Macht er zu oder nicht? Noch ist rechtlich vorgeschrieben, dass Tegel nach der BER-Eröffnung schließt. Die Berliner forderten per Volksentscheid aber das Gegenteil. Der Regierende Bürgermeister schlägt nun eine Schlichtung vor.
Mit 56 zu 42 war das Ergebnis deutlich. Die 56 Prozent haben für den Fortbestand des Flughafens Tegel gestimmt – diesem Votum kann sich auch der rot-rot-grüne Berliner Senat nicht entziehen, der für die Schließung von TXL geworben hatte. Die Auseinandersetzung um das richtige Luftverkehrskonzept für die Hauptstadtregion geht in eine neue Runde: Dass Tegel über die BER-Eröffnung hinaus offen bleibt, ist allen Fragezeichen zum Trotz wieder eine Option. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) muss gegen seine eigene Überzeugung handeln und hat die Einrichtung eines unden Tisches mit allen Konfliktparteien angekündigt.
Das Gremium werde unabhängig, transparent und ergebnisoffen arbeiten können und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet, sagte Müller vergangene Woche vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Der runde Tisch solle Senat und Parlament Bericht erstatten, „ob und wie eine Offenhaltung des Flughafens Tegel rechtssicher möglich ist und welche Schritte als nächstes einzuleiten sind“. Vorbild ist das Schlichtungsverfahren beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21. Es war vom kürzlich verstorbenen ehemaligen CDU-Politiker Heiner Geißler geführt worden.
Hintergrund: Berlin hält lediglich 37 Prozent der Anteile an der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg; gleich viel hält das Land Brandenburg, auf dessen Territorium der künftige BER liegt, die restlichen 26 Prozent gehören dem Bund. Berlin kann also nicht allein entscheiden, da die beiden anderen Anteilseigner weiter das Konzept eines Single-Airports befürworten, das nach einer Schließung Tegels verlangt. Die ist so auch in den Vertragsgrundlagen zwischen allen drei Partnern festgeschrieben. Der ursprünglich von der FDP initiierte Volksentscheid fordert dementsprechend, „Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern!“ – ein Verhandlungsauftrag an den Berliner Senat.
Berlin kann nicht allein entscheiden
Nun schlagen die Wogen zwischen den Berliner Fraktionen hoch. Die beiden Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus wollten gleich das Steuer ergreifen: Sie stellten einen Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung fürs Abgeordnetenhaus. Darin listeten sie Schritte für einen etwaigen Weiterbetrieb des Flughafens Tegel auf: Zunächst solle der Senat ein Verfahren einleiten, das den Widerruf der Betriebsgenehmigung für Tegel zurücknimmt. Rot-Rot-Grün wird zudem aufgefordert, ein neues Flughafenkonzept für die Region Berlin-Brandenburg zu erarbeiten: eines, das die bisherige Planung eines „Single-Airports“ BER ablöst. Des Weiteren fordern sie, die alten Pläne einer U-Bahn-Anbindung des Flughafens Tegel wieder aufzunehmen. Die Anwohner in der Einflugschneise müssten außerdem von Lärmschutzmaßnahmen profitieren. Letzteres wird ohnehin geschehen, sollte der BER erst 2020 aufmachen: Seit diesem Jahr gilt ein Anrecht auf Schutz vor dem Fluglärm, unabhängig von einer Tegel-Schließung. Last but not least fordern CDU und FDP, ein alternativer Standort für die geplante „Urban Tech Republic“ müsse „identifiziert und aktiviert“ werden. Hinter der Urban Tech Republic verbirgt sich das Nachnutzungskonzept für den Flughafen Tegel, das 9.000 Wohnungen für rund 10.000 Menschen nebst einem Hochschulcampus, einer Feuerwehrakademie und Naherholungsflächen vorsieht.
Unterdessen geht der Betrieb am Flughafen Tegel weiter: Kürzlich kündigten Lufthansa und die US-Airline Delta neue Fernverbindungen vom TXL aus an. Lufthansa will vom 8. November an fünfmal wöchentlich den New Yorker John-F.-Kennedy-Airport anfliegen und füllt damit eine Lücke, die die Insolvenz von Air Berlin in den TXL-Flugkalender gerissen hatte. Die Lufthansa hatte zuletzt 2001 Fernflüge von Berlin aus durchgeführt. Ab dem Sommerflugplan 2018 soll die Lufthansa-Billigtochter Eurowings die New-York-Destination bedienen. Parallel will dann auch Delta Air Lines täglich Flugzeuge zwischen TXL und JFK verkehren lassen.