Das Trio a-ha ließ in den 80ern Frauenherzen höherschlagen. Morten Harket, Magne Furuholmen und Paul Waaktaar-Savoy sind auch in ihrem sechsten Lebensjahrzehnt noch voller Tatendrang und veröffentlichen nun ein MTV-Unplugged-Album, bevor es Anfang 2018 damit auf Tour geht. Der ewig junge Morten Harket (57) im Interview.
Herr Harket, „Take On Me" ist im Original eine der größten Song-Ikonen des Pop. Ist es Ihnen leicht gefallen, dafür ein neues Arrangement zu schreiben?
Ja, denn es steckte bereits im Original mit drin, das alle aus dem Radio und dem Fernsehen kennen. Das Arrangement der Unplugged-Fassung ist transparent, pur und einfach. Es ist im Prinzip derselbe Song. Für MTV Unplugged haben wir sogar viele unserer Stücke neu arrangiert, zum Teil auf sehr spektakuläre Weise. Dieses Format ist eine tolle Möglichkeit, die eigene Musik zu erforschen und weiterzuentwickeln.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Die Musik von „Stay On These Roads" zum Beispiel hat einen ganz eigenen Rhythmus, ich dagegen singe in einem anderen Rhythmus. Würde man die Musik in meinem Rhythmus spielen, würde mein Gesang nicht mehr funktionieren. In dem Moment, in dem man den Rahmen verändert, bekommt der Song einen anderen Charakter. Mit diesem Projekt haben wir uns neu erfunden.
Das Unplugged-Konzert fand zur Sommersonnenwende statt. Früher glaubte man, die Natur sei in der Mittsommernacht magisch. Elfen würden tanzen und Trolle stünden hinter den Bäumen. War das der Grund, in dieser Nacht auf der winzigen Insel Giske spielen zu wollen?
Alles ist magisch – so auch die Mittsommernacht. Wir Menschen können immer noch nicht erklären, wer wir wirklich sind. Wir wissen weder wo wir herkommen, noch wo wir hingehen. Wir begreifen auch das Universum und die Zeit nicht. Wir wissen, dass wir Wasser trinken müssen, aber wir können darin auch ertrinken. Wir begreifen, wie sich bestimmte Dinge zu anderen verhalten, aber außerhalb der Realität verstehen wir gar nichts mehr.
So ein Konzert gibt man ja nicht eben mal so nebenbei. Wie nervös waren Sie, als Sie die zwei Shows spielten?
Ich bin nie nervös wegen der Menschen im Raum. Meine Nervosität hängt eher ab von meiner Gesundheit. In Giske hatte ich eine Mikroplasmen-Infektion in den Atemwegen. Ich war nicht wirklich krank, aber ich fühlte mich schon seit geraumer Zeit nicht wohl. Es lag an mir, ob wir diese Konzerte spielen oder absagen. Das bedeutet einen unheimlichen Druck für einen Sänger. Ohne mich gibt es keine Band a-ha, ich kann nur liefern, wenn ich mich wohlfühle.
Wie haben Sie die Konzerte am Ende gemeistert?
Als ich hoch nach Giske fuhr, war meine Stimme gerade im Begriff zurückzukommen. Trotzdem musste ich noch aufpassen und durfte mich auf keinen Fall erkälten. Ich hasse es aber, vorsichtig zu sein, weil ich eigentlich gerne Risiken eingehe. Gewisse Risiken machen für mich Sinn. Aber es gibt Situationen wie Konzerte, in denen muss ich einfach extrem vorsichtig sein.
Ist sonst alles glatt gelaufen?
Unser Produzent und musikalischer Leiter Lars hatte am Tag des ersten Konzertes hohes Fieber. Er war richtig krank und konnte kaum sprechen. Zudem war er hoch ansteckend, jeder von uns hätte sich bei ihm etwas einfangen können. Wir saßen alle im selben Raum und hofften, dass es irgendwie gut geht. Das sind wirklich gefährliche Dinge für ein Vorhaben wie MTV Unplugged. Wäre auch nur einer von uns ausgefallen, hätte es das Ende des Projektes bedeutet. Mit diesem Risiko muss nicht nur ich, sondern jeder Sänger leben.
Welche Rolle spielte bei diesem Projekt der Sound?
