Der vor 125 Jahren geborene Luis Trenker wurde zur Personifizierung des tollkühnen Bergsteigers. Nach seiner Filmkarriere brachte er es zur Meisterschaft als Erzähler. Allerdings nahm er es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau, was auch für seine Rolle als Opportunist im faschistischen Zeitalter galt.
Lange vor der Affäre um die vermeintlichen Hitler-Tagebücher hatte es in Deutschland schon einen vergleichbaren Skandal gegeben, bei dem Eva Braun, die Geliebte des Nazi-Führers, die Hauptrolle spielte. Denn ab 1946 versuchte der vormalige Erfolgsschauspieler und Bergfilm-Pionier Luis Trenker die angeblichen Tagebücher der Hitler-Braut international zu vermarkten, nachdem er mit gefälschten Antik-Schnitzereien nach Kriegsende offenbar nicht genug Geld hatte verdienen können. Es war fraglos die absurdeste Episode aus dem an Legenden überreichen Leben des ewig wettergegerbten, stets tief gebräunten Naturburschen aus den Südtiroler Dolomiten. Woher die Braun-Tagebücher stammten konnte nie geklärt werden. Viel spricht dafür, dass Trenker, der sich schon mal ziemlich freigiebig am geistigen Eigentum anderer zu bedienen pflegte und daher jahrzehntelang in Plagiats- und Urheberrechtsprozesse verstrickt war, die Fälschung in „Schtonk“-Manier selbst angefertigt hatte.
Fast ebenso spektakulär wie der Tagebuch-Skandal – zumindest nach Meinung der deutschen Boulevardpresse, die sich in bewundernden Kommentaren geradezu überschlug – war die Trenker zugeschriebene Vaterschaft im Alter von 96 Jahren. Er hatte zwar aus der 1928 geschlossenen Ehe mit der 1988 verstorbenen Leipziger Großindustriellentochter Hilda von Bleichert bereits vier leibliche Kinder, doch ein Jahr vor seinem Tod wurde Trenkers junge Assistentin und neue Lebensgefährtin Martina Höller schwanger. Es wurden keinerlei Zweifel an der Männlichkeit des Greises laut, obwohl er als biologischer Vater sicherlich nicht infrage kam. „Wohl eher nicht“, vermutete Paulina Moroder, die Direktorin des Museums Gherdeina in der Grödener Gemeinde St. Ulrich mit spezieller Trenker-Abteilung. „Aber das hat er natürlich nicht dementiert. Die Geschichte passte einfach zu gut zu ihm.“
Alois Franz Trenker wurde am 4. Oktober 1892 in St. Ulrich im damals noch österreichischen Grödnertal in den Südtiroler Dolomiten als Sohn des Holzbildhauers und Malers Jakob Trenker und dessen Ehefrau Karolina geboren. Im Anschluss an die örtliche Volksschule besuchte er das Knabenseminar Josefinum sowie die Bau- und Kunsthandwerkerschule in Bozen und machte 1912 seinen Schulabschluss in Innsbruck. Sein Vater hatte ihn schon im Kindesalter auf Wandertouren mitgenommen und dadurch die Liebe zu den Bergen in ihm geweckt. Dass sich damit auch ein Geschäft machen ließ, hatte der clevere Alois schnell erkannt. Während der Ferien arbeitete er daher als Bergführer und Skilehrer. Die gemeinhin als recht schwer geltende Bergführerprüfung hatte er schon als 14-Jähriger bestanden.
Filmkarriere begann eher zufällig
Nach der Matura begann Trenker 1912 ein Architekturstudium in Wien, das er jedoch nach Einberufung zum Kriegsdienst vier Jahre lang bis 1918 unterbrechen musste. Nachdem er sich dank seines musischen Talents zunächst aushilfsweise als Chef des Kurorchesters und anschließend erfolglos als Kaufmann in Bozen probiert hatte, wandte er sich wieder dem Architekturstudium zu und machte 1924 den Abschluss an der Technischen Universität Graz. Im gleichen Jahr nahm der sportliche Trenker an den Olympischen Spielen in Chamonix als Mitglied der italienischen Fünferbobmannschaft teil, wo er mit seinem Team aber den letzten Platz belegte.
Obwohl Trenker gemeinsam mit seinem Jugendfreund Clemens Holzmeister in Bozen ein Architekturbüro eröffnet hatte, sollte er diesen Beruf nur kurz, bis 1927, ausüben. Die Verabschiedung eines neuen italienischen Gesetzes, das im Ausland erworbene Studientitel nicht mehr anerkannte, lieferte ihm einen hilfreichen Vorwand, sich gänzlich dem Filmschaffen zuzuwenden.
Mit der Kinowelt war Trenker ganz zufällig in Berührung gekommen. Der frühe Bergfilm-Protagonist Arnold Fanck hatte Trenker 1923 für seinen Dolomiten-Stummfilm „Der Berg des Schicksals“ als ortskundigen alpinen Berater engagiert. Als der Hauptdarsteller Höhenangst offenbarte, bot der Regisseur kurzerhand seinem Bergführer die Hauptrolle an. Nach Rücksprache mit seiner Mutter willigte Trenker ein – angeblich nur unter der Bedingung, dass er sich nicht schminken lassen musste.
