und dem englischen ‚january‘ (Januar) – wurde zu einer weltweiten Bewegung. Zwar ist der Januar schon bald wieder vorbei, dennoch ist dieser besondere Monat Anlass genug für unsere Essens-Kolumne, eine vegane Gastronomie in Berlin aufzusuchen. Außerdem muss der Genuss von veganer Ernährung nicht zwangsläufig einem bestimmten Datum folgen. Und so landen der Fotograf und ich bei „Trivitys“ im Flora-Kiez.
Gesüsst wird etwa mit Datteln
Das Café, das zugleich auch als Manufaktur dient, ist zwischen den S-Bahnhöfen Wollankstraße und Pankow gelegen. Es empfängt uns mit seinem lichtdurchfluteten, legeren Ambiente und seiner herzlichen Gründerin Tsvetana Dinkova samt ihrem Yorkshire Terrier Rambo. Hinter der Theke aus Holz strömt uns wohliger Kaffeeduft entgegen. Daneben sind offene Holzkisten angebracht, in denen sich etliche Gläser mit diversen Schoko-Aufstrichen aus der hauseigenen Manufaktur befinden: Hier ein Glas mit Aprikosen, da eines mit Haselnuss und dort eines mit Guaraná – jener tropischen Pflanze, die aufgrund ihrer anregenden Wirkung oft als Kaffeeersatz verwendet wird.
Gemein ist allen Brotaufstrichen ihre Basis aus Kakao und Datteln oder Aprikosen. Verwendet werden hierbei die größeren, saftigen Medjoul-Datteln, deren Geschmack an Karamell und Honig erinnert. Bei so viel natürlicher Süße bedarf es keines zusätzlichen Zuckers mehr. Und das gehört mit zum Konzept der Wahl-Berlinerin: Ihre Gäste kommen nicht nur in den Genuss von veganen Köstlichkeiten aus biologischem Anbau, sondern auch von glutenfreien und industriezucker-freien Produkten. Gesüßt wird bei „Trivitys“ lediglich mit gesünderen Alternativen wie etwa mit Datteln. Auch setzt die Pankower Gastronomin auf Fair Trade. So etwa bezieht sie den Kakao von einem Händler, der sich für eine faire Schokoladenproduktion in Ghana einsetzt.
Warum Tsvetana Dinkova gesunde Küche so am Herzen liegt, ist auch in ihrer Biografie begründet. Mit Anfang 20 kam die gebürtige Bulgarin zum Studium nach Berlin und machte Karriere in der Wirtschaftsprüfung bei einer großen Unternehmensberatung. Eine unerwartete Krebserkrankung stellte ihr Leben auf den Kopf und brachte sie zum Umdenken. Die heute 40-Jährige kündigte ihren Job, machte verschiedene Weiterbildungen. Im indischen Rishikesh absolvierte sie eine Ausbildung als Yogalehrerin. Von Rüdiger Dahlke ließ sie sich zur ganzheitlichen Ernährungsberaterin ausbilden.
Dank dieser Veränderung besiegte sie ihre lebensbedrohliche Krankheit und eröffnete ihr erstes eigenes Business, zu dem heute neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Dort, in der Florastraße 27, residierte zuvor jahrelang das Kinder-Café „Schönhausen“. Ende 2019 wurde die Location von seiner damaligen Besitzerin aufgegeben und von Tsvetana Dinkova übernommen. Die neue Eigentümerin sagt, sie sei dankbar, dass es ihr Café über die Coronazeit geschafft habe – nicht nur mithilfe eigener Rücklagen, sondern auch dank staatlicher Corona-Hilfen.
Bei meinem ersten Besuch werde ich auf eine Quiche Lorraine eingeladen. Der französische Klassiker schmeckt wunderbar umami und zergeht zart schmelzend auf der Zunge. Dafür wurde die Creme mit Seidentofu sowie rohen und fermentierten Cashew-Kernen gezaubert. Auch der Schweinespeck wurde durch geräucherten Tofu ersetzt. Begeistert von meinem ersten beglückenden Vorkosten, vereinbare ich einen offiziellen Termin für FORUM und komme in Begleitung unseres Fotografen wieder.
