Wenn andere schlafen, präpariert Johannes Wühr mit sechs Kollegen die Skipisten am Großen Arber. Für ihn ist das nicht nur Arbeit, sondern ein Naturerlebnis.
Schnee peitscht gegen die Frontscheibe, Schnee peitscht gegen das Seitenfenster. Doch Johannes Wühr ist die Ruhe in Person. Mit Argusaugen schaut er abwechselnd auf Bordcomputer, Bildschirme und die bizarre weiße Landschaft ringsum. Die Fahrerkabine seines Pistenbullys ähnelt dem Cockpit eines Flugzeugs. Wühr ist einer von sieben Beschäftigten der Arber-Bergbahn, die nachts Pisten am Großen Arber präparieren, damit sich Wintersportler tags darauf wieder ins Abfahrts-Vergnügen stürzen können.
„Schnee ist fast täglich anders“
Am zweithöchsten deutschen Berg außerhalb der Alpen (1.455 Meter) sind zwischen 22 und 8 Uhr morgens Abfahrten mit einer Gesamtfläche von bis zu 50 Hektar herzurichten. „Dafür stehen uns vier Raupenfahrzeuge, davon zwei mit Seilwinde für die steilsten Abschnitte, zur Verfügung“, so Johannes Wühr. Die 520 PS der zehn Meter langen Hightech-Kraftprotze können mehrere Tonnen Schnee bewegen. Zusätzlichen Halt verschafft eine Stahlwinde, die der Niederbayer an zwölf Ankerstationen am Hang einklicken kann. Die Fahrzeuge sind auf zwölf Reifen und zwei Ketten unterwegs.
„Von der Technik her ist die Bedienung kinderleicht. Zwei Winter hab‘ ich gebraucht, um die Hänge perfekt präparieren zu können. Was ich jetzt mache, war übrigens schon als kleiner Bub mein Traumjob“, lächelt der 29-Jährige. Seine Aufgabe: Schnee, den Skifahrer wedelnd ins Tal befördern, nachts wieder bergauf zu schieben und zu verdichten. „Schnee und seine Beschaffenheit sind fast täglich anders. Unser Ziel ist, Gästen jeden Tag aufs Neue perfekte Bedinungen zu bieten.“ 40 Zentimeter Schnee sollen mindestens liegen – bei Bedarf mit Unterstützung von Schneekanonen. Weniger geht auch – doch meistens liegt viel mehr. Allein zum Saisonstart im letzten Dezember fiel über ein Meter Naturschnee. Es war ein Wintertraum am Großen Arber!
Konzentration und Teamfähigkeit sind extrem wichtig. Nebel und Sturm sind oft nicht ohne. Doch gefährlich sei der Job eigentlich nicht. Höchstens für jene Skitourengeher, die nachts trotz Verbots am Arber unterwegs sind. „Das gilt insbesondere wegen unserer Seilwinden, die ausspannen und ausschlagen und bei Dunkelheit Lebensgefahr bedeuten können“, mahnt Johannes Wühr, der immer vier Nächte am Stück arbeitet und dann zwei Tage und Nächte frei hat. Zumindest sei das in der Theorie so. Bei extremen Wetterlagen oder bei Krankheit von Kollegen werde selbstverständlich durchgearbeitet. Dass Johannes Wühr auch selbst ein leidenschaftlicher Skifahrer ist, versteht sich von selbst, wie er im Interview sagt. „Seitdem ich denken kann, stehe ich auf Skiern. Das lernen wir hier wie Kinder anderswo das Radfahren“, betont der Bayer.