Auch gegen mögliche Kussszenen soll er sich anfangs heftig gesträubt haben, was sich allerdings schon bei seinem zweiten Film ändern sollte. Bei den Dreharbeiten zu Fancks Streifen „Der heilige Berg“ am Aletschgletscher in der Schweiz lernte Trenker 1925 die junge Tänzerin und Schauspiel-Novizin Leni Riefenstahl kennen. Aus der kurzen Affäre, die wohl spätestens nach dem zweiten gemeinsamen, in den Dolomiten spielenden Film „Der große Sprung“ unter Regisseur Fanck 1927 geendet hatte, sollte sich eine beidseitige lebenslange Hassliebe voller Eifersucht und Intrigen entwickeln. Wie Riefenstahl konnte auch Trenker von Fanck das nötige Rüstzeug erwerben, um sich selbst nach der Übersiedlung nach Berlin als Regisseur zu versuchen. Trenkers erster Film „Der Kampf ums Matterhorn“ kam 1928 in die Kinos. Bis 1962 und der letzten Produktion „Sein bester Freund“ sollten es insgesamt 24 Spielfilme werden, dazu kamen noch etliche Dokumentarfilme.
Sein Weg führte auch nach Hollywood
Beim Dreh in Zermatt für das „Matterhorn“ lernte Trenker den Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“ Theodor Wolff kennen, der ihn zum Schreiben ermunterte. Eine Reportage über die Dreharbeiten wurde Trenkers erste publizistische Arbeit. Die rundum begeisterte Publikumsresonanz animierte ihn 1931 zur Herausgabe seines ersten Buches: „Berge in Flammen. Ein Roman aus den Schicksalstagen Südtirols“. Der gleichnamige Kinostreifen „Berge in Flammen“, der auch in der Broadway-Adaption Erfolge verzeichnen konnte und Trenker dadurch den Weg gen Hollywood ebnete, sollte nach „Der Sohn der weißen Berge“ 1930 Trenkers zweiter Tonfilm sein. Von beiden Filmen wurden in Amerika englischsprachige Versionen produziert. Den Film „Der Rebell“, der vom Freiheitskampf der Tiroler gegen die Franzosen handelte, Trenkers endgültigem Durchbruch als Regisseur 1932, hatte Hollywood sogar finanziert. Der legendäre US-Filmregisseur John Ford war von dem Epos ebenso begeistert wie Adolf Hitler laut einer Notiz von Joseph Goebbels: „Die Spitzenleistung. Ein nationalistischer Aufbruch. Hitler ist Feuer und Fett“.
Bis Ende der 1930er-Jahre war Trenker einer der Lieblingsfilmemacher der NS-Führung. Allein schon, weil die Mischung aus Heldenepos und Heimatfilm den Nazis bestens ins Konzept passte. Trenker durfte für „Der verlorene Sohn“ 1934 und „Der Kaiser von Kalifornien“ in den USA arbeiten. Im Reich brachte er beispielsweise 1938 ein Remake seines „Matterhorn“-Stummfilms unter dem Titel „Der Berg ruft“ erfolgreich auf die Leinwand. In Ungnade bei den Nazi-Größen fiel der Opportunist Trenker dann aber vor allem wegen seiner zögerlichen Haltung in der Südtiroler Optionsfrage. Auch sein Unwillen, bei seinen Arbeiten auf ausländische Darsteller oder jüdische Produzenten zu verzichten, dürfte eine Rolle gespielt haben. Und dass die als Komparserie bei der deutsch-italienischen Koproduktion „Condottieri“ 1937 eingesetzte Leibstandarte Adolf Hitlers vor dem Film-Papst einen Kniefall machen musste, dürfte in der Reichkanzlei auch ziemlich bitter aufgestoßen sein. Alle Versuche der Anbiederung blieben letztlich erfolglos. Seit Anfang 1940 erhielt Trenker, trotz Eintritts in die NSDAP, keine Filmangebote mehr. Rätselhaft ist allerdings, warum er 1942 bei dem Film „Germanin“ als Darsteller mitwirken durfte.
Nach dem Krieg war Trenkers filmischer Zenit überschritten. Als Schauspieler stand er letztmals für „Von der Liebe besiegt“ 1956 vor der Kamera. Als Regisseur und Produzent blieb er mit seiner bereits 1937 in Berlin gegründeten Luis Trenker Film GmbH noch etwas länger im Geschäft. Als Mittfünfziger verlegte er sich vor allem aufs Schreiben, produzierte einen Bestseller-Berg-Roman nach dem anderen. Später sollten noch seine Autobiografie „Alles gut gegangen“ 1965 und lukrative Bildbände hinzukommen.
14 Jahre Erzähl-Onkel fürs Fernsehen
Vor allem aber war das noch junge Massenmedium Fernsehen die perfekte Bühne, auf der der charmant-unterhaltsame Dauerplauderer Luis Trenker in seinem aus Cordanzug und Filzhut zusammengesetzten Onkel-Outfit ein Riesenpublikum mit seinen Geschichten aus der Bergwelt jahrelang in Atem hielt. Die ARD strahlte zwischen 1959 und 1973 die Serie „Luis Trenker erzählt“ aus, der ORF war zwischen 1971 und 1973 mit „Berge und Geschichten“ auf Sendung.
In seinen letzten Lebensjahren wendete sich Luis Trenker, der gelegentlich „John Wayne der Dolomiten“ oder „James Bond der Berge“ genannt wurde, dem Umwelt- und Naturschutz zu. Am 12. April 1990 starb er im Alter von beachtlichen 97 Jahren im Stadtkrankenhaus Bozen. In seiner Heimat Südtirol ist er noch immer ein Mythos. Die Einheimischen sprechen über ihn nur von „Bera Luis“, wobei „Bera“ im Ladinischen für „Herr“ steht und nur für die Ansprache einer absoluten Respektperson benutzt wird.