Leckere Waffeln auf Erdmandelbasis
Unser Morgen im Duett beginnt für mich mit einem kleinen Gaumen-Feuerwerk zum langsamen Wachwerden. Mein Immunity-Booster nennt sich „Fire Starter“ und ist ein leuchtend roter, frisch gepresster Saft aus Roter Bete, Apfel, Kurkuma und Ingwer, abgeschmeckt mit etwas Cayenne-Pfeffer. Dadurch kann der gesunde Wirkstoff Curcumin besser vom Körper aufgenommen werden, wie ich erfahre. Trotzdem ist es erst ein Kaffee der besonderen Art, der mich an diesem grauen Wintermorgen wachkitzelt: Der Dark Energy-Latte, für den ich mich entscheide, ist eine Mischung aus Espresso, Kokosnussmilch und Chaga. Letzteres ist ein schwarzer Heilpilz, der unter anderem das Immunsystem stärkt. Schon Hippokrates, der als Vater der modernen Medizin gilt, soll Chaga bei seinen Behandlungen eingesetzt haben.
Was soll ich sagen? Das Getränk mit dem furchteinflößenden Namen schmeckt angenehm karamellig. Zur Auswahl stehen neben den gängigen Kaffeespezialitäten wie Americano, Cappuccino und Flat White weitere warme Muntermacher. Dazu zählen etwa Morning Power mit Kakao und Guaraná – und wahlweise zusätzlich Maca – oder Green Oase mit Matchapulver.
Entsprechend der kalten Jahreszeit bestellen wir zum Frühstück eine „Erdende Bowl“ mit allerlei herzhaften Köstlichkeiten. Mit dabei sind unter anderem Portobello-Pilz und Kartoffel-Pastinaken Stampf mit ein paar Klecksen Rote Bete-Meerrettich-Chutney und fermentierte Cashew-Frischcreme. Dazu wird uns eine Bohnen-Erbsen-Guacamole mit dem bereits erwähnten Tofu-„Speck“ gereicht sowie eine wunderbar warme Protein-Waffel aus Mung Dal und Reis.
Die Erbsen-Guacamole ist zwar weniger cremig als die klassische Variante mit Avocado, sorgt dafür aber für mehr Textur im Mund. Als Beilage gibt es Salat und ein paar nussig schmeckende Cracker und glutenfreies Körnerbrot. Eines köstlicher als das andere. Selbst der ansonsten fleischbegeisterte, begleitende Fotograf zollt Tsvetana Dinkovas veganer Küche volle Anerkennung und lässt es sich sichtlich schmecken.
Schnell wird klar, dass wir nach unserem kleinen Umami-Festival für unsere Gaumen auch noch etwas Süßes brauchen. Und so geht es zum Abschluss wieder ins Schlaraffenland der Waffeln. Nur dieses Mal bestehen die knusprig-warmen Köstlichkeiten aus Erdmandelbasis. Ich erfahre, dass die auch als Tigernüsse oder auch Chufas bezeichneten Erdmandeln gar keine Mandeln sind, sondern die essbaren Sprossknollen des Zyperngrases. Die noch eisenwarme, glutenfreie Waffel ist fluffig und schmeckt zart nach Schokolade. Ich bin sofort schockverliebt in die kastanienbraune Süßigkeit.
Rohkost-Küchlein mit großen Namen
Während wir die Waffelkreationen an Bananenscheibchen und Schokoladencreme genießen, lasse ich das Ambiente des Cafés noch mehr auf mich wirken. Ich entdecke einen kleinen Zimmerspringbrunnen und auf der Frontwand ein paar Aquarelle. Verewigt sind dort die kulinarischen Stars der Florastraße 27, die Namen wie Sophia, James, Marilyn und Penelope tragen. Auf den Porträts sind allerdings keine Menschen abgebildet, sondern schmucke Rohkost-Küchlein, die ein, zwei Meter weiter ganz real hinter der Glasvitrine darauf warten, vernascht zu werden.
Auch wenn ihre Namen an das ferne Hollywood erinnern, handelt es sich bei den in Dreiecksform geschnittenen Törtchen doch um Köstlichkeiten aus der hauseigenen Küche, die hier „Raw Petits“ genannt werden. Penelope etwa ist eine Reminiszenz an die spanische Schauspielerin Penélope Cruz. In Anspielung an ihr südländisches Temperament enthält das Praliné-Küchlein eine Creme aus Cashew-Kernen, Chili und roter Bete, on top glasiert mit einer Schicht dunkler Schokolade.
„Wir verarbeiten die Zutaten ganz schonend und erhitzen sie nicht über 42 Grad“, erklärt die Gastronomin den Herstellungsprozess der kleinen Süßen. Natürlich isst auch hier das Auge mit. Doch die Kuchenstars sind auch so lecker, dass sie weitaus mehr wert sind, als nur von außen bewundert zu werden. Gesundes Essen kann absolut köstlich sein.