Nord- und Ostdeutsche fahren bekanntlich gern Richtung Österreich und Oberbayern in die Winterferien. Erzgebirge, Fichtelgebirge, Harz und Thüringer Wald gibt es aber auch noch. Warum sollten Urlauber also ausgerechnet den Bayerischen Wald ansteuern? „Weil wir eine fantastische Natur haben und ein herzlicher Menschenschlag sind. Ihr findet hier gute Hotels und Ferienwohnungen, auch direkt in den Skigebieten. Da ist für jeden was dabei. Wie übrigens auch bei den Pisten: vom Kinderhang bis zur Weltcup-Strecke“, wirbt der Lokalpatriot für seine Heimat. „Nicht zu vergessen: Bei uns ist‘s bei weitem nicht so teuer wie im Alpenraum. Und du findest etliche Ausflugsziele auf kleinem Raum: vom Zwieseler Glas bis zur Brauereikunst, vom Pichelsteiner Eintopf bis Kaiserschmarrn bei der Kulinarik. Langweilig wird’s bei uns nie!“
Im Gespräch mit dem freundlichen Arberländer wird schnell klar, dass er nicht nur seine Arbeit, sondern auch das Naturerlebnis liebt. „Du siehst hier oben einfach Sachen, die du woanders nicht sehen kannst: etwa die im Morgenlicht der Sonne funkelnde Station der neuen Zugspitzbahn in großer Entfernung. Bei bestimmten Wetterlagen wirken die Alpen so nah, als lägen sie gleich hinter der Donau. Ich sags fast jede Woche einmal: ‚Mensch, is des bei uns schee.‘“ Die Region rund um den Großen Arber, aber auch viele Ecken im Bayerischen Wald, kennt Wühr natürlich wie seine Westentasche. So berichtet er von Ausflugsgipfeln wie Kleiner Arber (1384 Meter) und Geißkopf (1.097 Meter) sowie vom belebten Urlaubsort Bodenmais.
„Es war Liebe auf den ersten Blick“
Doch auch vom Klimawandel ist die Rede. Gerade am Berg bekommt man ihn zu spüren, wenn etwa im Winter Schnee ausbleibt oder nur wenige Flocken rieseln. Johannes Wühr macht sich da so seine Gedanken, wie er sagt. Der Winter sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Gastronomie, Ski-Verleih, Bergbahnen und vieles mehr gehören zur guten Infrastruktur. Die am Laufen zu halten, sei die Herausforderung. Gleichzeitig trage man auch dem Thema Umweltschutz Rechnung. So würden etwa Schneekanonen bereits seit vielen Jahren energie- und ressourcenschonend eingesetzt.
Zu seinem außergewöhnlichen Job kam der Viechtacher über Umwege, wie er sagt. Pistenbully-Fahrer sei nun mal kein Ausbildungsberuf. Nach der Schule ließ er sich beim regionalen Trinkwasserversorger zum Wassermeister ausbilden. „Nach zehn Jahren wollte ich mich verändern und bewarb mich bei der zum Fürstenhaus Hohenzollern gehörenden Arber-Bergbahn. Wasser spielt hier am Berg schließlich auch eine große Rolle. Als der erste Winter kam, fragte ich, ob ich es auf der Pistenraupe versuchen könnte. Es war dann Liebe auf den ersten Blick und ist jetzt mein dritter Winter am Arber.“
Die Ski-Saison dauert am Großen Arber meist bis in den April hinein. Doch was kommt danach und was macht ein Pisten-Fahrer im Sommer? „Dann steht wieder das Thema Wasser im Vordergrund. Wir verantworten hier am Berg unter anderem auch die Trinkwasserversorgung, etwa für Anwohner sowie für einen Bundeswehr-Standort. Auch Forstpflege wird bei uns großgeschrieben, so dass ich auch im Wald unterwegs bin“, berichtet Johannes Wühr. Sein Lieblingsort im Arberland sei eine Stelle am Flußlauf des Schwarzen Regen, eine Gegend, die Einheimische auch Bayerisch-Kanada nennen: „Das ist nur hundert Meter von meiner Haustür entfernt. Hier bin ich gern mit meiner Freundin oder schwing mich im Sommer ins Kanu.“