Wogendes Gras, leuchtendes Heidekraut und weidende Schafe: In unmittelbarer Nähe von Kaiserslautern befindet sich eine einzigartige Naturlandschaft. Die Mehlinger Heide ist das zweitgrößte Heidegebiet Deutschlands. Vor allem im September zeigt sie sich in den schönsten Farben.
Wir beginnen unsere Heidewanderung am Parkplatz „An der Heide“ im Gewerbegebiet Mehlingen, direkt an einem kleinen Waldstück. Ein breiter Asphaltweg führt von dort über die Autobahn A63. Wenige Augenblicke später erreichen wir einen alten jüdischen Friedhof, der 1830 angelegt worden ist.
Gleich darauf kommen wir zum nördlichen Eingang der Heidelandschaft. Eine Übersichtstafel erläutert das Naturschutzgebiet.
Nachdem wir den Wald verlassen haben, befinden wir uns in einer anderen Welt. Die Heide, ein Mosaik aus Sandflächen, Heidekraut, kleinen Tümpeln, Büschen und Wäldern erinnert in ihrer Kargheit an eine Steppenlandschaft. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Mehlinger Heide zu durchwandern. An diesem heißen Sommertag entscheiden wir uns, zunächst den Hauptweg Richtung Pavillon zu nehmen. Der Weg besteht aus feinem rot-braunen, teilweise tiefem Sand im Wechsel mit felsigem Bundsandsteinuntergrund.
Emma, meine Beagle-Hündin, sprintet durch den Sand und fühlt sich ganz offensichtlich wohl. Meine Wanderfreundin Marianne, die für einige Tage aus dem hohen Norden Deutschlands ins Saarland gekommen ist, begleitet mich an diesem Morgen. Als die Heidelandschaft plötzlich vor uns liegt, sprudelt es aus ihr heraus: „Es ist wie die Lüneburger Heide. Das einzige, was fehlt, sind die dort so typischen Heidschnucken.“ Diese Schafe dienen in der Lüneburger Heide als vierbeinige Landschaftspfleger. Durch ihren ständigen Verbiss von aufkommenden Gehölzen, Gräsern und Heidekraut bleiben die Heide kurz und der nährstoffreiche Boden erhalten.
Auf einer Schautafel lesen wie später, dass die unzähligen Heidesträucher hier durch „Schoppern und Plaggen“ kurz gehalten werden. In der jahrhundertealten Heidebauernwirtschaft der Lüneburger Heide war das Entfernen der Rohhumusauflage ein elementarer Bestandteil der Landnutzung. Mit der so Plaggenhaue, einer speziellen Hacke, wurden die Rohhumusschicht und die durchwurzelte Mineralbodenschicht abgeschält. Die gewonnenen Heideplaggen wurden als Stalleinstreu genutzt. Durch diese Maßnahme erhielt das Heidekraut günstige Keimungsbedingungen, und es konnten sich wieder Reinbestände ausbilden. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Arbeit des „Plaggens“ erneut vorgenommen werden musste.
In der Mehlinger Heide geschieht diese Arbeit in erster Linie durch das „Schopperverfahren“. Während beim Plaggen Mineralbodenanteile und Humusanteile miteinander vermischt werden, wird beim Schoppern weitgehend mineralbodenfreies Material gewonnen, da die Arbeitstiefe etwas geringer ist. Diese Methode ist allerdings nur bei Rohhumusauflagen bis drei Zentimeter und wenig vergrasten Flächen einsetzbar. Auf den geschopperten Flächen stellt sich bereits nach einem Jahr eine neue Heidevegetation ein.
Am gesamten Wegverlauf sind Ruhebänke aufgestellt, die nach allen Himmelrichtungen ausgerichtet sind, um die Heidelandschaft intensiv zu
genießen.
Wir sind weiterhin auf dem Weg zum Pavillon. Dahinter befindet sich eine Aussichtsplattform mit einem filigranen, weit in die Höhe reichenden Kreuz. Von dort kann das zweitgrößte Heideareal Deutschlands gut überblickt werden. Am Horizont bleibt uns die Weitsicht verwehrt. Der Donnersberg, „der König der Nordpfalz“, wie er bezeichnet wird, überragt mit seinen 687 Metern seine Umgebung um durchschnittlich 300 Meter.
An der Plattform begegnet uns Gabriele aus Kaiserslautern. Auf leisen Sohlen mit Kamera und Teleobjektiv streift sie an diesem sonnenverwöhnten Tag mit einem besonderen Ziel durch die Heide. „Nur an heißen Tagen zeigt sich die Gottesanbeterin. Ich hoffe, sie heute vor die Linse zu bekommen“, erzählt sie uns.
Lebensraum für seltene Tierarten
Die Mehlinger Heide bietet Lebensraum für viele seltene Tierarten. Die Gottesanbeterin, eine Fangschrecke, bleibt uns an diesem Morgen verborgen, ebenso der Ziegenmelker. Das Gefieder dieser Nachtschwalbe ist der Musterung von Rinde nachempfunden, was für eine ausgezeichnete Tarnung sorgt. Außerdem startet der Ziegenmelker seine Futtersuche erst in der Dämmerung oder nachts. Er baut kein Nest, sondern legt seine Eier direkt auf den trockenen Sand oder ins Moos. Die Mehlinger Heide gehört zudem zu den fünf wichtigsten Brutgebieten der Heidelerche.
Der weiche Sandboden bietet Wildbienen ideale Bedingungen, um Brutröhren anzulegen. Die Nesteingänge kann man überall an den Wegen finden. Der Sandlaufkäfer, die blauflügelige Ödlandschrecke sowie der Argus-Bläuling sind weitere Tierarten, die ideale Bedingungen im großen Heidegebiet vorfinden.
Nachdem wir die A63 ein zweites Mal überquert haben, biegen wir links ab und folgen der Route über den Heideerlebnispfad. Wir gelangen zu einem Fernrohr, das weite Blicke über die Heide ermöglicht. Auf weiteren Schautafeln und Infostationen am Wegesrand werden wir über das Leben der Heidebewohner informiert.
Als wir die Heide verlassen, erinnern wir uns an den deutschen Journalisten und Schriftsteller Hermann Löns (1866-1914), der als Natur- und Heimatdichter bekannt wurde und dessen Landschaftsideal die Heide war. Ich bin überrascht, als meine Begleiterin Marianne die ersten beiden Strophen des Heidegedichts von Löns zitiert: „Über die Heide sind wir gegangen, und die Heide war blütenleer, goldene Käfer flogen schimmernd, auf dem Sande vor uns her. Alle Fuhrenzweige blühten, und die Heidelerche sang aus der wolkenlosen Höhe, süß zu unserm Heidegang.“