Ein Kommentar von Susanne Wolkenhauer
Noch ist die Tinte vom Tegel-Volksentscheid nicht getrocknet, da nimmt schon die nächste Abstimmung Gestalt an: Kürzlich hat eine neue Initiative angefangen, auf dem Alex Unterschriften für mehr Videokameras zu sammeln. Erste Schritte in Richtung eines Volksbegehrens, getragen von den beiden großen Polizeigewerkschaften und bekannten Namen wie Heinz Buschkowsky, dem ehemaligen Neuköllner Bezirksbürgermeister, oder Ex-Justizsenator Thomas Heilmann. Geplant ist, Videokameras an 50 besonders kriminalitätsbelasteten Orten aufzustellen. Im Bauch der Kamera: eine intelligente Software, die Gefahrensituationen selbstständig erkennt. Vom alleine herumstehenden Koffer über Gesichter von Gesuchten bis zum plötzlichen Menschenauflauf.
Dass noch nicht mal die Berliner Polizei 50 dieser gefährlichen Plätze ausweist: geschenkt. Dass Datenschützer vor dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht warnen, sich anonym in der Öffentlichkeit zu bewegen: auch nicht so wichtig. Andererseits gibt es noch keine Kamera, die bei einem tatsächlichen Überfall spontan vom Mast klettert und zu Hilfe eilt.
Die Initiative läuft auffallend parallel zum Pilotversuch von Innenminister Thomas de Maizières am Bahnhof Südkreuz. Dort erfassen Kameras mit ebenfalls intelligenter Software Gesichter freiwilliger Versuchsteilnehmer. Das Ziel: Verdächtige automatisiert erkennen, um zum Beispiel Anschläge zu verhindern. Auf dem Fußboden der Eingangshalle sind Wege farblich markiert, auf denen man entweder von den Kameras erfasst wird oder nicht. Dummerweise kommt man über den „unerfassten" Pfad statt per Rolltreppe nur zu Fuß die lange Treppe hoch zum Bahnsteig. Oder man hat intelligenterweise den Kapuzenpulli an und die Sonnenbrille auf der Nase. Macht nichts, ich bin ja kein Bösewicht, alles im grünen Bereich, oder? Dennoch: Was bleibt, ist auf alle Fälle ein komisches Gefühl im markierten Bahnhof. Und das möchte ich zukünftig nicht in der ganzen Stadt haben. Unmarkiert.