Genauso wichtig wie die Gesundheit ist bei solch einem Projekt, dass ich mich auf der Bühne vernünftig hören kann. Nur so habe ich Zugang auf all meine Stimmlagen. Die Geräusche, die die anderen Anwesenden in einem Raum machen, verändern permanent den Charakter der Musik, die ja an den zwei Tagen besonders leise war. Und wenn dann am Konzertabend alle Zuschauer da sind, klingt es noch einmal anders. Der Klang ist eine sehr reale Sorge, mit der ich leben muss. Meine Art zu singen ist ziemlich komplex und ganz anders als bei einem heiseren Rock ‘n‘ Roller, der über anderthalb Oktaven verfügt. Mein Monitor-System ist deshalb sehr kompliziert einzurichten. Den schwierigsten Job im ganzen Raum hatte unser Mixer.
Singen Sie lieber zu akustischen oder zu elektrischen Klängen?
Natürlich ist es nicht dasselbe, ich finde aber nicht, dass eine Sache besser ist als die andere. Es gibt das eine, und es gibt das andere. Musik ist ein lebendiger Prozess. Du reagierst auf sie, und sie reagiert wiederum auf dich. Wo ist der beste Ort, einem Tiger zu begegnen: im Dschungel oder in einem Käfig?
Fühlen Sie sich durch MTV Unplugged motiviert für weitere Projekte mit a-ha?
Ja. Die Aufgabe, dieses Projekt gemeinsam umzusetzen, war für uns sowohl eine Herausforderung als auch ein Geschenk. Ich möchte sogar behaupten, es war für a-ha eine Verjüngungskur. Zwar anstrengend und konflikthaft, aber das lag in der Natur der Sache, weil unterschiedliche Meinungen auf einen Nenner gebracht werden mussten. Die Unmittelbarkeit unserer Anfangszeit war in Giske plötzlich wieder da. Am Ende fühlten wir drei uns so vereint wie lange nicht mehr.
Aber hatten Sie nicht eigentlich vor, mit a-ha endgültig Schluss zu machen?
Ich bin nicht so kategorisch, dass ich sage, ich will etwas Bestimmtes überhaupt nicht mehr machen. Das wäre aus künstlerischer Sicht ein großer Fehler. Mein gesamtes künstlerisches Schaffen basiert auf Spannungspunkten, die in vier oder fünf Richtungen ausstrahlen. Es geht nicht darum, ob ich persönlich etwas will oder nicht will. Manchmal trifft man auch unbewusst Entscheidungen. Sie passieren einfach. a-ha hätte es vielleicht nie gegeben, wenn ich diese Band unbedingt gewollt hätte. Sie ist uns sehr wichtig, aber sie konkurriert mit vielen anderen Dingen, die uns genauso wichtig sind.
2018 werden a-ha mit MTV Unplugged auf Tour gehen. Wollen Sie es genauso machen wie in Giske?
Das kann ich nicht versprechen, denn Musik ist ein lebendiger Prozess. Ich denke aber, es wird sehr ähnlich werden, weil wir dann mit demselben Team von Musikern unterwegs sind.
Sie gehen regelmäßig zu einem Heiler. Wirkt sich das auf Ihre Musik aus?
Ich weiß nicht, wie ein Heiler einen anderen Menschen heilt, aber ich sehe seit vielen Jahren, dass es funktioniert. Ich glaube daran auf dieselbe Weise, wie ich an das Fernsehen glaube. Ich muss dafür nicht wissen, was dabei technisch vor sich geht. Ich sehe einfach, dass es funktioniert. Nur das ist wichtig.
„Musik ist ein lebendiger Prozess"
Was du als Künstler auf meinem Level irgendwann lernst, ist, dass du nur mit Sachen umgehen kannst, die auch halten, was sie versprechen. Alles andere ist Zeitverschwendung, denn das Leben ist endlich. Auf der anderen Seite nehme ich mir viel Zeit, um Dinge zu erforschen und mich mit Leuten zu treffen, die positive Energie ausstrahlen. Für das Unbekannte nehme ich mir gerne Zeit.
Wir leben in Zeiten des Terrors. Wie gehen Sie als Musiker damit um?
Terror entsteht durch eine strikte fundamentalistische Weltsicht von Menschen, die aufgehört haben, Fragen zu stellen. Sie stecken fest in einer ideologischen Sackgasse. In einer spirituellen Welt hingegen sind nicht die Antworten heilig, sondern die Fragen. Wir Menschen wurden geboren, um Fragen zu stellen. Sie machen uns menschlich. Damit aufzuhören, würde bedeuten, sich von der Menschlichkeit zu entfernen. Ein lebendiger Gott ist einer, der Fragen stellt.